Zusammenfassung
Mit der Industrialisierung und der damit verbundenen Arbeitsteilung bildeten sich zur Schaffung oder Wahrung von sogenannten Wohlstandsrechten organisierte Formen von Interessengruppen, die nichtstaatlichen Organisationen heraus. Die zunehmende Spezialisierung gesellschaftlicher Arbeit führte u.a. auch dazu, daß immer mehr nichtstaatliche Organisationen Aufgaben übernommen haben, die vorher eindeutig dem Staat zugeordnet waren. Wohlfahrtsverbände, Kirchengruppen und Interessenvereinigungen haben sich durch engagierte und bürgernahe Arbeit als kompetente Partner in der Sozialpolitik erwiesen. Nichtstaatliche Akteure üben sowohl eine ergänzende als auch eine unterstützende Funktion gegenüber dem Staat aus. Bedingt durch ihre Struktur und ihre Entstehungsgeschichte als Interessen- und/oder Wertegemeinschaften engagierter Menschen, deren politische oder/und sozialen Bedürfnisse durch staatliche Organisationen nicht oder nur unzureichend erfüllt werden, wirken sie zugleich als Kritiker von Schwachstellen im bestehenden Sozialsystems.
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Literatur
Die Gründung von Nicht-Regierungsorganisationen durch den Staat zur Erfüllung von Aufgaben, denen sich der Staat nicht adäquat widmen kann oder will, ist in diesem Zusammenhang in der Literatur umstritten. Es sollten auch diese Institutionen hier berücksichtigt werden, da sie im nichtstaatlichen Bereich engagiert sind. Die Literatur zum Thema NGOs ist in den letzten Jahren stark angewachsen. Zu den wichtigen Werken zählen u.a.: Chiang, Peiheng: Non-Governmental Organizations at the United Nations: Their Identity, Role, and Function. Praeger Special Studies. Westport, CT: Praeger Publishers, 1981, XIII, 355;
Feld, Werner, Jordan, Robert S., Hurwitz, Leon: The Role of International Nongovernmental Organiszations in IGO Decision Making. In: Feld, Werner, Jordan, Robert S., Hurwitz, Leon: International Organizations. A Comparative Approach. New York: Praeger Publishers, 225–257;
Galtung, Johan: Non-Territorial Actors: The Invisible Continent. Towards a Typology of International Organizations. In: Abi-Saab, Georges (Ed): The Concept of International Organizations. Paris: UNESCO, 1981, 67–78;
Nerfin, Marc: Neither Prince nor Merchant: Citizen. An Introduction to the Third System. In: Development Dialogue 1; 1987,1–28.
Die Aktivitäten der Interparlamentarische Union führte zum Völkerbund und dem Ständigen Gerichtshof; ähnlich war der Einfluß durch die Internationale Föderation der Gewerkschaften und die 2. Sozialistische Internationale bei der Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation.
Die Effektivität von Nicht-Regierungsorganisationen ist kaum meßbar, aber wendet man z.B. die wöchentlichen Presseberichte der VN — insbesondere bzgl. der Tätigkeit in den verschiedenen Menschenrechtsgremien — als Maßstab an, muß diesen Organisationen sowohl Sachkenntnis als auch ein enormer Arbeitsaufwand beschieden werden.
Z.B. die Weltvereinigung Christlicher Männer, die Interparlamentarische Union, die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, die Internationale Handelskammer.
An der Konferenz von San Francisco nahmen ca. 200 nationale und internationale NGOs als Ad-hoc-Beobachter teil. Vgl. Blodgett, Steven A.: The Evolving Relationship between the United Nations and International Non-Governmental Organizatiuons: An Assessment of the Need for Institutional Reform. Doctoral Dissertation. Kent, OH: Kent State University, 1982, 47.
Vgl. auch Roosevelt, Eleanor, DeWitt, William: Today and Tomorrow. New York: Harper & Row, 1953, 114ff.
Der Artikel 71 der Charta stellt einen Kompromiß dar, da NGOs im Kampf um deren Legitimierung bei der Ausarbeitung der Charta einen speziellen Artikel erhielten, der jedoch deren Aktivitäten auf den sozialen und ökonomischen Bereich beschränkte. Diese Grenzen sind jedoch unscharf, insbesondere dann, wenn es um Gebiete der Arbeit der VN geht, auf denen NGOs erfolgreich arbeiten: Menschenrechte und Ökologie, die — wie z.B. die andauernde Diskussion über humanitäre Interventionen beweist — neben den sozialen und politischen und entwicklungspolitischen Aspekten auch eine sicherheitspolitische Dimension besitzen.
Blodgett, Steven A., a.a.O., 41.
Vgl. dazu Mezzalama, Francesco, Schumm, Siegfried: Working with NGOs: Operational Activities for Development of the United Nations System with Non-Governmental Organizations and Governments at the Grassroots and National Levels, Geneva: JIU, 1993, V, 65 (JIU/REP/93/1).
Dies liegt auch an der geringen Bedeutung des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC), des einzigen Hauptorgans, an den NGOs formell gebunden sind.
ECOSOC Resolution 1296 (XLIV): Arrangements for Consultation with Non-governmental Organizations, ESCOR (XLIV), Suppl. No.l. New York: UN, 23.5.1968 bzw. ECOSOC Resolution 288B (X): Review of Consultative Arrangements with Non-governmental Organizations, ESCOR (X), Suppl. No.l. New York: UN, 27.2.1950. Die Resolution 1296 (XLIV) steht seit der „Rio-Konferenz“ zur Disposition. Vergleiche dazu die „Agenda 21“ und die ECOSOC-Resolution 1993/80: Review of the Arrangements for Consultation with Nongovernmental Organizations.
Die Durchführungsbestimmung zur Resolution 1296 (XLIV) des ECOSOC modifizierte die Anzahl der Wörter in einer NGO-Stellungnahme direkt zum ECOSOC, so daß Texte von NGOs in der Kategorie I weiterhin 2.000 Wörter umfassen können, die Texte der anderen NGOs mit Konsultativstatuts hingegen nur 500 Wörter. In den Kommissionen und Komitees sind der Texte von NGOs in der Kategorie I auf 2.000 Wörter beschränkt, für die anderen NGOs hingegen auf 1.500 Wörter. Quelle: United Nations Department of Public Information (DPI), New York: DPI, (vermutl.) 1992 (hekt).
Die vorangestellten Ausführungen bezogen sich ausschließlich auf die Resolution 1296 (XLIV).
Die ECOSOC-Resolution E/334B (XI) vom 20. Juli 1959 hob schon frühzeitig die Bedeutung der Jahrbücher hervor, sicherte der Union Internationaler Assoziationen weitreichende Unterstützung zu und entschied, daß die VN zu NGO-Thematik keine eigene Publikation im Sinne von Jahrbüchern etc. veröffentlichen würde. Mit der ECOSOC-Resolution E/2088 vom 17. November 1955 werden die Jahrbücher der Union als die Grundlage für eine mögliche Untersuchung der Rolle von internationalen Organisationsformen definiert.
Union of International Association: Yearbook of International Organizations 1992–93. München: Saur, 1992, 1629–1630.
Vgl. hierzu den Beitrag von Imke Keil in Zusammenarbeit mit Helmut Volger in diesem Band.
Vgl. hierzu den Beitrag von Claudia Roth und Helmut Volger in diesem Band.
Diese Entscheidung ist vor allem dem Generalsekretär der Konferenz, Maurice Strong, zuzurechnen, der im VN-Bereich u.a. als Generalsekretär der ersten VN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm, aber auch mit und für den nicht-staatlichen Bereich im VN-System, z.B. als Präsident der World Federation of UN Associations (WFUNA), gearbeitet hat.
UN Doc. A/CONF.151/4 (Part III), para. 27.6. — Deutsche Übersetzung: Bundesumweltministerium: Umweltpolitüc Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro — Dokumente. Agenda 21. Bonn, 1993,228.
In Bezugnahme auf die Resolution 1296 (XLIV) und den ECOSOC-Beschluß E/1993/214 vom 12. Februar 1993 entstand auf der Grundlage des „Report to the Review of the Arrangements. Report of the ECOSOC Committee on Non-Governmental Organizations“ vom 29. Juli 1993 (E/C.2/1993/L.2) die ECOSOC-Resolution E/1993/80: Review of the Arrangements for Consultation with Non-governmental Organizations.
Die Teilnahme von NGOs in Wien war von vielen Seiten stark umstritten, da humanitäre Fragen noch immer als unter die Jurisdiktion der Mitgliedstaaten fallend betrachten werden und nichtstaatliche Kritiker mitunter als sehr politisch ambivalent angesehen werden.
Vgl. dazu: Bessies, Sophie: Der Kampf der NGOs. In: UNESCO-Kurier 35/3, 1994, 7–9 bzw. Fall, Ibrahim: Streitpunkt Universalität, ebenda, 4–6.
Sadik, Nafis: Erklärung der Generalsekretärin der internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung, Nafis Sadik, bei der 2. Sitzung des Vorbereitungskomitees am 10. Mai in New York (Auszüge). In: Europa-Archiv 49/8; 1994, 252. Die Welt-Bevölkerungs- und Entwicklungskonferenz in Kairo im September 1993 wird ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit NGOs nicht verzichten. Die Generalversammlung hat betont, daß die Teilnahme von NGOs auf der Konferenz und im Vorbereitungsprozeß unabdingbar ist -Quelle: Partizipation of NGOs to the International Conference on Population and Development and its Preparatory Process, 13–27. Januar 1993 (UN Doc.E/1993/13).
So zitiert im UN Press Release: Preparorory Committee For World Conference on Natural Disaster Reduction Concludes Session, 18. März 1994, Genf: UN Office Information Service, 1 (ND/94/3).
Czempiel, Ernst-Otto: Weltpolitik im Umbruch. Internationale Politik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. 2. überarbeitete Auflage. München: Beck, 1993, 131
Vgl. u.a. Jens Martens, der diese als „Demokratie-Defizite der Vereinten Nationen“ definiert. Martens, Jens: NGOs im UN-System. Partizipationsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organistionen im Umwelt- und Entwicklungsbereich der Vereinten Nationen. Bonn: Projektstelle UNCED/WEED/BUND, 1992, 6.
Jesse, Eckhard: Typologie politischer Systeme der Gegenwart. In: Grundwissen Politik. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 302, 1991, 27. Diese Denkrichtung entspricht der von Rousseau und seiner Identitätstheorie der Demokratie.
Jesse, Eckhard, a.a.O., 171. Diese Verständnis entspricht der Konkurrenztheorie der Demokratie.
Kielmannsegg, Peter Graf: Die Quadratur des Kreises. Überlegungen zum Charakter der repräsentativen Demokratie. Köln, 1985, 22.
Zwischen 1970 und 1990 stiegen die direkt durch NGOs erbrachten finanziellen Leistungen von „nördlichen“ NGOs zur Entwicklungshilfe von 1 Mrd. auf 5 Mrd. US-Dollar. 1990 vergaben diese NGOs somit — einschließlich zusätzlich organisiertener Regierungsmittel — mehr als 7,2 Mrd. US-Dollar. Das entspricht 13% der offiziellen Entwicklungshilfe der OECD-Staaten bzw. 2,5% der zur Verfügung gestellten Gesamtressourcen für Entwicklungsländer. Quelle: United Nations Development Programme (UNDP): Human Development-Report 1993, Oxford, New York: Oxford University Press, 88–93. In der „Agenda für Entwicklung“ stellt Boutros-Ghali fest, daß NGOs jährlich Projekte in Wert von über 7 Mrd. US-Dollar durchführen. Im Vergleich dazu beträgt die bilaterale Entwicklungshilfe etwa 62 Mrd. US-Dollar, Programme und Fonds der VN verfügen über 3,6 Mrd. US-Dollar und die Sonderorganisationen — einschließlich der Bretton-Woods-Organisationen — 14,1 Mrd. US-Dollar. Quelle: Boutros-Ghali, Boutros: Agenda für Entwicklung. Bericht des Generalsekretärs. New York: UN, 1994, 30–32 (A/48/935 vom 6. Mai 1994).
Dahm, Georg, Delbrück, Jost, Wolfrum, Rüdiger: Völkerrecht, Bd. 1/1. Berlin: de Gruyter, 1988, 126, 2. Auflage. Die Völkerrechtssubjektivität hängt letztlich von der Definition des Begriffes ab. Anders als die o.g. Autoren gesteht Bleckmann Nicht-Regierungsorganisationen nur „eine sehr beschränkte Völkerrechtssubjektivität“ zu — so verwiesen in Lagoni, Rainer: Artikel 71. In: Simma, Bruno (Ed): Charta der Vereinten Nationen. Kommentar. München: Beck, 1991, 869.
Diese Vorgehensweise würde einerseits implizieren, daß es die Zivilgesellschaft als Ganzes gibt. Andererseits hieße dies auch, daß diese, ohnehin nicht existente, Gesellschaft diesen selbst erklärten Sprechern eine Handlungsauthorität und somit eine Legitimität übertagen hätte, die kaum nachvollziehbar ist.
So A.J.R. Groom in einem Diskussionsbeitrag auf der Konferenz „New Tasks of the United Nations“, International Institute für Peace in Wien, 2.–5.10.1993.
Vgl. Wolfrum, Rüdiger: Präambel. In: Simma, Bruno (Ed): Charta der Vereinten Nationen, a.a.O., 2.
Zu den 978 NGOs mit Konsultativstatus wurden zusätzlich weitere 548 NGOs zum Roster der Kommission zur Nachhaltigen Entwicklung (CSD) zugelassen. Dieses Resultat des sehr liberalen Akkreditierungsverfahrens zur Rio-Konferenz zeigt zwar deutlich, welchen Stellenwert der Arbeit von NGOs zugemessen wird, weist aber auch auf das rein quantitative Problem der Realisierbarkeit des Rechts auf aktive Partizipation für alle Staatenvertreter, die NGOs mit Konsultativstatus beim ECOSOC und für die o.g. NGOs. Vgl. Tabelle auf S. 124.
Da die Generalversammlung das einzige Hauptorgan der Vereinten Nationen ist, in dem alle Mitgliedstaaten eine Stimme besitzen und dort sowohl politische als soziale Fragen diskutiert werden, müssen im Sinne des o.g. Demokratieverständnis nichtstaatliche Organisationen das Recht besitzen, an Sitzungen der Generalversammlung teilnehmen zu können.
Die UNESCO praktiziert diese Vorgehensweise schon seit langem. Unabhängig davon sollte es möglich sein, einen Fonds aus zweckgebundenen staatlichen und nicht-staatlichen Mitteln zu schaffen.
Boutros-Ghali, Boutros: Agenda für den Frieden. New York: UN, 1992, Ziffer 62; wiederabgedruckt im Anhang zu diesem Band. Vgl. zusätzlich:
Mawlawi, Farouk: Non-Governmental Organizations: Their Evolving Role in Conflict Resolution. Final Draft Paper for the NGO and International Relations Department of the UN-Department of Public Information, December 16, 1992; International Peace Academy: A Quiet Force for Peace. A Progress Report from the President. New York, NY: International Peace Academy, 1992;
Spencer, Dayle E., Spencer, William J: The International Negotiation Network: A Method of Approaching Some Very Old Problems. Occasional Paper Series 2, No.2, Atlanta: The Carter Center of Emory University, January 1992.
Sollte nach der Beendigung der Arbeit des Treuhandrats dieser in ein Hauptorgan mit anderer Zielstellung und Kompetenz (z.B. „ökologischer Sicherheitsrat“) umgewandelt werden, müßten auch hier die Verpflichtung Eingang finden, mit nichtstaatlichen Organisationen zusammenzuarbeiten.
Rosenau verwendet in diesem Zusammenhang die Begriffe „staatszentrierte“ und „multizentrischen Welt“, die dem Czempielschen Muster weitestgehend entsprechen. Vgl. Rosenau, James. N.: The United Nations in a Turbulent World. Occasional Paper Series, International Peace Academy. Boulder, CO: Lynne Rienner, 1992, 20. Czempiel argumentiert weiter, daß NGOs Teile von Gesellschaften sind bzw. diese widerspiegeln. Sie emanzipieren sich aus der Kontrolle politischer Systeme, internationalisieren den Binnenraum der Politik und machen somit internationale Politik zu ihrem Aktionsraum. Letztendlich verbleibt dem politischen System nur noch das Gebiet der Sicherheit, das es mit aller Macht bewahren muß; vgl. Czempiel, Ernst, Otto, a.a.O., 105–132.
King, Alexander, Schneider, Bertrand: Die Globale Revolution. Bericht des Rates des Club of Rome. Frankfurt/M.: Horizonte Verlag, 1992, 32.
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Schulze, P.M. (1994). Nicht-Regierungsorganisationen und die Demokratisierung des VN-Systems. In: Hüfner, K. (eds) Die Reform der Vereinten Nationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95959-1_7
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