Zusammenfassung
Der „typische“ Selbstmörder ist ein alter, „weißer“, sozial isolierter, depressiver und alkoholabhängiger Mann (vgl. Maris et al. 2000, 79). Allerdings gibt es auch viele „untypische“ Suizidfälle. In einem Teil der westlichen Staaten, z.B. in den USA, wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine Zunahme der Suizide und Suizidversuche der 15- bis 24-jährigen Männer festgestellt (Cantor 2000).
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Literatur
Dieses Problemlösungsinventar gilt für die meisten nur in extremen Notfallen, so dass zwar Suizidgedanken immer wieder auftauchen, jedoch ein vollzogener Suizid sehr selten ist.
Diese These der Pluralität und Vielfalt des Suizids ist vor allem als Antwort auf die häufig zu hörende Behauptung zu geben, dass Suizid fast ausschließlich durch psychische Erkrankung und hier wieder vor allem durch Depression verursacht sei und sich somit eine soziologische Ursachenforschung als akademische Elfenbeinturmtätigkeit erweise.
Eine Reihe von Untersuchungen haben eine positiven Zusammenhang zwischen Aggressivität und selbstzerstörerischem Verhalten feststellen können (vgl. Apter/Freudenstein 2000, 267 f).
Ein psychoanalytischer Ansatz über den Zusammenhang zwischen Selbst- und Fremdaggression, Todes- und Tötungswünschen stammt von Menninger (1974).
Erlemeier (2002, 49) berichtet aus den Ergebnissen einer Berliner Studie: „Für 15 % der Population über 70 Jahren ist das Leben nicht mehr lebenswert und 5 % äußern den Wunsch, tot zu sein.“
Da sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in den vergangenen hundert Jahren gravierend verändert haben, muss auch der Integrationsbegriff überdacht werden. Heute sind teilweise viele schwache Beziehungen zu Personen, die unterschiedlichen Gruppen und Räumen angehören, beruflich und privat stabilisierender als wenige starke lokale clanorientierte Beziehungen (vgl. Bille-Brahe 2000, 203).
vgl. zur neueren Durkheim-Forschung: Lester 1994a.
Beispiel: Eine Person ist promoviert und Sozialhilfeempfänger oder Taxifahrer.
“The main theme of this individualism is not permissiveness for self-indulgence but a sense of mission and obligation to act with maximum responsiblity in contributing to the good society.“ (Parsons/Lidz 1967, 163)
Man vergleiche diesen Ansatz mit der Narzißmus-These: Ist der Suizident jemand mit Ich-Stärke oder mit Ich-Schwäche, mit starkem oder schwachem Selbstwertgefühl?
„Spitzenverluste“ sind z.B. der Tod des eigenen Kindes oder die Identifikation eines hochrangigen Bürgers als Verbrecher.
Ringel (1953), dessen Theorie lange Zeit großen Einfluß ausübte, bezeichnete Suizidenten als unreif und asozial.
Dem widerspricht Bronisch (1995, 120): „Die empirische Forschung hat gezeigt, dass .... Suizid und Suizidversuch meist Impulshandlungen darstellen.“
Vgl. zur Geschichte des Suizids Minois 1996; Baumann 2001.
In einer Studie, in der alle Suizide in England und Wales, die in zwei Jahren auftraten, untersucht wurden, ergab sich, dass 24 % (und nicht 90 %) dieser Personen innerhalb eines Jahres vor der Tat Kontakt mit psychiatrischen Einrichtungen hatte (Appleby et al. 1999).
Vgl. http://www.heise.de/newsticker/meldung/26965; http://www.netdoktor.de/feature/web_depression.htm; http://www.kompetenznetz-depression.de/ (14.4.2004)
In einer Befragungsstudie in amerikanischen Altenheimen benutzten „von denen, die unter die Gruppe der Heimbewohner mit suizidalen Tendenzen fielen (1 % der Gesamtbewohnerschaft), ... 80 % indirekte selbstschädigende Methoden wie Nahrungsverweigerung, Vernachlässigung der Medikamenteneinnahme u. a.“ (Erlemeier 2002, 53)
Vgl. zu einer problematischen empirischen soziologischen Prüfung des Zusammenhanges zwischen der Akzeptanz des „rationalen Suizids“ und der Akzeptanz des „nichtrationalen Suizids“ Stack 1999.
Die Aufrechterhaltung von Selbstkontrolle wird von vielen als zentrales Kriterium für ein „gutes“ Sterben angesehen (Pool 2004).
Die hochkomplexe Problematik der Suizidprävention kann z.B. in Hawton/ Heeringen (2000, 585 ff) studiert werden.
Moderne Antidepressiva erbringen gute Therapieerfolge. Doch leider ist das deutsche Gesundheitssystem in vielen Fällen nicht in der Lage, den Betroffenen eine angemessene Therapie zu ermöglichen.
Einen Bericht über die theoretischen und methodischen Probleme von Studien über Wirkungen von Suiziden und Suizidversuchen gibt Mcintosh (2003).
Die Entstehung und offensichtlich starke Nutzung von Suizid-Internetforen kann auch so gedeutet werden, dass im normalen von Kontrollprofessionellen beherrschten Gesellschaftsfeld keine offene Kommunikation zugelassen wird.
“Was bezüglich der Geburtenkontrolle stattgefunden hat, ist gleichermaßen für die Todeskontrolle erforderlich.“ (Fletcher 1977, 352; Übersetzg. K.F.)
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Feldmann, K. (2004). Suizid. In: Tod und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95682-8_10
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