Zusammenfassung
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali, hat im Herbst 1992 in dramatischen Worten vor einem Problem gewarnt, das in den ersten vierzig Jahren der Vereinten Nationen fast schon gelöst zu sein schien: das Problem des Schutzes und der Integration ethnischer Minderheiten in den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Er äußerte die Befürchtung, die Welt drohe in 400 wirtschaftlich marode Kleinstaaten zu zerfallen, wenn das Problem der Rechte von Minderheiten nicht bald energisch angegangen werde. Das Auseinanderbrechen Jugoslawiens könne ein Lehrstück für das 21. Jahrhundert liefern. Das Ende des Kalten Krieges habe in Osteuropa und in anderen Weltregionen Konflikte freigesetzt, die vorher unter den zentralistischen Regimen unterdrückt worden seien. Er sehe nicht nur Osteuropa von der Zersplitterungsgefahr bedroht, sondern ebenso auch Afrika: Dort gäbe es 5.000 Stämme. Wenn diese alle das Recht auf Selbstbestimmung wahrnähmen, entstehe eine Art „Mikro-Nationalismus“ mit winzigen Staaten von 50.000 bis 100.000 Staatsbürgern. Die wichtigste Möglichkeit, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, ist für Boutros-Ghali eine konsequente Verteidigung der Menschenrechte. Zum Schutz der Minderheiten müsse eine Stärkstmögliche Maschinerie entwickelt werden, die auch zusätzliche Aktivitäten des Weltsicherheitsrats beinhalte.1
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Literatur
Vgl. Süddeutsche Zeitung, 21.9.1992.
Commission on Human Rights, Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Forty-Forth Session, Protection of Minorities, Possible ways and means of facilitating the peaceful and constructive solution of problems involving minorities, Second progress report submitted by Mr. Asbjørn Eide, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1992/37, 1 July 1992, 4, para 22.
Vgl. dazu Capotorti, Francesco: Minderheiten. In: Wolfrum, Rüdiger (Ed): Handbuch Vereinte Nationen. München: Beck, 1991, 598–607, hier: 599ff.
Wintgens, Hugo: Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten. Stuttgart: Kohlhammer, 1930, 502, hier: 107.
Zitiert nach Capotorti, Francesco, a.a.O., 599.
Vgl.Ermacora, Felix: Menschenrechte in einer sich wandelnden Welt. Wien: Akademie-Verlag, 1974, Bd. l, Klasse 297, hier: 352ff.
Vgl. Capotorti, Francesco, a.a.O., 600.
Ebenda.
Vgl. Truhart, Herbert v.: Die Völkerbundpetitionen der Minderheiten und ihre Behandlung. Berlin, als Manuskript gedruckt, 1929, 118.
Vgl. Capotorti, a.a.O., 601.
Vgl. dazu Gütermann, Christoph: Das Minderheitenschutzverfahren des Völkerbundes. Berlin: Duncker & Humblot, 1979, 306.
UN Doc. E/CN.4/367 vom 7.4.1950.
Vgl. Doehring, Karl: Das Gutachten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Fortgeltung der nach dem Ersten Weltkrieg eingegangenen Minderheitenschutzverpflichtungen. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 15/3: 521–540, Mai 1954, hier: 523f.
Vgl. Capotorti, Francesco, a.a.O., 601.
Vgl. Dicke, Klaus: Die UN-Deklaration zum Minderheitenschutz. In: Europa-Archiv 48/4:, 107–116, 1993.
Vgl. Bauer, Friederike: In allen Staaten gibt es Minderheitenprobleme: Weltweit 3500 ethnische Gruppen. In: Das Parlament 43/17, 1993, hier: 14.
Vgl. Wolfrum, Rüdiger: Vortrag am 23.10.1992 in Berlin im Rahmen einer Veranstaltung des Landesverbandes Berlin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen zum Themenkreis Minderheitenschutz und Völkermord.
Vgl. Doehring, Karl, a.a.O.
Vgl. Dicke, Klaus, a.a.O., 108.
Hofmann, Rainer: Minderheitenschutz in Europa. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 52/1: 1–69, 1992, hier: 6.
Vgl. Resolution 9 (II) des ECOSOC vom 21.6.1946.
UN Doc. E/CN.4/SR.6.
Capotorti, Francesco, a.a.O., 602.
Vgl. UN: Yearbook of the United Nations, 1948–1949. New York: UN, 543.
UN Doc. A/C.3/307/Rev.2.
UN: Yearbook of the United Nations, 1948–49, a.a.O., 543f.
Resolution 217(III)C der Generalversammlung vom 10.12.1949, zitiert nach: Yearbook of the United Nations, 1948–1949. New York: UN, 544.
Vgl. Kapitel 3.7. in diesem Beitrag.
Vgl. Capotorti, Francesco, a.a.O., 603. Der deutsche Text der Konvention findet sich im Bundesgesetzblatt 1954 II, 730.
UNTS Bd. 328 Nr. 4738. Angenommen von der Allgemeinen Arbeitskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation ILO am 26.6.1957. Inkrafttreten: 2.6.1959. Zahl der Vertragsstaaten am 31.7.1992: 27. Deutscher Text in Tomuschat, Christian (Ed): Menschenrechte. Eine Sammlung internationaler Dokumente zum Menschenrechtsschutz. Bonn: UNO-Verlag, 1992, 491, hier: 173ff. Zahlenangaben ebenfalls nach dieser Veröffentlichung.
Vgl. Übereinkommen der ILO Nr. 107, Artikel 2, Absatz 2, Buchstabe c.
UNTS Bd. 429 Nr. 6193. Angenommen von der Generalkonferenz der UNESCO am 14.12.1960. Inkrafttreten: 22.5.1962, für die Bundesrepublik Deutschland: 17.10.1968. Zahl der Vertragsstaaten am 31.12.1992: 76. Amtlicher deutscher Text in: BGBl. 1968 II, 386f.
Resolution 2106 A (XX) der Generalversammlung vom 21.12.1965, UNTS Bd. 660 Nr. 9564. Angenommen durch Resolution 2106A (XX) der Generalversammlung vom 21.12.1965. Inkrafttreten: 4.1.1969, für die Bundesrepublik Deutschland: 15.6.1969. Zahl der Vertragsstaaten am 1.9.1993: 137. Deutscher Text: BGBl. 1969 II, 962.
Vgl. dazu Partsch, Karl-Josef: Rassendiskriminierung. In: Wolfrum, Rüdiger (Ed): Handbuch Vereinte Nationen. München: Beck, 1991, 649–656, hier: 651f.
Capotorti, Francesco, a.a.O, 603.
Vgl. Ermacora, Felix: Späte Einsichten. Der Entwurf der UN-Erklärung zum Minderheitenschutz. In: Vereinte Nationen 40/5: 149–153, 1992, hier: 149.
BGBl. 1969 II, 962.
Angenommen von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation ILO am 27. Juni 1989, Inkrafttreten: 5.9.1991, Zahl der Vertragsstaaten am 31.7.1992: 4. Deutscher Text: Übersetzung des Übersetzungsdienstes der Internationalen Arbeitsorganisation, abgedruckt in Tomuschat, Christian (Ed): Menschenrechte, a.a.O., 184ff. Zahlenangaben ebenfalls aus dieser Veröffentlichung, 173.
Vgl. dazu Heintze, Hans-Joachim: Völkerrecht und Indigenous Peoples. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 50/1: 39–71, 1990.
Internationales Arbeitsamt Genf, Internationale Arbeitskonferenz, 75.Tagung 1988, Bericht VI (2), Teilrevision des Übereinkommens (Nr. 107) über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957.
Ebenda, 18.
Ebenda, 19.
ILO-Konvention Nr. 169, 186.
Vgl. International Labour Conference, 76th Session 1989, Report IV(1), Geneva: ILO, 1989, 13.
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, angenommen durch Resolution 2200A (XXI) der Generalversammlung vom 16.12.1966. Inkrafttreten: 23.3.1976. Zahl der Vertragsstaaten am 1.9.1993: 122 (Angaben nach: United Nations Press Release HR/3506 15 September 1993). Deutscher Text: BGBl. 1973 II, 1534ff.
Vgl. Hofmann, Rainer, a.a.O., 6.
Vgl. ebenda, 7.
Ebenda, 3.
Dicke, Klaus, a.a.O., 114.
Vgl. Capotorti, Francesco, a.a.O., 604.
Vgl. Ermacora, Felix: Späte Einsichten, a.a.O., 149.
Ebenda.
Hofmann, Rainer, a.a.O., 8.
Vgl. Capotorti, Francesco, a.a.O., 604.
Deutscher Text des Sozialpakts: BGBl. 1973 II, 1570.
Dicke, Klaus, a.a.O., 109.
Ermacora, Felix: Späte Einsichten, a.a.O., 150.
Resolution 47/135 der Generalversammlung vom 18.12.1992.
Vgl. dazu Dicke, Klaus, a.a.O., 112.
Vgl. UN Doc. E/CN.4/1992/SR.17, Ziffer 7ff.
Resolution 47/135 der Generalversammlung, 4 (Übers, des Verf.).
Dicke, Klaus, a.a.O., 115.
In Artikel 2, Absatz 2 der Konvention gegen Rassendiskriminierung heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen, wenn die Umstände es rechtfertigen, auf sozialem, wirtschaftlichem, kulturellem oder sonstigem Gebiet besondere und konkrete Maßnahmen, um die angemessene Entwicklung und einen hinreichenden Schutz bestimmter Rassengruppen oder ihnen angehörender Einzelpersonen sicherzustellen, damit gewährleistet wird, daß sie in vollem Umfang und gleichberechtigt in den Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten gelangen“. BGBl 1969 II, 962.
Ermacora, Felix: Späte Einsichten, a.a.O., 152.
UN Doc. E/CN.4/1992/SR.38, Ziffer 30.
Resolution 1992/65 der Menschenrechtskommission.
Vgl. UN Doc. E/CN.4/1992/SR.54, Ziffer 3–16.
Vgl. dazu Dicke, Klaus, a.a.O., 113.
Vgl. Ermacora, Felix: Späte Einsichten, a.a.O., 151.
Dicke, Klaus, a.a.O., 112.
Der entsprechende Passus lautete dort: „Fragen nationaler Minderheiten sowie die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten sind ein berechtigtes internationales Anliegen und daher eine nicht ausschließlich innere Angelegenheit des jeweiligen Staates“ (Zitiert nach: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland Nr. 109/1991, 10.10.1991, 864–868, hier: 865).
Vgl.Ermacora, Felix: Späte Einsichten, a.a.O., 152.
Dicke, Klaus, a.a.O., 115.
Der Ausschuß zur Beseitigung von Rassendiskriminierung (CERD) überprüft Beschwerden einzelner Personen und Personengruppen über Verletzungen der Bestimmungen der Konvention, sofern der Staat, dem die Beschwerdeführer angehören, eine Erklärung nach Artikel 14, Absatz 1 abgegeben hat, in welcher er die Zuständigkeit des CERD für die Entgegennahme und Erörterung solcher Mitteilungen anerkannt hat. Bisher wurden jedoch nur zwei Fälle nach diesem Verfahren behandelt (vgl. Partsch, Karl-Josef, a.a.O., 655).
World Conference on Human Rights, The Vienna Declaration and Programme of Action, Adopted 25 June 1993 by the World Conference on Human Rights, published by the UN Department of Public Information, New York 1993, 34ff. (Deutsche Übersetzung des englischen Originaltext vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, veröffentlicht in: DGVN (Ed): Gleiche Menschenrechte für alle. Dokumente zur Menschenrechtsweltkonferenz der Vereinten Nationen in Wien 1993. Bonn: DGVN-Texte 43, 13–46, hier: 19).
Reisman, Michael: Wenn aus Freiheit Vertreibung folgt. In: Die Zeit, Nr. 46: 12, 6.12.93.
Ebenda.
Tomuschat, Christian: Self-Determination in a Post-Colonial World. In: Tomuschat, Christian (Ed): Modern Law of Self-Determination. Dordrecht/Boston/London: Nijhoff, 1993, 347, hier: 17 (Übersetzung vom Verfasser).
Oeter, Stefan: Selbstbestimmungsrecht im Wandel. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 52/3–4: 741–780, 1992, hier: 761.
Oeter, Stefan, a.a.O., 762.
Tomuschat, Christian: Bewahrung, Stärkung, Ausgestaltung. Zur künftigen Menschenrechtspolitik Deutschlands in der Weltorganisation. In: Vereinte Nationen 39/1: 6–10, 1991, hier: 9.
Tomuschat, Christian: Self-Determination in a Post-Colonial World, a.a.O., 12 (Übersetzung vom Verfasser).
Tomuschat, Christian: Sprengsatz Selbstbestimmung. Im Spannungsfeld zwischen Minderheitenschutz und Sezessionsrecht. In: Der Tagesspiegel vom 27.12.1992, 4.
Oeter, Stefan, a.a.O., 772.
Die Formulierungen sind an den Text in Abschnitt VIII/2 der KSZE-Schlußakte 1975 angelehnt.
Diese Formulierung lehnt sich an die Erläuterung der UN-Resolution 2625 (XXV) der Generalversammlung vom 24.10.1970 (Text zitiert nach: Vereinte Nationen, 4/1978, 138 ff.) zum Selbstbestimmungsrecht an: „Die Gründung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Vereinigung mit einem unabhängigen Staat oder das Entstehen eines anderen, durch ein Volk frei bestimmten politischen Status stellen Möglichkeiten der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts durch das Volk dar“.
Vgl. Tomuschat, Christian: Bewahrung, Stärkung, a.a.O., 9.
Vgl. Bericht der Genfer KSZE-Expertentagung über nationale Minderheiten, l.-19.Juli 1991 in Genf, Bulletin des Presse- und Informationsamtes, Nr. 109/1991, a.a.O., 864ff.
Zum Vergleich: Die Wiener Menschenrechtskonferenz hat in der „Wiener Erklärung“ folgenden Passus verabschiedet: „Die Weltkonferenz über Menschenrechte [bekräftigt] die Verpflichtung aller Staaten, dafür zu sorgen, daß Angehörige von Minderheiten alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und wirksam, ohne jede Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz ausüben können, wie es die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Angehörigen nationaler oder ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten vorsieht. Angehörige von Minderheiten haben das Recht, im privaten Rahmen und in der Öffentlichkeit frei und ohne Eingriffe oder irgendeine Form der Diskriminierung ihre eigene Kultur zu pflegen, sich zu ihrer eigenen Religion zu bekennen und sie auszuüben und sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen“ (The Vienna Declaration, deutsche Übersetzung, a.a.O., 19).
Dies würde dem Modell der KSZE entsprechen: Nachdem bereits im Juli 1992 beim Treffen des KSZE-Rates in Helsinki beschlossen worden war, einen Hohen Kommissar der KSZE zu nationalen Minderheiten einzusetzen, einigten sich im Dezember 1992 die 51 Staaten vor dem Beginn des KSZE-Ministertreffens darauf, den Niederländer Max van der Stoel zum KSZE-Hochkommissar für Minderheitsfragen zu ernennen. Der Hohe Kommissar der KSZE soll für eine „Frühwarnung“ und „frühzeitige Schritte“ des Ausschusses Hoher Beamten der KSZE im Hinblick auf Spannungen bezüglichen Fragen nationaler Minderheiten sorgen. Dazu soll er allgemeine Informationen und konkrete Berichte von direkt betroffenen Parteien sammeln und die Teilnehmerstaaten besuchen, um Informationen aus erster Hand über die Lage der nationalen Minderheiten zu erhalten (Vgl. KSZE, Beschlüsse von Helsinki, 10. Juli 1992. In: Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 1992, 376ff, hier: 378.).
The Vienna Declaration, a.a.O., 49.
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Volger, H. (1994). Reform des Minderheitenschutzes in den Vereinten Nationen. In: Hüfner, K. (eds) Die Reform der Vereinten Nationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95959-1_9
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