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Theoretischer Ausgangspunkt: Was heißt Individualisierung von Frauen?

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Frauen: Arbeit und Individualisierung
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Zusammenfassung

Die aktuellen Lebenssituationen von Frauen zeigen ein mehrdeutiges Bild zwischen Aufbruch und Stagnation. Während sich die Möglichkeiten, als Frau zu leben, ausdifferenzieren, bleibt die geschlechtsspezifische Benachteiligungsstruktur bestehen. Wie läßt sich diese Differenz erklären und welche Bedeutung hat sie für die individuellen Handlungsspielräume von Frauen? Können im Umgang mit alltäglichen gesellschaftlichen Anforderungen die Interessen von Frauen eher handlungsleitend werden?

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Literatur

  1. Der grobe Vergleich zwischen Frauen und Männern vernachlässigt auch soziale Ungleichheit innerhalb der Gruppe der Männer. Allerdings wird bei differenzierten Vergleichen zwischen Frauen und Männern deutlich: Quer zur gesamten gesellschaftlichen Hierarchie gibt es innerhalb jeder sozialen Klasse noch einmal eine “Unterschicht” — die Frauen (BeckerSchmidt 1987:191).

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  2. Zunächst im Rahmen von Theorien zur sozialen Ungleichheit entwickelt, machte der Begriff schnell Karriere in der Jugend-, Biographie- und Lebenslaufforschung.

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  3. Dabei konzentriere ich mich auf den zur Zeit am weitesten ausgearbeiteten Theorieansatz von Beck (1983; 1986).

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  4. Dabei ist zu beachten, daß Beck “zugespitzt argumentiert”, d.h. bei “Unterbelichtung der Gegentendenzen”, (1983: 44). Gerade diese Gegentendenzen müssen berücksichtigt werden; schließlich richtet sich meine empirische Neugier auf die verschlungenen Wege, Umwege und Sackgassen, in denen sich Individualisierung für Frauen durchsetzt.

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  5. Schon Max Weber bemerkt kritisch: “Der Ausdruck Individualismus umfaßt das denkbar Heterogenste. (..) und eine gründliche, historisch orientierte Begriffsanalyse wäre gerade jetzt wieder wissenschaftlich höchst wertvoll ” (1963: 95).

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  6. In seiner konkreten Ausformung ist dieses Konzept stark auf die Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik bezogen. Ob es sich also um ein allgemeines Entwicklungsmuster kapitalistischer Industrieländer handelt, muß sich erst noch erweisen.

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  7. Für 41,1% der Bevölkerung war 1985 eigene Erwerbsarbeit die wichtigste Unterhaltsquelle, 20,5% lebten überwiegend von Renten, Pensionen und Erträgen aus Vermögen, 1,9% bezogen Arbeitslosengeld oder -hilfe. 36,5% wurden ganz oder zum Teil durch Angehörige versorgt (Statistisches Bundesamt 1987 b: 81). Renten, Pensionen und Arbeitslosengeld sind als Transferleistungen von früherer Erwerbstätigkeit abhängig.

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  8. Unabhängig davon sind die Relationen sozialer Ungleichheit bei der Einkommensverteilung relativ stabil geblieben. Es lassen sich zwei schwach gegenläufige Tendenzen feststellen: Nivellierung im Mittelbereich und Verschärfung zwischen den Extremzonen von Armut und sehr hohem Einkommen. Die Einkommensproportionen zwischen den einzelnen Arbeitnehmergruppen haben sich v.a. zwischen (nicht-landwirtschaft-lichen) Selbständigen und den übrigen (Arbeitern, Angestellten und Beamten) auseinanderbewegt (Hradil 1987: 20ff).

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  9. Diese These der Verallgemeinerung von Individualisierung entwickelt Beck in Auseinandersetzung mit Marx und M. Weber. Sie haben im Zusammenhang mit der Entstehung bzw. Entwicklung des Kapitalismus Freisetzungsprozesse beschrieben, die aufgrund von Verelendungstendenzen (Klassenbildung bei Marx) oder aufgrund der Schließung und Sicherung sozialer Marktchancen (Ständebildung bei Weber) nicht “Individuallagen“, sondern kollektive Soziallagen hervorbrachten.

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  10. Diese Ausgrenzungsprozesse werden unter dem Stichwort “neue Armut” diskutiert. Der Arbeitsplatzverlust bzw. die nicht (wieder) gelungene berufliche Integration in den Arbeitsmarkt entziehen den Betroffenen die materiellen und sozialen Grundlagen ihrer Lebensführung: Geld, freie Verfügung über dessen Verwendung, Wohnung, Freizeitgestaltung.

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  11. Hier ist eine der unklarsten Stellen im Konzept der Individualisierung von Beck. Er sieht soziale und kulturelle Klassenbindungen “nicht wirklich außer Kraft gesetzt”, aber sie treten zurück (1986, 208). Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich für ihn nur auf dem Hintergrund der zentral durch Berufs- und Familienarbeit vorgegebenen zeitlichen, sozialen, räumlichen und ökonomischen Möglichkeiten (1983, 50ff). Er behauptet jedoch, daß sie nicht mehr als kollektive Existenzbedingungen wahrgenommen werden und deshalb auch für die Handelnden eine andere Bedeutung haben (1986, 122).

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  12. “Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: ... daß man vielmehr alle Dinge - im Prinzip - durch Berechnen beherrschen könne.” (Weber 1956 b: 317; Herv. i.O.)

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  13. Dies gilt selbst dann, wenn kaum individuelle Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind, z.B. in der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. So wird z.B. Erwerbslosigkeit, auch wenn sie strukturell bedingt ist, von den Betroffenen immer auch noch einmal im Zusammenhang gebracht mit den eigenen Entscheidungen oder Versäumnissen in der Bildungs- und Berufslaufbahn, im Bewerbungsverhalten etc. (Diezinger u.a. 1983).

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  14. Dies gilt sowohl für die frühkindliche Bildung von Identität, als auch für die Persönlichkeitsentwicklung, d.h. für Veränderungen in Selbstbewußtsein und Problembewußtsein, in Lebensperspektiven und Lebensstil.

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  15. Hier beziehe ich mich bereits auf Ergebnisse aus der empirischen Untersuchung: Neben der Arbeitsmarkt-Individualisierung nehmen die befragten Frauen eine an sie qua Geschlecht gerichtete Anforderung wahr - und zwar unabhängig davon, ob sie ihr subjektiv zustimmen oder sie ablehnen.

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  16. Beyer entwickelt diesen Begriff analog zur “kontrollierten Sexualisierung” der bürgerlichen Frauen im 19. Jahrhundert. Um auf dem Heiratsmarkt unter dem Primat der romantischen Liebesheirat erfolgreich konkurrieren zu können, mußten sie sexuell attraktiv erscheinen, ohne sexuell aktiv zu sein.

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  17. Der Vorrang der familialen Arbeit gegenüber der Erwerbsarbeit von Frauen war bis 1977 auch im Ehe- und Familienrecht festgeschrieben.

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  18. Das meint die treffende Parole der neuen Frauenbewegung: “Das Private ist politisch!”

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  19. Dieses Ergebnis gilt für Frauen aus den unterschiedlichsten sozialen Lagen, mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen (Eckart u.a. 1979; Weltz u.a. 1979; Becker-Schmidt u.a. 1982; Brigitte 1982; Krüger u.a. 1987) und selbst dann, wenn sie diesen Wunsch aktuell nicht verwirklichen können, sondern sich zwischen Erwerbstätigkeit und Familie entscheiden mußten.

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  20. Das heißt nicht, daß Bindungen im Prozeß der Identitätsbildung von Männern keine Rolle spielen. Daß sie eine andere spielen, hat seine Wurzeln in der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung (siehe A.I.3.).

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  21. Als herausragendes Kennzeichen der Modernisierung gilt neben der Rationalisierung der Lebensführung (Weber) im Zivilisationsprozeß die Zurückdrängung von Gefühlen in den abgegrenzten Privatbereich (Elias).

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  22. Diesen Aspekt hat v.a. die Frauenforschung betont, als sie den Arbeitscharakter, den Familie für Frauen hat, hervorhob (Bock/Duden 1976; Ostner 1978; Kontos/Walser 1979).

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  23. Eine systematische Analyse der Veränderungen im politischen Bereich, in der Sozial-, Arbeitsmarkt-, Familien- und Frauenpolitik konnte ich hier nicht leisten. Den Zusammenhang zwischen Familienpolitik und geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungsmustern hat Jurczyk 1988 herausgearbeitet.

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  24. So stellt etwa das Erziehungsgeld eine staatliche Substitution der “Zuverdiener”leistung der Frauen dar, es ermöglicht jedoch keine eigenständige Sicherung. Alleinstehende Frauen, die den Erziehungsurlaub nehmen, werden daher in der Regel von Sozialhilfe abhängig.

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  25. In der aktuellen Diskussion zur Geschlechterdifferenzierung wird darauf aufmerksam gemacht, daß gerade biologische Argumente keineswegs die Durchschlagkraft des Sexualdimorphismus stützen und sich das Interesse darauf richtet, wie diese quasi-natürliche Zweigeschlechtlichkeit gesellschaftlich konstituiert und individuell verinnerlicht wird (Vgl. dazu Hagemann-White 1984; Tyrell 1986; Gildemeister 1988).

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  26. Diese geschlechtshierarchische Arbeitsteilung ist zwar Basis des herrschenden Geschlechterverhältnisses, aber selbst wiederum in ihrer Entstehung erklärungsbedürftig. Hier herrscht in der Frauenforschung noch ein Theoriedefizit vor. Die Gebärfähigkeit der Frau dürfte wohl ein wich-tiger Faktor sein, aber damit wird nicht erklärt, warum diese für Gesellschaften überlebenswichtige Fähigkeit zur sozialen Degradierung und Deklassierung der Frauen führt (Becker-Schmidt 1987: 188).

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  27. Die Betonung liegt dabei darauf, daß Arbeit für andere nicht entlohnt/ bezahlt wird. Die eigene Reproduktion trägt ihren Lohn gewissermaßen in sich: Den Kuchen, den ich backe, um ihn selbst zu verzehren, ist der “Gewinn”/Lohn meiner Arbeit (Delphy 1985: 184).

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  28. Eine historisch detaillierte Darstellung kann hier nicht geleistet werden. Es geht mir darum, diejenigen großen Entwicklungslinien aufzuzeigen, die soziologisch relevant sind für die Ausformung des Geschlechterverhältnisses.

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  29. Neuere sozialhistorische Studien zeigen, daß im Bürgertum (v.a. in Beamtenfamilien) nicht nur die Versorgung unverheirateter Töchter, sondern auch die der Ehefrauen in der Familie unsicher war. Deren Möglichkeiten, durch eigene Erwerbsarbeit zum Unterhalt der Familien beizutragen, war jedoch aufgrund der ständischen Normen und teilweise rechtlich fixierter Vorschriften eingeschränkt: Handarbeiten und Näharbeiten gegen Bezahlung mußten “heimlich”, d.h. für die Außenwelt nicht sichtbar, geleistet werden (BMJFG 1984: 61–66).

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  30. Die Durchsetzung der Norm der Hausfrauen-Ehe blieb im 19. Jahrhundert auf das Bürgertum beschränkt, galt für Bauern bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht und bei Arbeiterfamilien nur sehr gebrochen - durch die Lohnarbeit der Frauen und Töchter (Hausen 1976: 383 ff).

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  31. Männer, die individuell Hausarbeit (d.h. Reproduktionsarbeit für andere) übernehmen, folgen damit keiner gesellschaftlichen Anforderung, die als allgemeine an alle Männer herangetragen wird.

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  32. Auch Max Weber (1956a: 104/105) macht in seinen Ausführungen zum Berufsbegriff deutlich, daß nicht nur Qualifikationsunterschiede, sondern auch Unterschiede in der Verfügbarkeit der Arbeitskraft die Erwerbschancen bestimmen.

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  33. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung tauchen die Leistungen nicht auf - im Gegensatz etwa zu den Leistungen von Bauern für ihren Eigenbedarf. “Dadurch entstehen Ungereimtheiten von der Art, daß ein Mann, der seine Haushälterin heiratet, das Bruttosozialprodukt verringert” (Kontos/Walser 1979: 37).

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  34. Erst die internationale Frauenbewegung und Frauenforschung hat hier eine Revision wissenschaftlicher und allmählich auch gesellschaftspolitischer Konzepte in Gang gebracht.

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  35. Es handelt sich dabei nicht nur um individuelle Bedürfnisse, sondern auch um gesellschaftliche Anforderungen (Jurczyk 1988: 41).

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  36. Die ökonomische Umbruchsituation im Übergang von der Hauswirtschaft zur privaten Hausarbeit eiznerseits und außerhäuslicher Erwerbsarbeit an-dererseits führte zu normativer Verunsicherung. In dieser Phase beginnt die Ausformung und Propagierung von “Geschlechtscharakteren”. Je mehr die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung von einer bloß ökonomischen auf die psychologische Ebene verschoben wurde und zu den polaren Geschlechtscharakteren von Frau und Mann gerann, desto stabiler wurde sie (Hausen 1976).

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  37. Ostner (1978) und Beck-Gernsheim (1976) hatten den Begriff des weiblichen Arbeitsvermögens geprägt, um die spezifischen beruflichen Verhaltensweisen von Frauen zu erklären. Sie konnten darüber hinaus zeigen, daß auch Männer, die in ihrer Kindheit “hausarbeitsnah” sozialisiert wurden,eine entsprechende Berufspraxis aufweisen (Ostner/ Beck-Gernsheim 1979).

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  38. Ich benütze diesen Begriff hier im Sinne eines Potentials an Fähigkeiten, das zwar von historisch spezifischer Lebensmöglichkeiten bestimmt ist, aber nicht gleichzusetzen ist mit den durch die Produktions- und Herrschaftsverhältnisse realisierten “Ausschnitten” daraus.

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  39. Knapp (1987) macht daraus aufmerksam, daß der Begriff “weibliches Arbeitsvermögen” auch dazu verführen kann, “identitätslogisch” zu verfahren und alle Orientierungen und Verhaltensweisen von Frauen in das Raster “reproduktionsbezogen” einzuordnen. Damit geraten aber gerade individuelle Grenzüberschreitungen, die sich nicht der Polarisierung von männlich/weiblich fügen, aus dem Blick.

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  40. Männer mit Familie werden solchen divergenten Normen nicht ausgesetzt. Indem sie ihre Berufslaufbahn verfolgen, entsprechen sie zugleich den Normen ihrer Familienrolle. Der Druck zu einer Normenveränderung ist daher bei Männer nicht so groß. Die Lockerung der männlichen Norm des “ausschließlichen Berufsmenschen” muß außerdem keineswegs mit einer vermehrten Hinwendung zur privaten Alltagsarbeit für andere einhergehen. Ein erster Hinweis darauf könnte die Tatsache sein, daß die seit der Nachkriegszeit kontinuierlich sinkende Wochenarbeitszeit nicht dazu geführt hat, daß Männer sich stärker im Haushalt und in der Kindererziehung engagieren, sondern eher dazu, daß sie ihre Freizeitinteressen stärker berücksichtigen.

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  41. Dies wird besonders deutlich beim Thema “Gewalt gegen Frauen”. Manner befürworten sie in Situationen, in denen sie die Machtstellung des Mannes durch die Frau gefährdet sehen, z.B. wenn sie sich sexuell verweigert oder ihm überlegen ist (Metz-Göckel/Müller 1987: 24).

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  42. So lautet der Originaltitel des 1949 erschienen Buches von Simone de Beauvoir.

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  43. Die bürgerliche Frauenbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat in einer Positivierung dieser “weiblichen” Eigenschaften den “Beruf” der Frau gerade in einer Vermenschlichung der als kalt und rechenhaft gezeichneten Männerwelt des Erwerbs gesehen und solchermaßen die öko-nomischen Interessen bürgerlicher Frauen legitimiert, die keine Versorgung über die Ehe finden konnten oder wollten. Dies kann als Hinweis auf die Geltungskraft dieser Normen jenseits des Modells der bürgerlichen Ehe gesehen werden. Auch heute erleben diese Positivierungen wieder Hochkonjunktur, ohne sich noch unbedingt mit dem Muster der bürgerlichen Ehe zusammenbringen zu lassen. (Vgl. aber umgekehrt den CDU-Slogan von der “neuen Mütterlichkeit”, der eindeutig restaurative Züge trägt).

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  44. Da sie “typisieren”, d.h. gerade differente Erfahrungen zugunsten eindeutiger Zuordnungen vernachlässigen, werden nicht-stimmige Erfahrungen nach dem Schema: Ausnahme oder Abweichung stimmig gemacht. Eine aggressive Frau z.B. ist, so oder so, unweiblich.

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  45. Wie Müller (1983: 74) in einer Analyse von Heiratskohorten nachweist, brachte schon der 2. Weltkrieg mit der Mobilisierung der verheirateten Frauen - gegen die nationalsozialistische Mutterideologie - die Wende.

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  46. Ökonomische Entwicklungen beeinflussen nicht linear die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit. Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse führt zunächst dazu, daß verheiratete Frauen eher die “Doppelbelastung” zugunsten einer Familienexistenz abbauen. Diesen Zusammenhang kann Müller (1983: 63) aber nur bis zum Beginn der 50er Jahre aufzeigen, danach nimmt trotz des “Fahrstuhleffekts” des Wirtschaftswunders die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen zu. Dazu mag auch ein verändertes Rekrutierungsverhalten der Betriebe auf einem ausgeschöpften Arbeitsmarkt beigetragen haben.

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  47. Marktbezogene und -vermittelte Arbeitsverhältnisse unterscheiden sich nicht nur dadurch von familialen, daß sie Betrieb und Wohnung trennen, sondern auch durch die Art, wie Arbeitskräfte an die Arbeitsplätze kommen: einmal über einen Arbeitsmarkt vermittelt, zum anderen über verwandtschaftliche Stellung oder familiale Beziehungen. Schließlich unterscheiden sich diese Arbeitsverhältnisse auch in ihrer Logik: Hier ausgerichtet an der Rationalität gewinnorientierter Produktion, dort an den Bedürfnissen der Haushaltsgemeinschaft (Willms 1983: 26).

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  48. Der Beruf des Dienstmädchens war zölibatär konzipiert: Die Eheschliessung zwang zumeist dazu, den Haushalt der “Herrschaft” zu verlassen. Die Arbeit als mithelfende Familienangehörige war an den ökonomischen Status (Selbständiger) des Vaters, Bruders oder Ehemannes gebunden.

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  49. Erst 1977 wurde das Leitbild der Hausfrauen-Ehe aus den einschlägigen Paragraphen des BGB getilgt. Die bis dahin gültige Fassung der § 1356 bzw. 1360 legte fest, daß Frauen “in der Regel durch Führung des Haushalts” zum Unterhalt der Familie beitragen und nur dann erwerbstätig sein konnten, wenn dies mit den Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war (Wiegmann 1983).

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  50. Die Erwerbsarbeit lediger junger Frauen diente nicht nur ihrer eigenen Vesorgung, sondern vielfach auch der Unterstützung der Herkunftsfamlie (Willms 1983: 31). Diese Mischung aus Eigenständigkeit und Verantwortung für den Familienzusammenhang zeigte sich auch noch bei den erwerbslosen Hauptschülerinnen unserer Studie, die aus Arbeiterfamilien stammten. Der Wunsch nach persönlicher Unabhängigkeit durch eigene Erwerbstätigkeit dominierte zwar, aber der Druck, die Herkunftsfamilie zu unterstützen bzw. zu entlasten, führte dazu, daß diese Mädchen sich eher bereitfanden, “irgendeine” Arbeit anzunehmen (Diezinger u.a. 1983: 146 ff).

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  51. Die sozialwissenschaftliche Forschung in den 50er und 60er Jahren trug zur Stabilisierung dieser Sichtweise bei. In ihren Analysen wurden erwerbstätige Ehefrauen und Mütter als “gegen ihre eigentlichen Lebenswünsche in die Arbeitswelt gedrängte” gezeichnet. Ihren Verselbständigungsprozeß in der Familie konnte man zwar nicht übersehen, aber er wurde als ein durch Not erzwungener “Emanzipationserfolg” gewertet, für den die Frau mit Überlastung bezahlen muß. Ihre Bereitschaft dazu wurde wiederum als Dienst an der Familie interpretiert. Interessanterweise beruhten solche Aussagen häufig gar nicht auf direkten Befragungen betroffener Mütter (Sommerkorn 1988: 121). Bei direkten Befragungen zeigte sich damals schon eine bedeutsame Minderheit verheirateter Frauen, die den Beruf höher einschätzten als Familie, was nach Meinung der streng an der Mütterlichkeitsideologie orientierten Forscher nur Schaden für sie selbst und für die Familie bedeuten konnte (ebd.: 125)

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  52. Erstmals publiziert 1956, erste deutsche Übersetzung 1960. In der Bundesrepublik wurde es als Leitbild (z.b. der Familienpolitik) erst viel später wirksam.

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  53. Dieses Ergebnis darf jedoch nicht dahingehend interpretiert werden, daß sich diese Industriearbeiterinnen affirmativ auf ihre Arbeitsbedingungen beziehen.

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  54. Lag der Anteil der Frauen mit beruflicher Ausbildung an allen erwerbstätigen Frauen 1970 bei 38%, so stieg er bis 1982 auf 61,2% (BMJFFG, 1986: 10). Bis 1985 war noch einmal ein Anstieg von 4,1% zu verzeichnen. Von den 65,3% Frauen mit abgeschlossener Berufsausbildung hatten 10,5 % Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluß (Statist. Bundesamt 1987a: 70).

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  55. Indiz dafür ist einmal die Tatsache, daß die effektive Zunahme der Nachfrage nach Arbeitsplätzen bei Frauen höher liegt als der demographisch bedingte Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch liegen die Arbeitslosenzahlen bei Frauen höher als die tatsächlichen Beschäftigungsverluste (Engelbrech 1987).

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  56. Die Unterbezahlung der Frauen zeigt sich, wenn man gleiche Leistungsgruppen bei Arbeitern und Angestellten vergleicht. So erreichte der Bruttostundenverdienst einer Arbeiterin der niedrigsten Leistungsgruppe 83,3% des ebenso eingestuften männlichen Arbeiters, in der höchsten Leistungsgruppe 80%. Auch bei den Angestellten waren die Abstände innerhalb der einzelnen Leistungsgruppen ähnlich. Als Gründe hierfür werden geringeres Alter und weniger Berufserfahrung genannt, die allerdings nicht quantitativ ausgewiesen werden (Stat. Bundesamt 1987 a: Tab.3.8.1. und 3.8.2., eigene Berechnungen).

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  57. Mehr als die Häfte der weiblichen Angestellten (1/3 aller weiblichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten) ist in qualifizierten Angestelltenberufen beschäftigt, die gemischte, d.h. Männern wie Frauen zugängliche Beschäftigungsbereiche darstellen. Es handelt sich um qualifizierte kaufmännische und verwaltenden Tätigkeiten in Banken, Versicherungen, der öffentlichen Verwaltung und den Sozialversicherungen. Ein traditionell “weiblicher” Einsatzbereich, in den zunehmend Männer eindringen, sind qualifizierte Pflegeberufe (Gottschall/Müller 1987: 262).

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  58. Vgl. die Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen oder Sabbatjahre. Auffallend ist dabei, daß in der Diskussion zwei Argumentationen fehlen, die beim gleichen Erwerbsverhalten von Frauen immer auftauchen: Sie gelten nicht als Anzeichen fehlender Berufsorientierung und sie werden nicht in Zusammenhang gebracht mit einer stärkeren Verantwortung für familiale Arbeit.

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  59. Eine Ausnahme bietet der öffentliche Dienst. Mit rechtlichen Regelungen Ende der 60er Jahre trug er dazu bei, Teilzeitarbeit als längerfristige Beschäftigung zu installieren. Er wurde Vorreiter, indem er nicht nur qualifizierte Stellen als Teilzeitstellen anbot (Lehrer/innen), sondern teilweise auch die Geschlechtsdifferenzierung aufhob. Angesichts der Erwerbslosigkeit unter Lehrer/innen wurden auch Lehrern nur zeitlich reduzierte Stellen angeboten (Eckart 1986 a: 229)

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  60. Weniger das Alter der Kinder, als die Zahl der Kinder sind ausschlaggebend dafür, ob überhaupt und wann unterbrochen wird (Bilden 1987a).

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  61. In der anglo-amerikanischen Literatur wird dieser Sachverhalt daher als “statistische Diskriminierung” bezeichnet.

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  62. Der Anstieg der Geburtenzahlen in den letzten Jahren wird übereinstimmend nicht auf ein verändertes generatives Muster zurückgeführt, sondern damit erklärt, daß die geburtenstarken Jahrgänge der frühen 60er Jahre in das Alter der Familiengründung gekommen sind.

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  63. Dagegen spielten in den 50er Jahren auch materielle Erwägungen wie etwa Zuteilung von Wohnraum, gemeinsamer Aufbau einer sicheren Existenz und die Etablierung einer dauerhaften sexuellen Beziehung eine wichtige Rolle für die Entscheidung zur Eheschließung (Nave-Herz 1988: 66).

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  64. 1985 lebten von den 17–25jährigen Deutschen, die als Haushaltsvorstand erfaßt wurden, 60 % in einem Ein-Personen-Haushalt (Stat. Bundesamt 1987 b: 369).

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  65. Bisher gibt es nur Schätzungen, wieviele Menschen in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften leben. Die Zahlen schwanken für 1983 zwischen 1 und 2,5 Millionen, d.h. maximal jeder 7. bundesdeutsche Haushalt. Das bedeutet in den Jahren 1972 - 1982 eine Zunahme um 277% . Die Differenzen ergeben sich aus der Tatsache, daß Zusammenlebende getrennte Haushaltsführungen (oder Untermietverhältnisse) angeben bzw. Partner getrennte Wohnung haben (BMJFG 1985: 8).

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  66. k Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder gehen vergleichsweise häufig in andere Haushaltstypen über. Im Zeitraum eines Jahres wurden 12 % der Lebensgemeinschaften zu Ehen ohne Kinder, 5 % zu EinpersonenHaushalten. Die Fluktuation ist bei Lebensgemeinschaften mit Kindern noch höher, wobei 8 % nach einem Jahr als Elternteil mit Kind leben, 6% heiraten und 23% in “sonstige” Haushaltsformen übergehen, die nicht näher ausgewiesen sind (Stat.Bundesamt 1987 b: 371).

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  67. Nach Mikrozensusdaten von 1982 waren nur ca. 3% der Frauen zwischen 18–35 Jahren, die mit ihrem Partner zusammenlebten, mutmaßlich Hausfrauen, bei den Ehefrauen der entsprechenden Altersgruppen waren es dreimal so viele. In ihrer Stellung zum Erwerbsleben zeigten die Partner nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften weniger geschlechtsspezifische Unterschiede als Ehepaare. Auch der Anteil von in Ausbildung befindlichen Personen ist höher als bei Ehepaaren (BMJFG 1985: 162). Vor allem in jüngeren Altersgruppen sind beide erwerbstätig (ebd.: 13).

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  68. Dabei unterschieden sich die Angaben von Frauen und Männern jedoch teilweise erheblich. So nennen Männer bei einzelnen Hausarbeiten häufiger als Frauen die Kategorie “beide gleich” (BMJFG 1985: Tab. 11).

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  69. Zwischen 1987 und 1988 stiegen Ein-Personen-Haushalte um 1,9% auf 34,6% aller Haushalte in der Bundesrepublik an. Das sind doppelt so viele wie 1962 (SZ vom 5.8.88 nach einer Meldung des Statistischen Bundesamtes).

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  70. Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte von Frauen hat sich in den zurückliegenden 30 Jahren fast verdreifacht. 1957 waren 60,2% der alleinlebenden Frauen Witwen über 45 Jahre, 1986 nur mehr 55%. Dagegen hat sich den Anteil der ledigen Frauen unter 45 im selben Zeitraum von 11,7% auf 20% erhöht. Die Zahl der alleinlebenden ledigen Frauen unter 25 Jahren ist 1986 6 1/2 Mal so groß wie 1957; die der ledigen Frauen zwischen 25 - 45 Jahren fast viermal so groß (Stat. Jahrbuch 1962 bzw. 1988: Tab. “Privathaushalte nach Altersgruppen und Familienstand”,eig. Berech.).

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  71. Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte von Frauen hat sich in den zurückliegenden 30 Jahren fast verdreifacht. 1957 waren 60,2% der alleinlebenden Frauen Witwen über 45 Jahre, 1986 nur mehr 55%. Dagegen hat sich den Anteil der ledigen Frauen unter 45 im selben Zeitraum von 11,7% auf 20% erhöht. Die Zahl der alleinlebenden ledigen Frauen unter 25 Jahren ist 1986 6 1/2 Mal so groß wie 1957; die der ledigen Frauen zwischen 25 - 45 Jahren fast viermal so groß (Stat. Jahrbuch 1962 bzw. 1988: Tab. “Privathaushalte nach Altersgruppen und Familienstand”,eig. Berech.).

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  72. Dabei scheint es sich um eine spezifisch “deutsche” Variante der Definition sozialer Mutterschaft zu handeln: “Engländerinnen und Französinnen haben eine breite Kinderbetreuung vorgefunden, schon ehe sie sich daranmachten, berufstätig zu werden ... Man sucht eine gute Schule und die ist dann dafür verantwortlich, daß das Kind gut lernt und auch dafür, daß ein wunderbarer Mensch aus ihm wird” (Plog 1988: 96).

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  73. Die Bundesrepublik gehört zu den Ländern der EG mit dem geringsten Angebot an öffentlich geförderten Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren: Ca 3% der Kinder können damit versorgt werden. Krippenplätze und Tagespflegestellen insgesamt erreichen höchstens 7,5 - 10% der Kleinkinder erwerbstätiger Mütter, die anderen sind auf private Lösungen angewiesen (Blüml/Schneider 1988, 295).

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  74. So ist es nicht überraschend, daß sich in einer qualitativen Studie v.a. Lehrer-Ehepaare finden (Busch u.a. 1988).

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  75. Nicht nur die Zahl der nichtehelichen Geburten steigt, sondern auch das Durchschnittsalter der ledigen Mütter: “Waren es 1970 noch meist Frauen um die 20, so waren es 1980 Frauen zwischen 28 und 33 Jahren, die am häufigsten nichteheliche Kinder bekamen: weniger “gefallene Mädchen” also, sondern vielmehr erwachsene Frauen, die sich offensichtlich auch dann für ein Kind entscheiden konnten, wenn ihnen eine Heirat nicht möglich oder nicht wünschenswert erschien” (Permien 1988: 90).

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  76. 41% der verheirateten Mütter, aber 57% der alleinerziehenden Mütter sind erwerbstätig (Neubauer 1988: 106)

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  77. Sie stellen, neben unzureichend versorgten Rentnerinnen, das Gros der weiblichen Sozialhilfeempfängerinnen (Kulawik 1988: 253). 12% der alleinerziehenden Mütter haben Sozialhilfe als überwiegenden Lebensunterhalt. 33% aller alleinerziehenden Mütter (47 % aller ledigen Mütter) haben ein Familiennettoeinkommen unter der Sozialhilfeschwelle mit einem Kind (Neubauer 1988: 106).

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  78. Alleinerziehende Väter, die Verantwortung für Kind und Haushalt übernehmen, halten dagegen eher am Bilde der Entlastung durch Frauen fest. Sie betrachten daher die Ein-Eltern-Familie häufiger als Übergangsphase zu einer neuen Eheschließung (Napp-Peters 1987: 122).

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Diezinger, A. (1991). Theoretischer Ausgangspunkt: Was heißt Individualisierung von Frauen?. In: Frauen: Arbeit und Individualisierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95928-7_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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