Zusammenfassung
Aus der Not eine Tugend machen: im Zusammenhang mit der Plackerei von Frauen, die einen doppelten Arbeitstag — im Betrieb und Zuhause — ableisten müssen, mag diese Redewendung zynisch klingen. Das soll nicht sein und ist nicht so. Was bringt sie zum Ausdruck? Jedenfalls nicht, daß die Not keine „wirkliche“ Not sei oder durch das Verhalten der Notleidenden in etwas anderes als Not transformiert würde. Wenn von Tugend die Rede ist, dann von einer Tugend der Not Allerdings liegt darin auch beschlossen, daß die betroffenen Frauen (nicht alle und nicht unter allen Umständen) imstande sind, ihre Not zu „wenden“, will heißen: mit ihr fertig zu werden und in diesem Kampf persönliche Qualitäten zu entwickeln, die den Männern (wiederum nicht allen und unter allen Umständen) fehlen.
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Literatur
Myra Marx Ferree, Family and Job for Working-Class Women: Gender and Class Systems from Below, in: Gerstel/Gross (Hg.), Families and Work, Philadelphia 1987, 289ff.(299)
Barbara Sichtermann, Frauen Arbeit, Berlin 1987, 16.
Mary Ann Mason, The Equality Trap, New York 1988, 174.
Karl Polanyi, The Great Transformation, Frankfurt 1978, 142.
G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Frankfurt-Berlin-Wien, 1970, 119f.; den Rückgriff auf diese klassische Stelle schlägt auch Jane Hex vor (Gender as a Problem: In and For Feminist Theory, in: Amerikastudien, 31, 1986, 193 ff.). Hegels Verabsolutierung ist natürlich mit Vorsicht zu genießen, weil sie eine bestimmte Arbeitsform zur allgemeinen erhebt; im Kern beschreibt er freilich das Los durchschnittlicher Arbeiterinnen, denen andere Optionen der „Charakterbildung“ ebensowenig offenstehen wie ihren Männern.
Hinzufügen könnte man: mehr Disziplin. Dann wäre auch die negative Seite des Steigerungsverhältnisses erfaßt: das Einüben von „Ruhe — Ordnung — Fleiß“ (so ein Anstalts-Motto aus dem alten Wien und der Titel einer Untersuchung von Mathias M. Ester über „Disziplin, Arbeit und Verhaltenstherapie in der Irrenanstalt des frühen 19. Jahrhunderts, in: Archiv für Kulturgeschichte, 71, 1989, 349ff.). Doch wird sich zeigen, daß keine Gleichung — und diese vielleicht am allerwenigsten — bruchlos aufgeht.
Die Vergleichsstudien entstammen samt und sonders dem angelsächsischen Raum; über hiesige Verhältnisse informieren andere Publikationen. Vgl. etwa Carmen Tatschmurat, Zwanzig Jahre Frauenforschung: Zwischenbilanz, in: Soziologische Revue, 13, 1990, 272ff. Die gleiche Beschränkung gilt für spätere „Ausritte“ in theoretische Gefilde; über den dabei möglichen Erkenntnisgewinn finden sich einige allgemeine Hinweise bei Christiane Lemke, Der Staat in der amerikanischen Frauenforschung, in: Leviathan l,1990,239ff.
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© 1994 Leske + Budrich, Opladen
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Fach, W. (1994). Einleitung: Not und Tugend. In: Not der Tugend — Tugend der Not. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96007-8_1
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