Zusammenfassung
Die Differenzierungen der Begriffe von Sterben und Tod, die in der wissenschaftlichen Literatur zu finden sind, ergeben sich vor allem aufgrund der Spezialisierung und Professionalisierung, nicht so sehr aus einer strukturellen Betrachtung der Gesellschaft und des modernen Bewusstseins.10 Außerdem ist generell eine Biologisierung und Medizinisierung der Begrifflichkeit festzustellen. Somit sollten Sozialwissenschaftler die vorhandene Begrifflichkeit mit kritischer Distanz nutzen, vielleicht manche Instrumente „resozialisieren“ und das semantische Feld von Sterben und Tod gemäß theoretischen Überlegungen über soziale Prozesse und Strukturen erkunden.
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Literatur
Walter (1993, 131) nennt die in der neuen Säkularisierung und in der New-Age-Bewegung enthaltene Forderung, seinen Gefühlen vor allem bei Trauer offen Ausdruck zu geben, „expressivism“.
Kriz (1999, 129) nennt die drei personellen Ebenen: bio-somatisch, kognitiv-emotional und interaktionell.
Freud, Popper, Elias, Luhmann und andere haben ähnliche Realitätsebenen, Systeme oder Perspektiven konstruiert (vgl. z.B. Haller 1999, 514 ff).
Vgl. zur sozialkonstruktivistischen Position in der Thanatologie Rosenblatt 2001.
Schneider (1999, 10 ff) spricht z.B. von „Deutungsmanagement“ und von einem gesellschaftlichen Definitionsprozess: „Diskurse, verstanden als „Flüsse von sozialen Wissensvorräten durch die Zeit“ (Jäger 1999, S. 158), produzieren, dabei verschiedenen Interessen folgend, auf je eigene Art soziale Wirklichkeit.“ (ebd., 12)
Nach Lindemann (2001, 319) bedeutet die durch einen Arzt erfolgende Feststellung des (physischen) Todes: „Die Mitgliedschaft in der Staatsorganisation und der damit eng zusammenhängende Status als soziale Person erlischt. In diesem Sinn ist der physische Tod der soziale Tod.“
Durch das Strafrecht kann soziales Sterben produziert werden (z.B. lebenslängliche Freiheitsstrafe) oder es kann Personen, die andere zu sozialen Sterbeprozessen zwingen, Strafe angedroht werden (z.B. jemanden gegen seinen Willen privat gefangen zu halten).
“ Die alte Mächtigkeit des Todes, in der sich die Souveränität symbolisierte, wird nun überdeckt durch die sorgfältige Verwaltung der Körper und die rechnerische Planung des Lebens.” (Foucault 1977b, 166 f)
vgl. „the body… a last retreat“ in Shilling 1993, 182.
Vgl den Abschnitt „Seele — sozialwissenschaftlich betrachtet“.
Angesichts der Labilität des Sozialteils und des langwierigen physischen Sterbens (allmähliche Zerstörung des Körpers im Alter) könnte die private Konstruktion einer stabilen („unsterblichen“ ) Seele kompensatorische Funktionen erfüllen.
Die moderne Instrumentalisierung des Körpers hat die normative Körperkonstruktion zurückgedrängt. Kollektive normative Körperbilder waren in traditionalen Kulturen vorzufinden — z.B. wurden die Gebeine eines Verstorbenen mit denen anderer vereinigt.
vgl. den Bericht über die entsprechenden utopischen Vorstellungen von Moravec und Tipler bei Fröhlich 1998.
Klass und Walter (2001, 435 ff) berichten über die reichhaltige englischsprachige wissenschaftliche Literatur, die die vielfältigen Interaktionen der Lebenden mit den Toten, vor allem der Witwen, dokumentiert. Die herrschende medizinisch-naturwissenschaftliche Aufklärungsideologie trägt dazu bei, dass diese Erfahrungen verdeckt und marginalisiert kommuniziert werden.
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Feldmann, K. (2004). Theoretische Strukturierung des Arbeitsfeldes. In: Tod und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95682-8_3
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