Zusammenfassung
Die erste Groß-Berliner Kommunalwahl vom Juni 1920 brachte einen überwältigenden Sieg der Sozialisten, und diese Mehrheit wählte unter heftigstem Protest der bürgerlichen Opposition einen Stadtverordneten der Unabhängigen Sozialdemokraten zum Stadtschulrat. Der war weder „Fachmann“ — er stand nicht im Schuldienst — noch „Christ“, sondern Atheist und jüdischer Abstammung, und rief zur Trennung von Kirche und Schule auf. Auch forderte er den „sofortigen Abbau“ aller höheren Schulen, aus denen „Volksschulen“ werden sollten. Andere schockierende Programmpunkte kamen noch hinzu, im „Schulprogramm-Entwurf“ der USPD nachlesbar.1 „Selbstverwaltung nach dem Rätesystem“! Von den „untersten Massen“ müsse „die Organisation des Bildungs- und Erziehungswesens ausgehen“ (Die neue Erziehung v. 24. 12. 1919). Das gehörte auch zum Programm des neuen Stadtschulrats. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich, Presseproteste überfluteten Berlin.2 Der Elternbeirat des Staatlichen Gymnasiums in Neukölln: „Er ist Atheist und dadurch, wie auch durch seine jüdische Abstammung, für den Posten des Oberschulrats an hauptsächlich christlichen Schulen vollkommen ungeeignet. Das Vertrauen der Schulgemeinde, die in ihrer großen Mehrheit nach wie vor auf dem Boden der christlichen Weltanschauung steht, besitzt er in keiner Weise“ (Neuköllner Tageblatt v. 23.9.1920). Der Oberpräsident der in Potsdam residierenden Regierung der Provinz Brandenburg — ihr unterstand die „Gemeinde“ Berlin — weigerte sich, diesen Dr. Kurt Löwenstein (1885–1939) als Stadtschulrat zu bestätigen.3
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Anmerkungen
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K. Foertsch: Eltern an die Front! Berlin-Neukölln 1930, S. 28. „Die Hetze gegen Löwenstein“ — Sozialistischer Erzieher 1,Nr.34 (Okt. 1924), 524f
Brandecker, 1976; ders.: „Kurt Löwenstein und die Grundlagen einer Sozialistischen Pädagogik in der Zwischenkriegszeit“ — Annali della Fondazione Giangiacomo Feltrinelli 1883/84,S. 1029–1063
Verwaltungsbezirk Neukölln“ — Erster Verwaltungsbericht der neuen Stadtgemeinde Berlin für die Zeit vom 1.10.1920 bis 31. 3.1924. H.22, S.9, 37
Bund für Schulreform. Geschäftsführender Ausschuß“ — Zeitschriftfür angewandte Psychologie. Bd.III, H.6. Leipzig 1910
K. Löwenstein: Sozialistische Schul-und Erziehungsfragen. Berlin 1919, S. 9
P. Wölbling: Gesetz über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27. April 1920. 2.Aufl., Berlin/Leipzig 1921, S. 15ff.
H. Nohl, L. Pallat: Handbuch der Pädagogik. BdV, 1929, 5. 142
K. Löwenstein: Was ist im Neuköllner Bezirk seit 1920 auf dem Gebiete des Schulwesens geschehen? Ms. 1924 —Löwenstein-Nachlaß, Kass. 9, Nr.572, 1 u. 2 (MD), ab jetzt Löw.Ber. 1924
Ders.: Schulneubauten und Schulräume. Ms., o.Dat. — ebd., Kass. 9, Nr.572, 1 u. 2 ( AsD ). Ab jetzt Löw.Ber. 1929.
Ders.: Die Bedeutung der Schulgärten und Schularbeitsgärten im Berliner Schulwesen. Ms. 1933 — Bez.Arch. Neuk./37 L-5–22
Ders.: »Die Genossenschaftliche Bedarfsdeckung in der Schule.“ — Die sozialistische Genossenschaft 3,Nr. 12 (1923), 82. Siehe auch Löw.Ber. 1924
Für die Seminar-Ausbildung zum Volksschullehrer genügte der Besuch einer Volksschule. Man konnte sich dann privat oder auf Präparanden-Anstalten auf das Seminar vorbereiten, für das Bewerber ab dem 16. Lebensjahr zugelassen wurden.
Mitteilg. von Ilse Thilo und Margarete Henking an den Verf.
K. Löwenstein: Geschichte, Ziele und Aufgaben der Arbeiterkurse. Ms. o.Dat. — Löwenstein-Nachlaß, Kass. 2, Map.11b, Best.095 (MD)
Ders.: Warum weltliche Schule? Berlin oJ. (1923), S. 3; Foertsch, S. 123. Die Angaben dieser polemischen Schrift sind anzuzweifeln, siehe die Differenz für 1928 zu Löwensteins Zahlen oben im Text.
Berliner Reformpädagogik in der Weimarer Republik.“ — B. Schmoldt (Hrsg.): Schule in Berlin. Gestern und heute. Berlin 1989, S. 31, 50
Handbuch der Preußischen Unterrichtsverwaltung 1931; Zitat in Die weltliche Schule 9, Nr. 2 (1929), 10
Berufungsschreiben v. 16.12. 1932 Sammlg. Gero Luckow
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K. Löwenstein: »Die Schulraumnot in Neukölln.“ — Mitteilungen für die Mitglieder der SPD im 14. Verw.Bez. Neukölln-Britz, Nr. 19 (Mai 1931); siehe auch Löw.Ber. 1924
»Richtlinien des Jung-Spartakus-Bundes.“ Kommunale Blätter der SPD Berlin (Juli 1929), 31
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D. Breitenstein: Die sozialistische Erziehungsbewegung. Freiburg i.Br. 1930, S. 71f. Siehe auch K. Algermissen: Sozialistische und christliche Knderfreundebewegung. Hannover 1931
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Verhandlung des Ausschusses für den Reichshaushalt (Dt. Reichstag), 49. Sitzg v 24 2 1931
Max Adler, Professor an der Universität Wien, Schriftsteller und Redner für dezidiert klassenkämpferische Politik, trat auf der Erfurter Bundestagung des,Bundes der freien Schulgesellschaften“ von 1930 gegen die von Löwenstein geführte Mehrheit auf. Zu Radbruch vgl. dessen Kulturlehre des Sozialismus. 1922, 1927, 1949
K. Löwenstein:,Schulpolitisches aus Neukölln“ Sozialistische Kultur, Nr. 24 (Nov. 1924)
Auf Löwensteins Bedeutung fur den Erfolg der von Fritz Karsen geleiteten höheren Schule hat als erster G. Radde aufmerksam gemacht: Fritz Korsen. Ein Schulreformer der Weimarer Zeit. Berlin 1973. Vgl. auch W. W. Wittwer: Die sozialdemokratische Schulpolitik in der Weimarer Republik. Berlin 1980, S. 272
H. Wegscheider: Weite Welt im Spiegel. Berlin 1953, S. 73
Mitteilg. H. Gottlieb und G. Ott an den Verf. G. Ott wurde von Löwenstein und Karsen nach Harrisleefeld geschickt; Fotos vom Besuch Severings beim Verf.
Akta der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Phil.Fak., Littr.L No. 14 Vol.2, 378. 2.8. 1930 Archiv der
Humboldt-Universität zu Berlin
Diefreie weltliche Schule. Berlin 1931, S.66. Gegen die Übernahme der Führung schreibt aus SED-Sicht A. Torhorst: Zur weltlichen Schulbewegung in der Weimarer Republik. Berlin 1972, S. 105ff.
Bericht aus Leipzig. — Löwenstein-Nachlaß Kass. 3, Map.13b Best.152 (MD)
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Korthaase, W. (1993). Neuköllner Schulpolitik im Dienste der Arbeiterschaft — Dr. Kurt Löwenstein als Kommunalpolitiker. In: Radde, G., Korthaase, W., Rogler, R., Gößwald, U. (eds) Schulreform — Kontinuitäten und Brüche Das Versuchsfeld Berlin-Neukölln. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96020-7_15
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