Zusammenfassung
Zum überregionalen Wählerverhalten in Deutschland wurde insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten eine große Zahl empirisch-analytischer Studien erstellt. Nahezu unabhängig vom jeweiligen Erkenntnisinteresse steht den Untersuchungen des Wählerverhaltens anläßlich von Bundes- oder Landtagswahlen ein vergleichbares und vielfach erprobtes Repertoire theoretischer und methodischer Analysestrategien zur Verfügung. Hingegen fällt bereits die Zahl der Studien zum kommunalen Wählerverhalten deutlich geringer aus, insbesondere was die Einbindung der Interpretation lokaler Ergebnisse in den Rahmen entsprechender Vergleichsgrößen anderer Gemeinden oder Systemebenen (Bund, Land) betrifft. Eine Durchsicht der verschiedenen Studien fördert darüber hinaus die Erkenntnis zutage, daß ein einheitlicher Kanon des theoretischen Zugriffs zwar wünschenswert wäre, bislang sich im forschungspraktischen Alltag jedoch nicht hat durchsetzen können. Entsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse bezüglich der Ausprägung von kommunalem Wahlverhalten: Erscheint es einmal als „Reflex gesamtsystemaren Wahlverhaltens“ (Kevenhörster 1976: 280), so wird ihm andernorts eine eigenständige Existenz bescheinigt, die sich auf ein spezifisch kommunales Politikverständnis der Wählerinnen und Wähler sowie auf die Besonderheiten des jeweiligen Kommunal Wahlsystems gründet (Löffler/Rogg 1991: 116).
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Literatur
Ein ausführlicher Überblick über den Forschungsstand zum kommunalen Wahlverhalten findet sich bei Schacht (1986: 8ff.).
Kontextmerkmale sind analytisch von kontextuellen Determinanten im hier verwandten Sinne zu unterscheiden. Erstere bezeichnen zunächst lediglich die entsprechenden Kontexte, letztere erklären das Wahlverhalten in diesen Kontexten im Rahmen eines theoretischen Modells.
Bei der Datenbeschaffung und -aufbereitung unterstützte mich dankenswerterweise Axel Glemser, Arbeitsgruppe Wahlen Freiburg.
Während im Südwesten mittels mehrerer Stimmen, deren Anzahl jeweils der Zahl der zu wählenden Gemeinderäte entspricht, bei freien Listen panaschiert und kumuliert werden kann, steht den Wählern im größten Bundesland lediglich eine Stimme bei unveränderbaren, starren Listen zur Verfügung. Ein synoptischer Überblick über die kommunalen Wahlsysteme aller Bundesländer findet sich bei Woyke (1994: 153f.).
Für Brandenburg wird aus Vergleichsgründen unterschieden zwischen CDU, SPD, PDS, Bündnis 90/Grüne, FDP, Demokratischer Bauernverband (DBD, nur 1990), Bürgervereinigungen (BV) und Listenvereinigungen (LV). CDU, SPD und PDS umfassen auch nahestehende Listenverbindungen. Der FDP werden 1990 der Bund Freier Demokraten und die Deutsche Forumpartei, dem Bündnis 90 die Grünen und Demokratie Jetzt zugeordnet. Die Bürgervereinigungen bestehen 1990 und 1993 aus Neues Forum, Deutsche Forumpartei/NF, Demokratischer Aufbruch, Bauernverband (nur 1990) und Bürgerlisten. Die Listenvereinigungen umfassen 1990 den Unabhängigen Frauenverband und den Demokratischen Frauenbund samt jeweils nahestehender Listen sowie grün-lila Listen. 1993 werden vom Statistischen Landesamt die Listenvereinigungen nicht näher unterteilt.
Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg unterscheidet bei Gemeinderatswahlen (GRW) zwischen (a) Parteien, (b) gemeinsamen Wahlvorschlägen von Parteien und Wählervereinigungen sowie (c) Wählervereinigungen. Zur nachfolgenden Untersuchung werden die Ergebnisse der ersten beiden Kategorien entsprechend zusammenge-faßt und den Parteien (CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne, FDP, Republikaner) zugeordnet. Darüber hinaus werden Freie Wählervereinigungen (WV) sowie Listenvereinigungen (LV), bestehend aus linken, grünen und Frauen-Listen, gesondert betrachtet.
Aus Nordrhein-Westfalen kann lediglich eine Gemeinderatswahl in die empirische Untersuchung einbezogen werden. Berücksichtigt werden CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Grüne, Republikaner und Sonstige. Der Stimmenanteil der Sonstigen liegt im Landesdurchschnitt bei nur 5%.
Durch Linearkombinationen werden jeweils miteinander hoch korrelierende Variablen zu wenigen Faktoren gebündelt. Diese Faktoren sind untereinander statistisch unabhängig und können als Dimensionen des politischen Raums angesehen werden. Ihre inhaltliche Interpretation stützt sich auf die sie jeweils kennzeichnenden Variablen.
Durchgeführt wurde für alle drei Bundesländer eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation. Für Brandenburg ergeben sich vier Faktoren, die 81,4% (39,3%, 20,7%, 13,2%, 8,2%) der Varianz erklären. Das KMO-Maß beträgt 0,60, das Modell beschreibt die gegebenen Daten mäßig. In Baden-Württemberg erklären die drei Faktoren mit einem Eigenwert größer 1 insgesamt 88,3% der gesamten Varianz (54,4%, 19,1%, 14,8%), in Nordrhein-Westfalen 94,3% (49,0%, 36,8%, 8,5%). Das KMO-Maß beträgt 0,77 (B-W) bzw. 0,72 (NRW). Die faktorenanalytischen Modelle können somit als mittelprächtig bezeichnet werden.
Das Achsenkreuz wird jeweils horizontal durch den ersten und vertikal durch den zweiten Faktor der Faktorenanalyse gebildet. Die Korrelationen zwischen den jeweiligen Stimmenanteilen und den beiden Faktoren dienen als Koordinaten für die Positionierung der Parteien.
Die Faktorwerte der vier (Bran.) bzw. drei (B-W, NRW) Faktoren (Dimensionen) wurden regressionsanalytisch für jeden Fall berechnet und lassen sich somit als Variablen verwenden. Für ihren Einsatz als Prädiktoren in einer multivariaten Regressionsanalyse besitzen sie den Vorteil, daß sie statistisch unabhängig sind.
Der Fraktionalisierungsindex errechnet sich für jede Gemeinde wie folgt: 1- (Summe der quadrierten Stimmenanteile; Rae 1968). Bei wenigen, aber hohen Parteianteilen in der Gemeinde sinkt der Index in Richtung 0, bei vielen, aber niedrigen Parteianteilen steigt er in Richtung 1.
Die Gemeindegröße ist für jedes Bundesland in Quartile aufgeteilt. Die Trennwerte der Einwohnerzahl 1993 (B-W: 1994) sind demnach nicht identisch: Brandenburg: 1542/11100/32000; Baden-Württemberg: 6886/17400/55000; Nordrhein-Westfalen: 32600/89700/300000.
Die vier bzw. drei politischen Faktoren wurden blockweise (enter), die restlichen Merkmale einzeln (stepwise) in das Regressionsmodell aufgenommen. So läßt sich der jeweilige Zuwachs erklärter Varianz angeben.
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Eith, U. (1997). Kommunales Wählerverhalten in Ost- und Westdeutschland: Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Vergleich. In: Gabriel, O.W. (eds) Politische Orientierungen und Verhaltensweisen im vereinigten Deutschland. Beiträge zu den Berichten der Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e.V. (KSPW), vol 3.3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95869-3_15
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95869-3_15
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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