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Anordnung ökologischer Reproduktion und gesellschaftlicher Kommunikation

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Theorietechnik und Politik bei Niklas Luhmann
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Zusammenfassung

Die Entwicklung der modernen Gesellschaft ist inzwischen in einen Bereich vorgestoßen, wo neben ihrer eigenen Zukunft auch die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf dem Spiel steht. Entscheidend für Zukunfts- und Überlebensperspektiven ist die Gestaltung des Gesellschaft/Natur-Verhältnisses, welches bestimmt ist von der Art und Weise, wie — abhängig von gesellschaftlichen Bedingungen und Formen, Strukturen und Dynamiken, Techniken und Orientierungen — einerseits in Naturprozesse eingegriffen wird und wie Naturobjekte angeeignet werden, und wie andererseits ökologische Probleme gesellschaftlich wahrgenommen und behandelt werden. Sind die Ursachen und die Charakteristika ökologischer Probleme wie die Handlungsmöglichkeiten ihnen gegenüber nicht einfach evident, so ist ihre Bestimmung selbst ein strategisches und natürlich umkämpftes Moment dieses Zusammenhangs.

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Literatur

  1. Allerdings äußert sich Luhmann zuweilen im Widerspruch zu dieser Bestimmung der Differenz von System und Umwelt, wenn er die Möglichkeit, Umwelt selbst als System zu denken, in der Form einräumt, daß dies abhängig von Beobachtern bzw. deren konstruktiven Aktivitäten ist.

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  2. »Von System sollte man nur sprechen, wenn ein Zusammenhang sich selbst gegen eine Umwelt abgrenzt.« (Ebd.) Luhmanns Einsicht, nicht jeder Zusammenhang sei als System zu bezeichnen, sollte allerdings von ihm selbst radikaler weitergedacht werden, da in seiner Theorie, wie gezeigt, mehr Sachverhalte als Systeme identifiziert werden, als sie in der Tat als solche fungieren, systemische Zusammenhänge gleichsam von der Theorie in die Realität hineinkonstruiert werden.

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  3. Hierin findet man eine Zuspitzung Luhmanns gegenüber eigenen früheren Formulierungen. Bei diesen ging es, vor dem Hintergrund der Kritik an Rationalmodellen von Organisationen oder des Handelns, allgemein um die in organisationssoziologischen oder handlungstheoretischen Ansätzen in der Form nicht gestellte Frage nach der Funktion des Zweck/Mittel-Schemas oder kausalistischer Deutungen für Organisationen oder allgemein für menschliches Handeln, wobei Luhmann mit Zwecken die Leistungen bezeichnete, »die das System an seine Umwelt abführen muß, um sich zu erhalten« (1968, 48), und kausalistische Erklärungen für die Funktion standen, »die im natürlichen Erleben sich zeigenden Erfahrungs- und Verhaltenspotentialitäten zu systematisieren und so zu interpretieren, daß sie für Vergleichszwecke verfügbar, also rationalisierbar werden« (1973, 29). Luhmanns Kritik ist inzwischen so weit radikali-siert, daß die positive Reartikulation des Kritisierten verschwunden ist. Unabhängig davon, was man im einzelnen von seinen früheren Antworten hält, ist von seiner Frage, wie Hans Joas betont, festzuhalten, daß niemand in der soziologischen Theorietradition die scheinbare Selbstverständlichkeit des Zweck/Mittel-Schemas so explizit in Zweifel gezogen hat wie Luhmann (vgl. Joas 1992, 218ff.). In seiner Rein-terpretation von Luhmann versucht Joas die interessante Wendung, statt wie jener »die Grenzen einer handlungstheoretischen Analysierbarkeit von Organisationen aufzuzeigen und als Konsequenz den Sprung zur Übernahme systemtheoretischer Modelle akzeptabel zu machen«, in umgekehrter Richtung »durch eine Umorientie-rung der Handlungstheorie den Übergang zur Verwendung systemtheoretischer Mittel für die Untersuchung ordnungstheoretischer Fragen gerade zu vermeiden.« (Ebd., 220).

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  4. Anders wird dies noch in 1988f (1. Aufl.: 1975) formuliert. Da wird darauf hingewiesen, daß es »nicht nur Schranken der Generalisierung und Abstraktion von Einfluß-beziehungen, sondern zugleich auch Schranken der funktionalen Ausdifferenzierung von sozialen Systemen« (1988f, 77; Hervorhebung D. B.) gibt. Als sich wechselseitig voraussetzende Dimensionen generalisierten Einflusses bestimmt Luhmann »Autorität« für die Zeit-, »Reputation« für die Sach- und »Führung« für die Sozialdimension (vgl. ebd., 75). In der Folge heißt es, daß »zeitliche Motivgeneralisierung [...], bei allem Interesse an ›Gesetzmäßigkeiten‹ des sozialen Lebens, nicht ganz aus der faktischen Systemgeschichte mit ihren vielseitig-konkreten Engagements herausgelöst werden« kann und Reputation, »bei aller Begriffsabstraktion und hochentwickelter verbaler Geschicklichkeit, immer einen Bezug auf das vorhandene Wissen« (ebd., 77) behält.

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  5. Als eine prominente, in anderer Perspektive verfahrende Thematisierung dieser historischen Erfahrungslage vgl. auch Rorty 1989.

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  6. Salopp überspitzt schließt Luhmann an: »Die Landwirtschaft beginnt mit der Vernichtung von allem, was vorher da wuchs.« (Ebd.)

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  7. Zu Recht vgl. ebd., 124ff., zu Wissenschaft 150ff., zu Politik 167ff.

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  8. Dieser Befund von »zuviel Resonanz« ist auf merkwürdige Weise paradox. Einerseits ist theorietechnisch die Möglichkeit von zuviel Resonanz dadurch ausgeschlossen, daß sich Kommunikation entweder in die Sprache der Funktionssysteme übersetzen läßt, wo sie dann auch verarbeitet werden kann, oder störendes »Rauschen« bleibt, was dann aber nicht zuviel Resonanz bedeutet. Andererseits verweist Luhmanns Bemerkung auf die theorietechnisch nicht realisierte Möglichkeit, daß systemische Operationen zwischen den Polen eines Zuviel und eines Zuwenig sich doch auf ein machbares Optimum ausrichten ließen, und insbesondere darauf, daß auch externe Interventionen positive Wirkungen im System zeitigen könnten.

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  9. Überhaupt sieht er ein ganz wesentliches Problem darin, »ob die moderne Gesellschaft für Selbstbeschreibung auf die ganz unzulängliche Basis sozialer Bewegungen angewiesen ist.« (Ebd., 236) Dem ist entgegenzuhalten, daß die Basis der modernen Gesellschaft, ihre monofunktionale Differenzierung, selbst unzureichend ist. Und daß sie im Hinblick auf besseres Operieren auch auf die Kritik, die Vorschläge und den Druck sozialer Bewegungen angewiesen ist (vgl. Jänicke/Mönch 1988).

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  10. Zur Kritik an Luhmanns Auffassung politischer Codierung und den umweltpolitischen Implikationen vgl. Jäger 1988; als Stimmen in diesem Kontext vgl. Fischer 1989a, Luhmann 1989e und Lyotard 1989.

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  11. Aus »der Logik dieser Differenzierung [folgt], daß sich Formen des Forderns und Appellierens entwickeln, die an andere adressiert sind, nämlich an die Systeme, die es vermeintlich können. Manches wird als ›Ethik‹ verkleidet.« (1992f, 153) Da »diejenigen, die fordern, selbst nicht in der Lage sind, Abhilfe zu leisten, fehlt ein wesentliches Moment aller ethischen Regulierung, nämlich Selbstanwendung oder das Verbot der Selbstextension. Die Verantwortungsethik ist nur für die anderen gedacht. Man kann sich ihr formal unterstellen, aber die Selbstanwendung kommt mangels durchgreifender Handlungskompetenz ohnehin nicht in Betracht.« (Ebd., 153f.)

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  12. Bei diesen Bewegungen geht es ja um mehr: die Kritik einer produktivistischen Lebensweise, technokratischer Entscheidungsstrukturen, Machtverflechtungen und anderes mehr.

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  13. Wenn so denjenigen, die warnen, »vermeidbare Aufregungsschäden« angelastet werden, bleibt nur abgeklärtes Hinnehmen: »Unsere Gesellschaft hat im Horizonte möglicher Katastrophen zu leben, und zwar ganz normal und unaufgeregt zu leben« (1986d, 21).

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  14. Das soll natürlich nicht heißen, daß auch die funktionalistische Interpretation als Frühwarnsystem als problematische Verkürzung kritisiert werden kann; vgl. als frühe Stimme Offe 1971.

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  15. Als Fazit eines Überblicks, in dem sie die Entwicklung der Luhmannschen Aussagen zu neuen sozialen Bewegungen analysieren, kommen Dieter Rucht und Roland Roth zu einem einigermaßen vernichtenden Urteil: »Fern von einer ernsthaften Rezeption der einschlägigen Fachliteratur und ungetrübt von empirischen Kenntnissen über den konkreten Gegenstandsbereich schwadroniert Luhmann über die Essenz der neuen sozialen Bewegungen, greift durchaus richtige Einzelbeobachtungen heraus, um sie als das Ganze zu stilisieren, bekräftigt längst in der Literatur Gesagtes, läßt aber auch Entscheidendes weg, weil es ihm weder theoretisch noch praktisch-politisch in den Kram paßt.« (Rucht/Roth 1992, 31) Daran knüpfen sie die Beobachtung, daß »dieses Selektionsverhalten [...] ihn auch zu einer eigenwilligen Sortierungsleistung gegenüber einzelnen Bewegungen [führt], die dann wahlweise mit Abwehrsemantik oder Streicheleinheiten bedacht werden.« (Ebd.) So stellen sie zum einen fest, daß »die Kritik gegenüber der Studenten-, Frauen- und Alternativbewegung« sehr scharf ist, ihnen »Aufgeregtheit, falsche Moralisierung, theoretische Unbekümmertheit, Kritik an der falschen Stelle, gegenüber den falschen Adressaten und dazu noch ohne rechten Grund« (ebd.) bescheinigt wird. Zum anderen konstatieren sie ein »relatives Wohlwollen [...] gegenüber den konstruktiven Teilen der Ökologiebewegung«, die ›»mit den notwendigen Kenntnissen über Halbwertzeiten und Meßverfahren, Dioxinver-brennungs- und Abfallsortierungstechniken‹ (1988d)« (ebd.) ausgestattet sind und damit aber, ohne das System beunruhigende Alternative, harmlos bleiben (vgl. 1986e).

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  16. In diesem Sinne vgl. Giddens 1990, 29ff.

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  17. Das auch schon in dem Fall, wo mit der Entwicklung medizinischer, chemischer etc. Kenntnisse Krankheit aus einer möglichen Gefahr zu einem Risiko wird.

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  18. »Die Organisation definiert Entscheidungszuständigkeiten und damit auch Einfluß-chancen, wenn nicht offizielle Einflußkanäle. Damit wird klargestellt, wer es als Entscheider, so oder so, mit für ihn unvermeidbaren Risiken zu tun hat und wer als Betroffener nicht anders kann als dasselbe Problem als Gefahr zu klassifizieren.« (Ebd., 153)

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  19. Als hauptsächliche Charakteristik der bisherigen Bundesrepublik — neben ihrer Bestimmung als »soziale Marktwirtschaft« — bezeichnet Luhmann die Kultivierung von »Protest« (vgl. 1992h). Dieser fungiert demnach gleichsam als Milieu, in dem soziale Bewegungen gedeihen. Systematisch unterschieden wird »Protest« dabei auch von legitimer politischer »Opposition«.

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  20. »Was man gegenwärtig als Kommunikation der Entscheider und der Betroffenen beobachten kann, läuft eher auf eine wechselseitige Verunstaltung der Standpunkte hinaus. Zumeist treffen vororganisierte Differenzen mit der hier erörterten Differenz von Entscheidung und Betroffenheit zusammen, etwa die Differenz von Arbeitgeberund Arbeitnehmerorganisationen oder, heute wichtiger, die Differenz von Organisationen der Funktionssysteme und Protestbewegungen. Das verschärft das Problem. Auch vorsichtiger ansetzende Empfehlungen, die die Schwierigkeiten einer solchen Kommunikation und die Akzeptanzhindernisse einzuplanen versuchen, gehen immer noch davon aus, daß den Betroffenen irgendwie nahegebracht werden müsse, wie sorgfältig Risiken kalkuliert würden und wie unvermeidlich sie seien.« (Ebd., 156)

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  21. Werden in Risikokalkulationen und Risikokommunikation die »Rationalitätsprämissen« eng gefaßt, wird zu unterstellen und garantieren versucht, »daß andere in der gleichen Situation ebenso handeln würden«: »Wer rational kalkuliert, kann sich fühlen wie ›jedermann‹ und Andersdenkende als emotional gestört behandeln.« (Ebd., 136) Dadurch gewinnt, und das ist als Verkürzung des Kommunikativen und des Politischen wichtig festzuhalten, die Sozialdimension »kein eigenes Gewicht, sie wird durch das Rationalitätsprogramm aufgesogen.« (Ebd.)

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  22. Zwar kann man »solche Kriterien errechnen und ihre Konsensfähigkeit zu begründen versuchen — aber man weiß zugleich, daß sie morgen von gestern sein werden.« (Ebd., 158f.)

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  23. Solche Vorkehrungen zum Abfangen von Störungen, Fehlern, Mißgeschicken etc., von Luhmann »Sorgeschäden« genannt, gestalten sich nun im Falle von Gefahren tendenziell als »Aufbau von Robustheit, Elastizität, stoischer Gelassenheit und gutem Gewissen oder nach außen gerichteter Aggressivität« und im Falle von Risiken als »Kalkulation und Kalkulationskosten« (ebd., 159), die reflexiv werden und sich in sich selbst verwickeln können beim »hoffnungslosen Versuch, die Differenz von künftigen Gegenwarten und gegenwärtiger Zukunft in der Entscheidung zu verrechnen.« (Ebd., 160)

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  24. Das gilt etwa für die globale Klimaproblematik oder für den Zusammenhang von FCKW-Gebrauch und Zerstörung der Ozonschicht.

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  25. Vgl. dagegen insbesondere Beck 1986 und Perrow 1987.

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  26. Denn Macht ist »eine soziale Beziehung, in der auf beiden Seiten anders gehandelt werden kannte. Der Machtunterworfene erfährt Macht und fügt sich der Macht nur, wenn er andere Möglichkeiten eigenen Handelns sieht und bevorzugen würde. Aber auch der Machthaber selbst übt eigene Macht nur aus, wenn er dies nicht zwangsläufig tut wie ein Automat, sondern wenn er sich dafür entscheidet, einen bestimmten Verhaltenskurs durchzusetzen.« (1987e, 117)

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  27. Derselbe Gedanke in schärferer Formulierung: »Nicht nur die normative, auch die Knappheitsregulierung des Verhältnisses von Zeitdimension und Sozialdimension wird also überfordert (und wird darauf mit Unscharfen reagieren), sobald Risikoprobleme in den Blick kommen. Das heißt nicht, daß die in Jahrtausenden entwickelten Spezifikationen dieser Rationalitätsmodelle unbrauchbar geworden wären. Sie behalten ihren Sinn im Kontext je ihrer Problemstellung. Sie taugen aber nicht zur Lösung der Risikoprobleme, die in der heutigen Gesellschaft an Prominenz gewinnen.« (Ebd., 147)

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  28. »Die alten Normsetzungs- und Verteilungsprobleme werden damit nicht obsolet, sie werden nur durch eine weitere Unruhequelle beiseitegedrängt. Die Legitimation von Entscheidungen wird schwieriger.« (Ebd.)

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  29. Die Anforderung, von der Wittgenstein im Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaft spricht, stellt sich auch generell gegenüber dem Nichtwissen. »4.113 Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Gebiet der Naturwissenschaft. 4.114 Sie soll das Denkbare abgrenzen und damit das Undenkbare. Sie soll das Undenkbare von innen durch das Denkbare begrenzen. 4.115 Sie wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt.« (Wittgenstein 1963, 42) Mithilfe der Unterscheidung zwischen Denkbarem und Undenkbarem ließe sich auch der Begriff des Nichtwissens eingrenzen, durch eine Grenzziehung bestimmen.

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  30. Ein Aspekt des Zusammenhangs von Autorität und Wissen ist Spezialisierung, so daß normalerweise in der Kommunikation unterstellt werden kann, »daß eine mit Autorität versehene Kommunikation erläutert und begründet werden könnte; aber man unterläßt die Rückfrage, weil dafür die Zeit fehlt, oder die Kompetenz zur Formulierung der Frage, oder auch die courage.« (Ebd., 175) Nach Luhmann zerbricht unter Bedingungen funktionaler Differenzierung die in Status und Spezialisierungswissen gründende »Einheit von Autorität und Verantwortung« — die bedeutete, »daß der, der Verantwortung hatte, nicht auch für jeden Fehler, geschweige denn für Folgen verantwortlich gemacht werden konnte«, so daß er, »von Krisenfällen abgesehen, durch seinen Status geschützt« (ebd.) war -, wogegen aber wieder eingewandt werden kann, daß sich unter neuen Bedingungen veränderte Formen von Autorität und ihrer Legitimation und auch von Verantwortung herausbilden.

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  31. In diesem Sinne findet man im Hinblick auf Risiken die theoretisch wie praktisch fruchtbaren Fragestellungen: »Von welcher Gegenwart aus soll bestimmt werden, was wann nicht mehr zu ändern ist und was noch weit in der Zukunft liegt? Welche Raumstelle bestimmt Betroffensein? [...] Wie weit müssen wir jetzt schon beachten, daß das, was wir jetzt tun, künftig Vergangenheit und dann nicht mehr zu ändern sein wird — wenn wir doch gegenwärtig noch nicht wissen und nicht wissen können, welche Änderungspotentiale eine heute noch verborgene Zukunft bereithalten wird? Und wie können wir Vorsorge dafür treffen, daß wir jetzt nicht verhindern, daß die entsprechenden Vorarbeiten für das eventuell Mögliche unternommen werden? Wer soll hier entscheiden?« (Ebd., 171) Allerdings schöpft Luhmanns Antwort das Potential der Frage nicht aus, die Information, man könne es schlicht nicht wissen, greift viel zu kurz. Ein Erkennen und Handeln ist möglich, das nicht darin aufgelöst werden kann, daß die Natur verstummt ist und die Beobachter sich streiten.

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  32. Vgl. auch für den angrenzenden Zusammenhang von gesellschaftlichen Bedingungen und Technologien der Kommunikation 1989c.

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  33. Diese raum-zeitliche Ausdehnung wird wie folgt beschrieben: »In Zeit und Raum werden minimalste (jedenfalls unsichtbare) Differenzen erfaßbar zugleich mit riesigen Distanzen und Langzeitbewegungen, die ebenfalls nur indirekt erschließbar sind. Nicht zuletzt haben die technisch ausgelösten ökologischen Probleme und die Meß-barkeit ihrer Variation zu einer immensen Ausdehnung der Raum/Zeit-Horizonte ins Große und ins Kleine geführt. Katastrophen sind nicht mehr zeitlich und räumlich begrenzbar wie der Zusammensturz eines Bauwerks, die Explosion eines Dampfkessels, der Absturz eines Flugzeugs oder der Bruch eines Staudamms. Solche Schadensfälle werden durch das loose coupling der Natur in Schranken gehalten. Was heute Sorge bereitet und was erst eigentlich Katastrophe in einem ökologischen Sinne ist, sind Veränderungen schneller oder langsamer Art, die in winzigen oder riesigen räumlichen und zeitlichen Ausmaßen stattfinden, und sehr typisch in winzigen und in riesigen zugleich. Sie sprengen die an Dingen und an Kausalitäten orientierten Realitätsvorstellungen des Einzelmenschen und der kommunikativen (sprachlichen) Praxis der Gesellschaft. Sie können nicht mehr in handhabbares, nicht mehr in anschluß-fähiges Wissen überführt werden, auch wenn es Berechnungen, Halbwertzeiten etc. gibt.« (Ebd., 167) Entgegen dieser interessanten Ausführung ist die theoriekonstruktive Anmerkung zu machen, daß Luhmanns Theorieansatz eigentlich über keinen Begriff des Raums verfügt. Bei der Bestimmung der Sachdimension, wo man einen solchen Begriff erwarten würde, kommt er jedenfalls nicht vor. Man findet lediglich einen Begriff des Raumes, ohne daß er so bezeichnet würde, im Sinne von Räumen, die von sozialen Systemen im Medium der Kommunikation abgesteckt werden.

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  34. Nicht zu best reiten ist, daß die rasanten Veränderungen in den Kommunikationstechnologien offenbar nicht dazu dienen, »die räumlich-zeitlich unheimlich gewordene Welt besser zu repräsentieren«, da die Reproduktionslogik der gesellschaftlichen Kommunikationen von den »Veränderungen der Extension der Raum/Zeit-Dimensionen des Weltwissens« (ebd., 167f.) abgekoppelt ist. Allerdings müßte dieser Umstand nicht einfach als gegebener und hinzunehmender vorgestellt werden. So könnte an die Entwicklung gesellschaftlicher Kommunikationsweisen bzw. an die Nutzung von Kommunikationstechnologien nebst vielen anderen auch die Anforderung gestellt werden, die Raum/Zeit-Dimension der Weltverhältnisse — gerade auch hinsichtlich ihrer problematischen Aspekte — als Kriterium und Horizont in die eigene Orientierung einzubauen.

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  35. »Es gibt allerdings formale Kriterien wie etwa dies: daß nicht alles erlaubt ist, was man tun kann. Aber solche Auskünfte leiden an der Schwäche aller Begründungsethiken: daß daraus keine Handlungsanweisungen abzuleiten sind. Man hört nur, daß dies der Situation überlassen bleiben müsse. Aber das kann man auch ganz ohne Ethik wissen, ohne zu wissen, wie die Entscheidung dann ausfällt oder wer sich in der Situation durchsetzen kann (oder: darf).« (Ebd., Fn. 36)

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  36. Zur Kritik und kritischen Reinterpretation von Luhmanns Moraltheorie bzw. der von ihr ausgehenden Faszination der Amoralität vgl. Neckel/Wolf 1988.

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  37. Dementsprechend lobt Luhmann als »befreiende Ideen der Pädagogik und der Verfassungstheorie des Liberalismus [...], den äußeren Schein der Moral zu prämieren, ohne auf die päpstlichen Maschinen, das holy watching der Puritaner oder die Guillotine der Jakobiner zum Zwecke der Herstellung moralischer Zustände zurückgreifen zu müssen«, räumt umgekehrt jedoch ein, »daß immer dort, wo die Differenz der politischen Codewerte auf dem Spiel steht, Moral Einlaß findet.« (1991d, 499)

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  38. Als Variablen dieser illusion of control nennt Luhmann familiarity, involvement, competition, choice (vgl. ebd., 212, Fn. 76).

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  39. Sozialwissenschaftlicher Beobachtung zu unterwerfen ist die sozio-historische Konstitution der Unterscheidung zwischen Technik und Natur selbst, wozu unter anderem zu untersuchen gehört, was in der Gesellschaft überhaupt als Ergebnis technischer Eingriffe und was als Natur angesehen wird — worunter dann auch historisch weit zurückliegende oder sonstwie naturalisierte Technisierungsprozesse fallen können.

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Barben, D. (1996). Anordnung ökologischer Reproduktion und gesellschaftlicher Kommunikation. In: Theorietechnik und Politik bei Niklas Luhmann. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96386-4_5

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