Zusammenfassung
Die als Unterrichtsfach institutionalisierte politische Bildung trägt in der Bundesrepublik verschiedene Namen. Je nach Bundesland, Schulart oder -stufe beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler beispielsweise mit „Sozialkunde“, „Gemeinschaftskunde“, „Politik“oder „Politischer Weltkunde“. Diese Namensvielfalt ist ein Ausdruck der föderalen Struktur unseres Bildungswesens und geht zurück auf die Anfangsjahre der politischen Bildung in Westdeutschland. Zwar hat es seither in einigen Bundesländern Umbenennungen gegeben, eine allseits zufriedenstellende und bundesweit konsensfähige Bezeichnung ist aber offenbar bisher nicht gefunden worden.1
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Anmerkungen
Vgl. als jüngste Forderung nach Umbenennung des Faches, bezogen auf Niedersachsen, Zeuschner, Hans-Dietrich : Gemeinschaftskunde — Ergebnis einer sinnvollen Wahl? In: POLITIK-unterrichten 7 (1991) Nr. 1, S. 32–35
Die Fehler der Weimarer Republik. In: Schwäbisches Tagblatt vom 29. Oktober 1946. Es handelt sich bei diesem Artikel um die Zusammenfassung einer Rede Eschenburgs, damals Landeskommissar für das Flüchtlingswesen in Württemberg-Hohenzollern, auf einer Fortbildungstagung von Geschichtslehrern höherer Lehranstalten.
Erziehung in Deutschland. Bericht und Vorschläge der amerikanischen Erziehungskommission. Hrsg.: Die Neue Zeitung. München o. J. (1946), S. 30
Als weitere Namen finden sich in den zeitgenössischen Publikationen — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — „Bürgerkünde“, „Gegenwartskunde“, „Gesellschaftskunde“, „Politische Gemeinschaftskunde“, „politische Propädeutik“und „Soziale Studien“. Auch die Bezeichnung „Politische Weltkunde“tauchte bereits 1946, wenn auch ohne erkennbare Resonanz, auf. Vgl. Thierbach, Hans: Politische Weltkunde. In: Die Schule 1 (1946) H. 1, S. 10–12
Grundsätze zur politischen Bildung. Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 15.6.1950. In: Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Neuwied und Darmstadt
Zur Unterscheidung von „staatsbürgerlicher Erziehung“und „politischer Bildung“bei Kerschensteiner und Weniger vgl. Kerschensteiner, Georg: Der Begriff der staatsbürgerlichen Erziehung (1929). München 1950, S. 25 f. und
Weniger, Erich: Zur Frage der staatsbürgerlichen Erziehung. In: Die Erziehung 4 (1929), S. 148–171, 162
Baege, M. H.: Staatsbürgerkunde? In: Die neue Erziehung 3 (1921), S. 256–260, 258
Die Reichsschulkonferenz 1920. Ihre Vorgeschichte und Vorbereitung und ihre Verhandlungen. Amtlicher Bericht, erstattet vom Reichminister des Innern. Glashütte i.Ts. 1972 (Unveränd. Neudr. der Ausg. Leipzig 1921), S. 748
Seitzer, Otto: Neue Wege im staatsbürgerlichen Unterricht. In: Die Schulwarte 1 (1948), S. 17–29
Radbruch, Gustav: Staatsbürgerkunde als Lehrfach. In: Süddeutsche Juristen-Zeitung 3 (1948), Sp. 425–430, hier zit. nach
Heinrich Schneider (Hrsg.): Politische Bildung in der Schule. Bd. 1. Darmstadt 1975, S. 1–8; Zitate S. 1, 3 u. 5
Bergsträsser, (Ludwig): Staatsbürgerliche Erziehung. In: Schola 2 (1947), S. 283–285, 283f.
Erlaß vom 25.10.1945 („Betr.: Staatsbürgerkunde als Pflichtunterrichtsfach“). UB Marburg, Nachlaß Bergsträsser, Teilbestand 1. Der Hinweis auf den Fundort in Bergsträsser, Ludwig: Befreiung, Besatzung, Neubeginn. Tagebuch des Darmstädter Regierungspräsidenten. Hrsg. von Walter Mühlhausen. München 1986, S. 39, Fußn.
Lehrpläne für den politischen Unterricht (Politik) für die Schulen im Lande Hessen. Anlage zum Erlaß vom 21.8.1948 („Lehrpläne für den politischen Unterricht in den Schulen des Landes Hessen“). In: Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Kultus und Unterricht 1 (1948), S. 149–170, 150
Politik-Unterricht (Sozialkunde). Bericht des Ausschusses für politische Erziehung im Hessischen Lan-desschulbeirat. Wiesbaden 1950 (= Hessische Beiträge zur Schulreform. 3. R., H. 23), S. 14
Seitzer, Otto: Gemeinschaftskunde als Mittel der „Erziehung zum Mitmenschen“. In: Die Schulwarte 2 (1949), S. 577–583, Zitate S. 577 u. 582. Seitzer war Leiter der Landesanstalt für Erziehung und Unterricht in Stuttgart.
Helbron, Hans: Einführung in die Probleme der Gemeinschaftskunde und Bericht über den bisherigen Stand der Bemühungen. Referat vom 4.4.1949 auf einem Lehrgang in Huchting (Typoskript), S. 16 (Nachlaß Helbron, im Besitz d. Verf.). Helbron war Beauftragter des Bremer Schulsenators für Gemeinschaftskunde und in dieser Eigenschaft Leiter der „Arbeitsgemeinschaft für Gemeinschaftskunde“.
Ders.: Die Entwicklung der Gemeinschaftskunde in Bremen. Vortrag vom 8.6.1950 auf der Konferenz für Gemeinschaftskunde in Bremen (Typoskript), S. 2
Politik-Unterricht (Sozialkunde), a.a.O. (Anm. 14), S. 14
Helbron, Die Entwicklung…, a.a.O. (Anm. 17), S. 2
Der in der Verfassung von 1946 für das Fach gewählte Name „Staatsbürgerkunde“fand bei der Benennung keine Berücksichtigung mehr. Eine Entscheidung für die Bezeichnung „Gemeinschaftskunde“fiel in Württemberg-Baden erstmals 1948. Der „Unterausschuß für Sozialkunde“sprach sich mit der knappen Mehrheit von einer Stimme für „Gemeinschaftskunde“und gegen „Sozialkunde“aus. Zur Abstimmung standen zudem die Namen „Gesellschaftskunde“und „Staats- und Gesellschaftskunde“. Vgl. Schlußbericht des Unterausschusses für Sozialkunde. In: Die Schulwarte 1 (1948), S. 204–211
Lehrpläne für die höheren Schulen des Landes Groß-Hessen. Eine Handreichung für die Jahre des Übergangs. Genehmigt durch die Militär-Regierung von Groß-Hessen 25.11.1945, o. O., o. J. (Wiesbaden 1946). Diese Namensgebung stieß auf heftige und anhaltende Kritik Ludwig Bergsträssers, denn man hatte zwar, wie es scheint auf seine Initiative hin, ein eigenständiges Unterrichtsfach in der höheren Schule eingeführt und dazu seinen Staatsbürgerkunde-Erlaß (vgl. Anm. 12) übernommen, die Fachbezeichnung „Staatsbürgerkunde“aber zugunsten von „Gemeinschaftskunde“aufgegeben. Zu Bergsträssers Initiative und Kritik vgl. Bergsträsser, Befreiung… a.a.O. (Anm. 12), Eintragungen vom 15. Okt. und 7. Nov. 1945 sowie vom 9. und 23. April 1946. In den Berufs- und Fachschulen wurde allerdings die Bezeichnung „Staatsbürgerkunde“verwandt. Vgl. den Erlaß vom 4. März 1946 („Staatsbürgerkunde als Pflichtfach der Berufs- und Fachschulen“), Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 504, Nr. 444.
Fruhmann, Theo: Der politische Unterricht. In: Die Pädagogische Provinz 3 (1949), S. 645–653, 647 f. Fruhmann war Mitglied des „Ausschusses für politische Erziehung im Hessischen Landesschulbeirat“, seit 1949 dessen Leiter.
Wittmann, Anton: Sozialkunde, nicht Gemeinschaftskunde! In: Schule und Gegenwart 1 (1949) H. 9/10, S. 37–38, 38. Wittmann war Leiter der „Pädagogischen Arbeitsstelle für Sozialkunde“beim Schulreferat der Landeshauptstadt München.
Wittmann, Anton: Was ist Sozialkunde? In: Welt der Schule 1 (1948) H. 6, S. 6–10
Wittmann, Anton: Was ist Sozialkunde? In: Welt der Schule 1 (1948) H. 6, S. 6
Wittmann, Anton: Sozialkunde in der Volksschule. München 1950, S. 48
Wittmann, Anton: Sozialkunde in der Volksschule. München 1950, S. 55
Kopp, Ferdinand: Erziehung zum Mitmenschen. Donauwörth 1949, S. 5 f. Kopp war Lehrer und Rektor, seit 1948 Mitarbeiter der „Stiftung zum Wiederaufbau des Bayerischen Erziehungs- und Bildungswesens“(„Wallenburgstiftung“).
Politik-Unterricht (Sozialkunde), a.a.O. (Anm. 14), S. 16
Appel, Otto: Betr.: Umbenennung des „politischen Unterrichts“in „Sozialkunde“(Typoskript), Anlage zum Anschreiben vom 11.6.1951 an Ministerialdirektor Viehweg, S. 1 f. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 504, Nr. 650
Internationale Arbeitsgemeinschaft für Sozialkunde in Heidelberg. Verhandlungsbericht und Vorschläge für die Gestaltung des sozialkundlichen Unterrichts in der deutschen Schule. Frankfurt/M. 1950, S. 6 f.
Lehrpläne…, a.a.O. (Anm. 13). Allerdings trug das bis dahin als „Gemeinschaftskunde“bezeichnete Fach aus nicht ersichtlichen Gründen im Stundenplan des Realgymnasiums für Jungen bereits in den „Lehrplänen für die höhere Schule“von 1945/46 (vgl. Anm. 21) den Namen „Politischer Unterricht“.
Bergsträsser, Befreiung…, a.a.O. (Anm. 12), Eintragung vom 22. Juli 1947 (S. 236). Die Zustimmung Steins zur Abschaffung des Namens „Gemeinschaftskunde“erfolgte bereits im Februar 1947. Vgl. den Brief Bergsträssers an Stein vom 15. 2. 1947. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1178, Nr. 122
Lehrpläne…, a.a.O. (Anm. 13), S. 150
Ebd., S. 151
Fruhmann, a.a.O. (Anm. 22), S. 648 f. Der Aufsatz Fruhmanns entstand anläßlich der mit Erlaß vom 30.6.1949 herausgegebenen „Richtlinien für den politischen Unterricht“(Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Kultus und Unterricht 2 (1949), S. 227–258), die eine überarbeitete und erweiterte Fassung der „Lehrpläne für den politischen Unterricht…“(Anm. 13) sind.
Ebd., S. 648
Weber, Max: Politik als Beruf (1919). In: ders.: Schriften zur theoretischen Soziologie, zur Soziologie der Politik und Verfassung. Eingel. u. mit Anm. versehen von Max Graf zu Solms, Frankfurt/M. 1947, S. 145–205, 146
Vgl. z.B. Wittmann, Sozialkunde, nicht Gemeinschaftskunde!, a.a.O. (Anm. 23), S. 10 und Müller, Lorenz: Ein Fach auf der Suche nach einem Namen. In: Die Pädagogische Provinz 5 (1951), S. 259–263, 260
Müller, a.a.O., S. 260
Lehrpläne für das 5. Schuljahr aller Schulen im Lande Hessen. Erlaß vom 23.2.1949. In: Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Kultus und Unterricht 2 (1949), S. 77–86
Der Politische Unterricht (Typoskript mit Datum 12.5.1950), S. 5. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 504, Nr. 1436
Politik-Unterricht (Sozialkunde), a.a.O. (Anm. 14), S. 16 f.
Einführung der Realschule. Erlaß vom 14.11.1950. In: Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Erziehung und Volksbildung 3 (1950), S. 602–658
Appel, Betr.: Umbenennung…, a.a.O. (Anm. 30), S. 1
Schreiben der Direktoren des Bezirks Gießen an den Hessischen Minister für Erziehung und Volksbildung (Betr.: Politischer Unterricht — Sozialkunde) vom 5.6.1951. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 504, Nr. 1436
Wittmann, Sozialkunde, nicht Gemeinschaftskunde!, a.a.O. (Anm. 23), S. 38. Die Umbenennung wurde zunächst, wohl aufgrund des Berichts von Appel und der Gießener Eingabe, zurückgestellt. Um eine für ganz Westdeutschland verbindliche Regelung zu finden, reichte Hessen im Sommer 1951 einen entsprechenden Antrag in den Schulausschuß der Kultusministerkonferenz ein. In dessen Sitzung vom 25./26. Oktober 1951 wurde mit großer Mehrheit (gegen die Stimme Schleswig-Holsteins) ein Vorschlag an die Kultusministerkonferenz verabschiedet, das der politischen Erziehung dienende Unterrichtsfach bundesweit als „Gemeinschaftskunde“zu bezeichnen (Kultusministerkonferenz. Niederschrift über die Tagung des Schulausschusses in Verbindung mit dem Sportausschuß in Grünwald und München am 25., 26. und 27.10.1951. Baden-Württembergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/603, Nr. 22). Ein Beschluß dieses Inhalts kam dort jedoch nicht zustande.
Grosser, Dieter: Kompendium Didaktik Politische Bildung. 2. Überarb. Aufl. München 1981, S. 7
Ebd.
Ebd., S. 9
Sander, Wolfgang: Zur Geschichte und Theorie der politischen Bildung. Marburg 1989, S. 142. Sander selbst versteht unter „Politik“die „Regelung von gemeinsamen Angelegenheiten menschlicher Gesellschaften“(S. 145). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung von „Politik im engeren Sinne“und „Politik im weiteren Sinne“bei
Sutor, Bernhard: Neue Grundlegung politischer Bildung. Bd. 1. Paderborn 1984, S. 61 ff.
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Stammwitz, W. (1993). Von der „Staatsbürgerkunde“ zum „Politischen Unterricht“. In: Rathenow, HF., Richter, U. (eds) Politische Bildung im Wandel. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96055-9_2
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