Zusammenfassung
Sein Leben für die Erhaltung der Gemeinschaft zu opfern, galt in allen Kulturen als hochwertig. Kalos thanatos war im klassischen Griechenland in der Regel der Tod eines jungen Kriegers in der Schlacht. In traditionellen Kulturen gab es teilweise rigide Regeln für das rechtzeitige Sterben: z.B. dass der Herrscher nach dem Verlust seiner Herrschaft getötet wird oder Selbstmord begehen muss (Hun-tington/Metcalf 1979).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Hospize können unterschiedlich organisiert werden: als die Wünsche des Individuums ins Zentrum stellende Vergemeinschaftung (meist ambulante Form), als religiöse oder als medizinische Institution.
Elias (1982, 81 ff) beschreibt das Zerrbild des „homo clausus“, der isoliert, gleichsam von einer Mauer umgeben lebt und stirbt. Im Fall der von der Person nicht gewünschten Isolation wird das „eigene Sterben“ faktisch aufgezwungen.
Seale (1995; 2002a; 2002b, 183 ff) rekonstruiert aufgrund von Interviews den Typ des „heroischen Todes“, der meist in Phasen (z.B. Modell Kübler-Ross) verläuft -jedenfalls gemäß der Erzählungen der überlebenden Begleiterinnen.
Es wird von vielen Betroffenen negativ beurteilt, wenn ein zu langes soziales Sterben, z.B. im Pflegeheim, das ökonomische Kapital der Familie zu sehr belastet.
Ein zu spätes Sterben wird — von manchen — als Verschwendung von sozialem und ökonomischem Kapital angesehen.
„Soziale Akzeptanz scheint sich nicht mit der persönlichen Akzeptanz des Todes in Deckung bringen zu lassen.“ (Bednarz 2003, 81)
Diese begrenzte Rationalität wird durch Untersuchungen belegt, in denen Einstellungen und Meinungen über Lebensrisiken und Todesursachen mit objektiven Tatsachen verglichen werden (vgl. Seale 2002a, 44 ff).
In Deutschland und in den meisten anderen westlichen Industriestaaten tritt die Mehrheit der Menschen schon seit vielen Jahren für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ein (vgl. Scherer/Simon 1999, 112 ff).
Wissen über Recht und Medizin wurde auch wohlweislich nicht in den Kanon deutscher und anderer europäischer allgemeinbildender Schulen aufgenommen.
Vgl. zur Soziologie der aktiven Sterbehilfe: Böttger 1995, 2000; Feldmann 1995b.
Armstrong (2002, 85 ff) spricht von der veränderten Erwartung, die an Schwerstkranke und Sterbende gerichtet wird: „confessing death“.
Eine in den 80er Jahren in deutschen Krankenhäusern durchgeführte Befragung des Personals ergab, dass 62 % meinten, dass lebensverlängernde Maßnahmen zu häufig angewandt werden (George et al. 1989).
„Ideologiekritisch darf man durchaus die Frage stellen, ob die schöpfungstheologisch begründete Tabuisierung der Selbsttötung in unserer Kultur nicht nur den Hintersinn hatte (oder diesem diente), die heteronome Verfügung über das individuelle Leben nach den jeweils herrschenden religiösen und politischen Prioritäten und Interessen sicherzustellen.“ (Kodalle 2003, 15 f)
Ähnlich wie das „Sterbehilfeprivileg“ existiert auch ein „Selbsttötungsprivileg“ (vgl. Erlemeier 2002, 165).
Da es in Deutschland bisher keine auch nur halbwegs repräsentativen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über Schmerztherapie, Hospize oder Palliativstationen gibt, ist die These unbewiesen.
In dem Zusammenhang sei auf ein zum Nachdenken anregendes Fakum hingewiesen: Die Suizidrate für alte Menschen ist in Deutschland zwei- bis dreimal so hoch wie in den Niederlanden.
Nach einer Untersuchung aus den 90er Jahren in den USA treten ca. 50 % der Katholiken dafür ein (Gilbert 1997).
Legalisierung würde in Deutschland wahrscheinlich bedeuten, dass die grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Tötung auf Verlangen erhalten bleibt, jedoch unter stark kontrollierten Bedingungen von Strafe abgesehen wird.
Amerikanische Untersuchungen zeigten, dass die Art und Intensität der Behandlung von schwerstkranken und sterbenden Patienten ziemlich unabhängig von ihren Wünschen und Präferenzen erfolgt (vgl. Scherer/ Simon 1999, 36).
Rights and permissions
Copyright information
© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Feldmann, K. (2004). Der gute Tod, Euthanasie und Sterbehilfe. In: Tod und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95682-8_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95682-8_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14297-5
Online ISBN: 978-3-322-95682-8
eBook Packages: Springer Book Archive