Zusammenfassung
Die parlamentarische Demokratie verlangt, daß die Regierung, getragen von einer ausreichenden Mehrheit, die politische Führung übernimmt. Dieser von der Regierung geführten Mehrheit soll eine Opposition gegenüberstehen, die stark genug ist, ein Gegengewicht darzustellen und dem Bürger als Alternative zur Wahl zu stehen. Ein Parlament ist in erster Linie so stark wie sein ‘Wahlrecht. Nur ein Wahlsystem, das Mehrheiten erwarten lassen darf, die für ein starkes Parlament und damit für eine starke Regierung erforderlich sind, wird dem Gedanken der modernen parlamentarischen Demokratie gerecht. Das bisher in der Bundesrepublik geltende Wahlrecht tut das nicht, wie bereits die Tatsache zeigt, daß alle Bundesregierungen von Koalitionen gebildet wurden. Das Wahlrecht zum Bundestag muß daher weiterentwickelt werden. Die Wahl muß eine echte politische Entscheidung sein und klare Machtverhältnisse auf Zeit schaffen. Die Erteilung des Auftrages zur politischen Führung muß eindeutig politische Gestaltungsmöglichkeiten und damit die volle Verantwortung mit sich bringen. Nur eine starke Regierung wird zu einem lebendigen und schöpferischen Parlament ihren Teil beitragen können. Parlament und Regierung bedingen sich in ihrer Leistungsfähigkeit und in ihrer Ausstrahlungskraft. Schwache Koalitionsregierungen sind schwankend und richtungslos. Sie haben weder die Kraft, die Lösung wichtiger Probleme anzupacken, noch haben sie den Mut, sich in der Sacherörterung im Parlament den Auseinandersetzungen und den ihr von der Opposition bereiteten Prüfungen zu stellen. Der moderne Massenstaat bedarf der sichtbaren Führung. Nur der ist dazu geeignet, nur der erwirbt Vertrauen und behält es, der sich in harter Auseinandersetzung im Parlament zu behaupten versteht, der zeigt, daß er weiß, was er will. Im Parlament kann nur diejenige Partei eine ausreichende Machtposition haben, die aus den Wahlen als Sieger hervorging. Das Wahlrecht muß daher so ausgestaltet werden, daß der Sieger nicht der Stärkste unter mehreren ist, sondern stärker als alle anderen zusammengenommen. Das Grundgesetz geht folgerichtig davon aus, daß nur derjenige Bundeskanzler sein kann, der die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Erhält kein Kandidat diese Mehrheit, so kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Neuwahlen sollen tragfähige Mehrheiten erbringen; denn wenn der Bundestag schon zur Wahl eines Bundeskanzlers mit der erforderlichen Mehrheit zu schwach ist, ist zu befürchten, daß er auch nur eine schwache Regierung schaffen wird.
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Schäfer, F. (1967). Zusammenfassung der Vorschläge zur Parlamentsreform. In: Der Bundestag. Demokratie und Frieden, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96232-4_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-96232-4_6
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