Skip to main content

Zwischen Weltanschauung und Wissenschaft — Transformationen des Systembegriffs in der »Weimarer Kultur«

  • Chapter
Allgemeine Systemtheorie

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS,volume 164))

  • 243 Accesses

Zusammenfassung

Die Anfänge des von der Allgemeinen Systemtheorie kodifizierten Systembegriffs reichen in das intellektuelle Milieu der 20er und 30er Jahre dieses Jahrhunderts zurück, in eine Zeit, in der die destruktiven Folgen kriegstechnisch angewandter Wissenschaft zu Bewußtsein kommen, in der selbst im Bereich naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung der positivistische Optimismus des 19. Jahrhunderts ins Wanken gerät, in der die Hoffnung gradliniger gesellschaftlicher Aufklärung durch positive Wissenschaft sich an manifest gewordenen sozialen Widersprüchen bricht. Dies ist die Zeit, in der ganzheitliche Kosmologien und organizistische Soziallehren auf Resonanz stoßen, in der kultur- und geschichtsphilosophische Pessimismen heranwachsen, in der neue Weltbilder gefragt sind, um die wissenschaftlichen Revolutionen seit der Jahrhundertwende zu interpretieren. Wie in der langen Vorgeschichte des modernen Systembegriffs gehen auch in den Ordnungsidealen und den bevorzugten Analogien der Weimarer Philosophie Logik, Erkenntnistheorie und soziale Projektionen ineinander über. Die universell wiederkehrenden Topoi der organischen Ganzheit und Synthese übernehmen sinnversichernde Funktionen, die von der politischen Journalistik bis in die Fundamentalphilosophie hineinreichen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Zur Vorgeschichte und Charakterisierung der Weimarer Kultur« s. Ringer 1969.

    Google Scholar 

  2. Wie es in Gay 1968, 4. Kap., für den weitergefaßten kulturellen Zusammenhang heißt.

    Google Scholar 

  3. S. zu diesem »Aufforderungscharakter« etwa Lewin 1926, 317.

    Google Scholar 

  4. Ringer 1969, 346. Auf die Vorbereitung dieses Diskurses in der Physik des ausgehenden 19. Jahrhunderts weist Cassirer 1951, 218, hin.

    Google Scholar 

  5. Troeltsch 1921. Zur »fatalen Karriere«, die der zuerst von Kant im Kontext der ästhetischen Kategorie des Erhabenen eingeführte Terminus des »Weltanschauung« seit der Jahrhunderwende übernimmt, s. Blumenberg 1986, 9f. Zur dadurch bewirkten Verkürzung des klassischen philosophischen Systembegriffs um das Moment der Erfahrung s. Riedel 1978, 51 ff. Plessner 1935, hier 41, führt das Vordringen von »Weltanschauungen« in die Philosophie, Wissenschaft und Politik auf Defizite der deutschen politischen Kultur zurück.

    Google Scholar 

  6. Bense 1951, 31ff. Benses Darstellung macht deutlich, daß es sich hier um ein internationales Phänomen handelt. In diesem Sinn heißt es in einem Bericht über den VII. Internationalen Philosophenkongreff in Oxford in Erkenntnis Bd. I (1930/31), 415: »Nicht wenige Vorträge - namentlich unter den angelsächsischen Referaten - waren allzu sehr im Gedankenstil der traditionellen Schulphilosophie gehalten: meist metaphysisch auslaufend, spiritualistisch getönt, sanft theologisch gefärbt.«

    Google Scholar 

  7. Die politische Semantik des Systembegriffs hat mit anderen Worten Teil an jenem »Übergang vom Stimmungskult zur Kultstimmung«, den Klaus Heinrich 1979 aufgezeigt hat.

    Google Scholar 

  8. Heidegger 1938, 103. Daran kann dann der Überwindungsgestus einer Systemtheorie anknüpfen, die für den Subjektbegriff »keine Verwendung« mehr hat (Luhmann 1984, 51).

    Google Scholar 

  9. Hierauf hat Blumenberg (1986, 17) aufmerksam gemacht.

    Google Scholar 

  10. Moscovici 1977, 102ff. Ich komme auf diese Aktualität im Kontext der »Substruktion« von Erfahrung durch die Verfahren der Computersimulation (1 1. Kap, Abschn. 4) zurück.

    Google Scholar 

  11. Wie Habermas 1965, 150ff. annimmt - »übrigens das sehr gewöhnliche Mißverständnis der transzendentalen Epoché« (Husserl 1936, 179f.).

    Google Scholar 

  12. Wie Bertalanffy 1949 sein am weitesten verbreitetes Werk überschreibt.

    Google Scholar 

  13. Wie es noch in Bertalanffy 1961–64, 119 ti. 102 heißt.

    Google Scholar 

  14. vgl. die in Erkenntnis Bd. 2 (1931) und Bd. 6 (1936) protokollierten Diskussionen sowie insgesamt Frank 1932, Kap. VII. Für spätere Stellungnahmen s. Bunge (ed.) 1967, darin insbes. Bunges Einleitung und Poppers klassische Kritik der Kopenhagener Deutung der Quantenphysik, sowie Feyerabend 1968/69, der konsequent zwischen dem physikalischen und spekulativen Moment der Thesen Heisenbergs bzw. Bohrs unterscheidet. Vgl. Holton 1981, 188ff

    Google Scholar 

  15. Zu den philosophischen, sozialen und kulturellen Gründen der Breitenwirkung der Kopenhagener Deutung s. Cushing 1994.

    Google Scholar 

  16. Auf dieser (bis zu Leibniz zurückreichenden) relationistischen Ontologie beniht Luhmanns (1984, 42f.) Definition eines Systems als Relation von Relationen, die eine ‘radikale’ »De-ontologisierung« des Elementansatzes ermöglichen soll. Vgl. unten, 287, Fn. 28.

    Google Scholar 

  17. Der allerdings unter den «Biologen mit dieser Überzeugung ziemlich allein zu stehen scheint« (Jordan 1934, 214 und 216).

    Google Scholar 

  18. Wittgenstein 1921, Sätze 5.6 ff. - mit der Folgerung: »Die Welt und das Leben sind Eins.«

    Google Scholar 

  19. Carnap 1928, XX.; vgl. Carnap, Hahn Neurath 1929, 85: »So zeigen zum Beispiel die Bestrebungen zur Neugestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, zur Vereinigung der Menschheit, zur Erneuerung der Schule und der Erziehung einen inneren Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Weltauffassung.«

    Google Scholar 

  20. Carnap 1928, X1 (Vorwort zur 2. Aufl.).

    Google Scholar 

  21. Carnap 1928, XIX. Heidegger hielt es einer von Pöggeler 1983, 340f., mitgeteilten Notiz zufolge für »kein(en) Zufall, daß diese Art Philosophie ‘im inneren und äußeren Zusammenhang’ stehe mit

    Google Scholar 

  22. S. die Chronik in Erkenntnis Bd. 1 (1930/31), 72ff. Bertalanffy ist hier als Mitglied einer Studiengruppe unter Leitung Carnaps angeführt, die »durch Referate mit anschließenden Diskussionen, insbesondere über die neueren Methoden, Probleme, Begriffsbildungen in den verschiedenen Fachgebieten (versucht), eine Annäherung der Fachwissenschaften und eine Klärung ihrer Stellung im Rahmen der Gesamtwissenschaft herbeizuführen.«

    Google Scholar 

  23. An diesem Problem scheiterte wenig später Talcott Parsons’ erster Anlauf zu einer allgemeinen Gesellschaftstheorie (1937, 31 ff.) - an der Frage nämlich, wie sich ein als organisches Ganzes aufzufassendes soziales System in analytische Handlungseinheiten zerlegen lasse, ohne seine »emergenten Eigenschaften« zu zerstören. Entgegen dem Anspruch einer analytischen Theorie werden Handlungseinheiten und soziales System lediglich »empirisch« zugeordnet. Für Fälle dieser Art hatte Carnap 1928, 94ff., das Verfahren einer »Quasianalyse« vorgeschlagen. Vgl. unten, 13. Kap., Abschn. 3, hier Fn. 34.

    Google Scholar 

  24. Eine weitere folgenreiche Eigenschaft der mengentheoretischen Konstitution lag in Russells und Whiteheads typentheoretischer Ausschaltung imprädikativer Begriffsbildungen: wenn danach eine Menge nicht durch Bezug auf eine Gesamtheit definiert werden darf, der sie selbst angehört, wird es offenbar schwierig, ein System durch seine »Selbstleistungen« zu erklären - ein Problem, das für die Diskussion der gegenwärtigen » autopoietischen« Systemtheorie von höchster Bedeutung ist.

    Google Scholar 

  25. Carnap, Hahn & Neurath 1929, 81. Das antiautoritäre Engagement des logischen Empirismus wird in der Regel übersehen; eine Ausnahme macht Kolakowski 1966, bes. 208f., eine insgesamt vorzügliche Darstellung des hier interessierenden Zusammenhangs.

    Google Scholar 

  26. Forman 1971 hat versucht, die Annahme einer quantenphysikalischen Akausalität und den Verlust deterministischer Sicherheiten auf den sozialen Hintergrund der Weimarer Republik zu beziehen; s. ferner Northrop 1949, Ch. XIX. und Schumacher 1937.

    Google Scholar 

  27. Frank 1946, 499. Die Funktion der Ganzheitsmetaphorik im Bereich der totalitären Staatstheorie hat Marcuse 1934 analysiert, wobei er die ideologische Ausformung dieses Vokabulars bei Forst-hoff, Litt, Freyer, Spranger, Rothacker u.a. von den »echten Ansätzen zu neuen philosophischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen (etwa in der Gestalttheorie)« abgrenzt; vgl. Marcuses Rezension des damaligen Stands der Ganzheitspsychologie in Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. 5 (1936), 121–124

    Google Scholar 

  28. Ein deprimierendes Zeugnis der völkischen ‘Säuberung’ des Ganzheitsbegriffs ergibt der Vergleich zwischen der ersten vor und der zweiten nach 1933 erschienenen Auflage von Friedrich Alverdes Die Totalität des Lebendigen,den K. Gebhard im selben Jahrgang der Zeitschrift (S. 113f.) vornimmt: Selbst um den Preis sprachlicher Entstellung sind in der zweiten Auflage die Namen der zumeist jüdischen Urheber der Gestalttheorie getilgt.

    Google Scholar 

  29. Frank 1935, 79 u. 69; vgl. ebd., 67, sowie Zilsel 1935, 64, und die Beiträge Neuraths, Schlicks und Reichenbachs (der eine offenere Haltung gegenüber Jordan einnahm). Maßgeblich für die logisch-positivistischen Einwände gegen den Begriff der Ganzheit bzw. der Gestalt und nach wie vor hilfreich sind Schlick 1938 u. Grelling & Oppenheim 1938.

    Google Scholar 

  30. Horkheimer 1931, 25. Einige der lange Zeit ignorierten, trotz aller Divergenzen und Mißverständnisse gemeinsamen Intentionen des Logischen Empirismus des Wiener Kreises und der frühen Frankfurter Schule hat jetzt Dahms 1994 herausgearbeitet, allerdings ohne Seitenblick auf die parallel entstehende Systemtheorie.

    Google Scholar 

  31. Horkheimer 1937, 109; vgl. Horkheimers »Bemerkungen über Wissenschaft und Krise« (1932).

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1996 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Müller, K. (1996). Zwischen Weltanschauung und Wissenschaft — Transformationen des Systembegriffs in der »Weimarer Kultur«. In: Allgemeine Systemtheorie. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 164. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95633-0_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95633-0_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12798-9

  • Online ISBN: 978-3-322-95633-0

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics