Zusammenfassung
Das Projekt „Institutionelle Transformationsprozesse der Schulkultur an ostdeutschen Gymnasien“ ist in einer ersten allgemeinen Charakterisierung als ethnographische Studie zu kennzeichnen, die sich hermeneutisch-rekonstruktiver Auswertungsverfahren bedient. Dieser ethnographische und hermeneutisch-rekonstruktive Zugang resultiert aus unserem Verständnis von Schulkultur (vgl. I. Teil). Denn wenn die symbolische Ordnung einer Schule durch die Auseinandersetzung und die Aktivitäten der schulischen Akteure generiert, reproduziert oder transformiert wird, dann erfordert die Erschließung dieser schulischen Sinnstruktur die Rekonstruktion der Alltagspraxen, Rituale, Interaktionsformen und Symboliken in der Spannung formeller und informeller Ebenen der Schule. Damit kann das Projekt als qualitativ orientiertes Forschungsvorhaben bestimmt werden, das mit einem grundlegend einzelfallorientierten Zugang über kontrastive Vergleiche und Theoretisierungen zu abstrahierenden Aussagen gelangt. Zum Verständnis der zunächst eher allgemeinen Kennzeichnung des Projektes sollen die nächsten Ausführungen und schematischen Darstellungen beitragen.
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Literatur
Vgl. ausführlich zur Auswahl der einzelnen in diesem Band vorgestellten Schulen Kap. II11.
Zu diesem Zeitpunkt der Projektarbeit, war der Kontakt zu den Kollegien der Schulen noch nicht hergestellt. Die Schulleiter sind damit als die Türöffner des jeweiligen schulischen Feldes zu verstehen, die der anschließenden Erhebungsphase den offiziell legitimierten Boden bereiteten (vgl. zur Schlüsselrolle von Kontaktpersonen zum Einstieg in das Feld Legewie 1991, S. 191, Lamnek 1993b, S. 288).
In den methodischen Beiträgen zur teilnehmenden Beobachtung wird immer als zentrales Prinzip der Umsetzung betont, daß man als Forscher eine Integration und damit einen Mitgliedschaftsstatus innerhalb einer ‚fremden Kultur‘ anstreben soll. Erst mit dem so durch die Person des Forschers eingenommenen ‚insider point of view‘ kann der Erkenntnisgewinn dieser Methode maximal abgeschöpft werden (vgl. Legewie 1991, S. 189, Girtler 1991, S. 385, Hitzler/Honer 1991, S. 382).
Vgl. zur Typologie verschiedener Positionen im Feld in der Spannung von Teilnahme und Distanz Lamnek 1993b, S. 263ff.
Es ließen sich selbstverständlich weitere Spannungsmomente benennen, die in der Strukturierungsphase bedacht wurden, und auf die wir uns einzustellen versuchten. So z.B. die Frage, wie mit den Erkenntnissen und Ergebnissen im Feld umzugehen sei. Die dargestellten Balancen können jedoch als die zentralen Spannungsmomente gelten, da sie die Feldphase selbst dominant strukturierten.
Vgl. zur Offenheit einer qualitativ orientierten Beobachtung in Lamnek 1993b, S. 259 sowie zur Problematik der Aufmerksamkeitsfokussierung und der Begrenzung der Offenheit der Beobachtung S. 270ff.
Wir gehen hier von einer doppelten Analyseperspektive der schulischen Partizipation aus, bei der zwischen einer grundlegenden Anerkennungs- und Partizipationsstruktur auf der einen Seite und einer inhaltlichen Partizipationsdimension auf der anderen Seite unterschieden werden muß, die auf der Grundlage des ersten Gegenstand schulischer Aushandlungsprozesse ist (vgl. Kap. I./1.).
Vgl. zur Kontroverse über den Stellenwert von Feldprotokollen Lüders 1995, S. 323ff. Wir teilen hier die Auffassung von Bohnsack u.a., daß der Nachteil von Beobachtungsprotokollen gegenüber direkten Aufzeichnungen von Interaktionssequenzen darin liegt, daß mit ihnen ein Rückgriff auf Originaltexte und -daten nicht mehr möglich ist (vgl. Bohnsack u.a. 1995, S. 326).
Vgl. zu Formen des qualitativen Interviews Lamnek 1993b, S. 68ff.
Mit diesen offenen Einstiegsphasen versuchten wir, im Sinne des Paradigmas qualitativer Interviews, die jeweils subjektiven Erfahrungen und Relevanzfestlegungen zur Darstellung zu bringen und später rekonstruieren zu können (vgl. Lamnek 1993b, S. 60ff.).
Mit dieser durchgängigen Orientierung auf die Produktion von Erzählpassagen versuchten wir, die Überlegungen Schützes zu nutzen, nach denen nur in den Erzählungen selbsterlebter Ereignisse die tatsächlichen Erfahrungsqualitäten zum Zeitpunkt des Geschehens unmittelbar in der Darstellung zum Ausdruck drängen (vgl. Schütze 1977, S. 1 u. 1987, S. 94ff.), indem sich hier Homologien zwischen damaligen Erfahrungen und dem aktuellen Erzählstrom abbilden und die Darstellung somit dominant strukturieren (vgl. Schütze 1984, S. 78 u. 80). Die jeweiligen Erfahrungsqualitäten von Schulleitern, Lehrern, Schülern und Elternvertretern war z.B. besonders wichtig, um die schulischen Transformationsprozesse seit der Wende mit dem Erfahrungsaspekt kreativer Entfaltung oder passiven Erleidens durch schulische Akteure in Verbindung zu bringen.
Hier ist eine differenzierte Vermittlung von biographischen Verläufen und der Schulkultur angestrebt, die als Band II der „Rekonstruktionen zur Schulkultur“ exemplarisch für eine Schulkultur (vgl. Kramer 2001a, b) und als Band III in der Kontrastierung der hier rekonstruierten Schulkulturen vorbereitet werden.
Hier bezogen wir uns einerseits auf das Siegener Hochschulforschungsprojekt „Studium und Biographie“, die jedoch den Status von Feldprotokollen neben biographischen Interviews, Gruppendiskussionen, Expertenbefragungen oder Fotointerviews ebenfalls nicht explizit festlegten (vgl. Apel u.a. 1995). Andererseits wurden im Projektzusammenhang die methodischen Ausführungen von Bohnsack u.a. (1995) diskutiert, wobei die hier vorgeschlagene Kennzeichnung verschiedener Darstellungsebenen im Beobachtungsprotokoll sehr hilfreich war. Die Beobachtungen werden nach Bohnsack u.a. im Unterschied zu ersten Deutungen und eigenen Interpretationen des Forschers im Protokoll auf der Darstellungsebene detaillierter und chronologisch sequenzierter Erzählungen vermittelt (vgl. Bohnsack u.a. 1995, S. 442f.).
Bohnsack u.a. formulieren hierzu, daß die beobachtete Handlungspraxis im Beobachtungsprotokoll nur noch gefiltert zugänglich ist, da sowohl in der Tätigkeit des Beobachtens als auch des Protokollierens die eingelassene Selektivität des Forschers nicht mehr zu hintergehen ist (Bohnsack u.a. 1995, S. 434).
Exemplarisch kann eine Variante der Auswertung von Feldprotokollen im Zwischenbericht des Projektes (Helsper u.a. 1997a) nachgelesen werden, bei der riskante Strukturhypothesen zur Dramaturgie der Abiturfeiern formuliert wurden. Die hier generierten Strukturhypothesen wurden jedoch vom Status der Absicherung deutlich hinter dem der ausführlichen Textrekonstruktionen (z.B. der Abiturreden) zurückgestellt, weil hier keine derart extensive Sinnauslegung erfolgte.
Die Kennzeichnung verschiedener Textsorten erfolgte während der Transkription ähnlich der Textartenkennzeichnung in der formalen Textanalyse bei Schütze (1983).
Angesichts dieser Setzung und dem Wissen, daß diese objektiven Bedeutungsstrukturen zumeist mental nicht präsent sind, ist auch die Unterscheidung Oevermanns in latente Sinnstrukturen und manifeste (d.h. mental repräsentierte) Sinnstrukturen zentral, wobei letztere meist nur einen begrenzten Ausschnitt des Möglichkeitsraums darstellen (vgl. Oevermann u.a. 1979, S. 367f.).
Das heißt nun aber nicht — wie es in einigen Rezeptionen dargestellt wird —, daß damit jegliches Kulturwissen im Deutungsprozeß irrelevant ist. Im Gegenteil baut die Methode der Objektiven Hermeneutik darauf, daß die Interpreten als einsozialisierte Kulturmitglieder über ein intuitives Wissen angemessenen Handelns verfügen, welches innerhalb der extensiven Sinnauslegung expliziert wird (vgl. Oevermann u.a. 1979, S. 388).
Die Kennzeichnung verschiedener Methoden in der Rezeption der Objektiven Hermeneutik scheint vielmehr die Differenz verschiedener Gegenstandsbereiche und/oder z.T. leichte Modifikationen bei der Darstellung durch Oevermann mißzuverstehen (vgl. auch Garz 1997).
Gleichwohl wurden methodische Überlegungen angestellt und exemplarische Interviewanalysen durchgeführt, die sich diesen Ansprüchen annäherten (vgl. z.B. Schulportrait C).
Vgl. zur Entstehungs- und Verbreitungsgeschichte sowie den harten Positionskämpfen zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden Garz/Kraimer 1991, S. 4ff., Flick 1991, Lamnek 1993a, S. 3ff., Garz 1995, S. 22ff.
Es lassen sich aber auch Positionen finden, die den von Denzin eingebrachten Validierungsaspekt nicht einfach ablegen. So z.B. der Beitrag von Ackermann/Rosenbusch (1995), die in Anlehnung an Mayrings (1990) Gütekriterien qualitativer Forschung Triangulation zur Absicherung von Ergebnissen entwerfen (vgl. Ackermann/Rosenbusch 1995, S. 159).
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Helsper, W., Böhme, J., Kramer, RT., Lingkost, A. (2001). Methodologische Grundlagen und methodisches Vorgehen der Studie. In: Schulkultur und Schulmythos. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96398-7_20
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