Zusammenfassung
Wer sich gegenwärtig auf die Erforschung der Ursachen des massiv auftretenden Rechtsextremismus im vereinigten Deutschland einläßt, ist zunächst mit einer Vielzahl von Publikationen konfrontiert. Man betritt kein „Neuland“ mehr und braucht sich über einen Mangel an (Vor-)Arbeiten keineswegs zu beklagen. Eher verwundern dürfte jedoch die Qualität und wissenschaftliche Seriosität mancher Publikationen, die im Zuge rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten als journalistische oder wissenschaftliche „Schnellschüsse“ auf den Markt drängen, um möglichst rasch eine scheinbar ohnmächtige Öffentlichkeit und offensichtlich überforderte Politik mit Antworten und Erklärungen zu versorgen (vgl. z.B. Literaturbericht bei Wahl 1995). Bedenklich sind besonders solche Studien zum Rechtsextremismus, die „mit emotionalen und gesinnungsethischen Bewertungen geradezu überfrachtet sind“ und deren Befunde „häufig direkt in politische Handlungsanweisungen übersetzt“ werden (Kowalsky/Schroeder 1994: 8). Die hieraus vielfach resultierende verzerrte Sichtweise ist nach Kowalsky/Schroeder das „Ergebnis fehlender analytischer und methodischer Klarheit sowie selbstverschuldeter Ausfluß des politischen Willens zur Dramatisierung und Dämonisierung“. Genau dies zeigt die kritische Meta-Analyse von Thomas bliche (im vorliegenden Band), die die wesentlichen Gründe hierfür in der konzeptionellen Unklarheit und Beliebigkeit der Erklärungsangebote vieler Studien sieht. So werden häufig unabhängige, intervenierende und abhängige Variablen konfundiert und nicht deutlich voneinander getrennt oder widersprechen sich sogar. Auch Maßnahmeempfehlungen arbeiten oft ohne klare Maßstäbe, schreiben in ihrer mangelnden Reflektiertheit bestehende Disziplinierungsinstitutionen wie z.B. Justiz. Strafrecht oder Sozialarbeit fest und vermitteln der Öffentlichkeit damit eine Kontrollillusion und verschaffen den Akteuren,.sekundäre Devianzgewinne“ durch Prestige und Ressourcen. Die Vielzahl von Publikationen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Rechtsextremismusforschung keineswegs auf empirisch gesichertem Boden steht. Der wissenschaftliche Diskurs ist Abbild der öffentlichen Diskussion und trägt. wie Küche zeigt, durch die Kombination von Merkmalen wie Jugend. Gewalt und Fremdenfeindlichkeit zur Legitimation einer gesellschaftlichen Konstruktion „des“ Rechtsextremismus bei. Statt dringend erforderlicher Differenzierung herrscht undifferenzierte Pauschalisierung vor. Es überrascht daher nicht, daß in jüngster Zeit Publikationen erschienen sind, die explizit zur..Dekonstruktion des Rechtsextremismus“ auf der Grundlage theoretisch und empirisch fundierter Forschungen beitragen (so z.B. Willems u.a. 1993; Otto/Merten 1993; Kowalsky/Schroeder 1994).
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Literatur
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Heiland, HG., Lüdemann, C. (1996). Einleitung. In: Heiland, HG., Lüdemann, C. (eds) Soziologische Dimensionen des Rechtsextremismus. Im Auftrag der Sektion „Soziale Probleme und soziale Kontrolle“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95645-3_1
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