Zusammenfassung
Bis in die Architektur hinein spiegeln die Schulbauten, die im Kaiserreich kurz vor und nach der Jahrhundertwende entstanden, das Selbstverständnis einer bürgerlichen Schicht wider, die einen ihr angemessenen Platz innerhalb der spätfeudalen Gesellschaft im Deutschen Reich erkämpfen wollte. Selbst in einer armen Stadt wie Rixdorf/Neukölln waren Schulen aufwendige Prestigeobjekte, und voller Stolz sprechen die Festschriften von „modernen Schulpalästen“. Als Wunderwerke der modernen Technik wurden diese „Bildungskathedralen“ entworfen und gebaut, bewundert und bestaunt wie Bahnhofshallen und andere technische Anlagen der Zeit. Wer sich die großzügig geplanten und durchgeführten Bauten, etwa das ehemalige Kaiser-Friedrich-Realgymnasium (KFR) in der Sonnenallee oder die Albrecht-Dürer-Oberrealschule (ADO) in der Emser Straße, ansieht, spürt noch heute etwas vom ungebrochenen Glauben an Fortschritt und Technik. Im Innern dieser Gebäude aber waltete der Geist einer vorindustriellen feudalen Gesellschaft. Ungebrochen hielt das Bürgertum an den überkommenen christlichen Gebräuchen und Zeremonien fest. Anläßlich der Eröffnung des KFR 1899 segnete der erste evangelische Geistliche der Stadt, Pfarrer Schröder, das Schulhaus und die neue Schule ein. Die Gymnasien verstanden sich als christliche Schulen und speziell in Preußen als protestantische Schulen, treu zum Kaiser stehend, denn der oberste Landesherr war gleichzeitig oberster Kirchenherr. Als Oberlehrer August Graf von Pestalozza am 9.7.1917 zum königlichen Gymnasialdirektor bestellt wurde, lautete denn auch der Kernsatz des Gutachtens: „Es ist nicht zu bezweifeln, daß er seine Schüler zu Gottesfurcht und zur Treue gegen den König erziehen wird.“1
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Anmerkungen
Das Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium Neukölln. Bl. 94 — GStA Merseburg Rep 76 VI Sekt 15 Nr. 35; siehe auch J. Hoffmeister: „Das Kaiser-Friedrich-Realgymnasium zu Rixdorf“ — Neuköllner Heimatverein e.V. Mitteilungsblatt, Nr. 10 (1957), 143–150
W. Dutz, „Einiges zur Geschichte der Walther-Rathenau-Schule.“ — Der Schulfreund 2, Nr. 6 (1928), 61
Bez. Arch. Neuk. Nr. 1056; Rixdorfer Tageblatt v. 31. 1. 08
Bez.Arch. Neuk. Nr. 997, 1007, 1014, 1017, 1028, 1036
H. Glaser: Die Kultur der Wilhelminischen Zeit. Topographie einer Epoche. Frankfurt/M. 1984. J. Campbell Hutchinson: „Der vielgefeierte Dürer.“ — R. Grimm, J. Hermand (Hrsg.): Deutsche Feiern. Wiesbaden 1977, S. 37f. G. Kratzsch: Kunstwerk und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus. Göttingen 1969
B. Kruppa: Rechtsradikalismus in Berlin 1918–1928. Berlin/New York 1988, S. 142–145
BA Potsdam 49–01 REM Spezialia 5798; siehe auch H. Hannover, E. Hannover-Drück: Politische Justiz 1918–1933. Hamburg 1977, S. 112–124
Berlin-Wilmersdorf— Die Jahre 1920 bis 1945. Hrsg. U. Christoffel. Berlin 1985, S. 38, 104
Rede des Abgeordneten Kilian (KPD) in der 30. Sitzung des Preußischen Landtags am 1.4. 1925. GStA Merseburg, Rep 76 VI Sekt 15 Nr. 35 Kaiser Wilhelms-Realgymnasium Neukölln, Bl. 328/329; zur Namensänderung Bl. 410–432, 447
BA Potsdam REM 49.01 Nr. 4344 Schulzucht 1932–1943, Bl. 84/85
Protokoll der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln, Sitzung v. 17.4. 1929, Top 15, Drucks. Nr. 62: Antrag der Bezirksverordneten Harnisch und Genossen (SPD) auf Umbenennung des KWR wird angenommen. „Die Bevölkerung Neuköllns hat mit Bestimmtheit erwartet, daß… der Name eines führenden Republikaners oder eines Wissenschaftlers gewählt wird“ Der Zusatzantrag der KPD (Umbenennung in Friedrich-Engels-Gymnasium) wird abgelehnt. — Bez Arch. Neuk./5–2a-9
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Meier, E. (1993). „Stets deutsch und gegenwartsnah“ Zur Namensgebung höherer Schulen in Neukölln. In: Radde, G., Korthaase, W., Rogler, R., Gößwald, U. (eds) Schulreform — Kontinuitäten und Brüche Das Versuchsfeld Berlin-Neukölln. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96020-7_5
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