Zusammenfassung
Nach anfänglicher Euphorie ist die Wahrnehmung des zu Beginn der 1990er Jahre initiierten nahöstlichen Friedensprozesses inzwischen einer ambivalenten Einschätzung gewichen. Auf der einen Seite hat man sich nicht nur an die Existenz des Friedensprozesses als eine Selbstverständlichkeit gewöhnt, sondern auch daran, daß er bereits substantielle Resultate erbracht hat. Auf der anderen Seite häufen sich Befürchtungen, daß der Friedensprozeß trotz allem scheitern könnte. Zunächst schreckten 1995 Terroranschläge extremistischer israelischer und arabisch-palästinensischer Gruppierungen, die gegen den Friedensprozeß gerichtet waren (Ermordung Yitzhak Rabins, Selbstmordattentate palästinensischer Fundamentalisten im israelischen Kernland), die internationale Öffentlichkeit auf. Doch der Friedensprozeß wurde nicht nur von Gruppierungen beschädigt, die diesen von vorneherein kompromißlos ablehnten. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die nach der Ermordung Rabins eingesetzte Regierung Schimon Peres’ weigerte sich, die gemäß Oslo II (Annex I, Artikel 7) eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen hinsichtlich des Abzugs aus Hebron einzuhalten. Weiterhin kam es am 25. September 1996 zu einem Schußwechsel zwischen palästinensischen Polizisten und israelischen Soldaten (Usher 1996a).
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Literatur
Auf den sich seit Herbst 2000 anbahnenden Niedergang des Friedensprozesses wird in Kapitel 8 gesondert einzugehen sein.
Der im Mai 1996 zum israelischen Premierminister gewählte Likudpolitiker Netanjahu betonte stets, daß Israel im Rahmen des Osloer Vertragswerkes zu viele sicherheitspolitisch relevante Kompetenzen an die PA abgegeben habe, beteuerte aber gleichzeitig, daß er sich an die Verträge gebunden fühle (Netaniahu 1996: 146).
Noch in der Nacht nach dem Schußwechsel ordnete Arafat an, daß die Polizei nur feuern dürfe, um sich selbst zu verteidigen (Usher 1996a: 3).
“Protocol Concerning the Redeployment in Hebron” vom 17. Januar 1997.
In Annex 1, Artikel 5, Absatz 3, Punkt 8 von Oslo II ist festgehalten, daß sich Israel aus Zone C mit Ausnahme “der Streitpunkte der Verhandlungen über den dauerhaften Status und der allgemeinen Zuständigkeit für Israelis und Grenzen” zurückzieht.
“Prinzipienerklärung fiber vorübergehende Selbstverwaltung”, Artikel 5.
? Ein ähnlich gearteter Streit entbrannte im Dezember 1997 über die Frage, ob der von der PA durchgeführte Zensus auch die arabische Bevölkerung Ostjerusalems einschließen dürfe (Brynen 2000: 147).
Darüber hinaus ist in Artikel 7 von Annex 5 festgehalten, daß sich Israel (wie die PA) um die Aufrechterhaltung eines normalen Arbeitskräftestroms zwischen Israel und den palä-stinensischen Gebieten bemühen.
Die Feststellung, daß die jüdische Siedlungspolitik nicht gegen die Bestimmungen von Oslo verstößt, impliziert keine Aussagen über die völkerrechtliche Beurteilung dieser Praxis (siehe hierzu auch Beck 2000b).
ÖDas 1998 verfaßte Hintergrundpapier fand sich auch noch im August 2000 auf der offiziellen Homepage des israelischen Außenministeriums.
Der Rückgang des Wachstums in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gründet in Ursachen jenseits des Friedensprozesses (Sagi 1999: 118).
Um Israel stärker entgegenzukommen, wäre es denkbar gewesen, zusätzlich die USA einzuschalten.
Während der Verhandlungen in Scharm asch-Scheich im August 2000 hat Barak zum ersten Male die Bereitschaft signalisiert, fiber 0stjemsalem zu verhandeln. Hierauf wird in Kapitel 8 einzugehen sein.
Für eine allgemeine theoretische Darstellung dieses Zusammenhangs siehe Zürn (1992: 194).
In den Wochen vor der Entscheidung, im Mai 1999 den Staat nicht auszurufen, unternahm Arafat Reisen in nicht weniger als 56 Länder (Usher 1999b).
Für den Mai 1999 siehe hierzu Usher (1999b); für den September 2000 siehe Hammond (2000) und Neff (2000).
Somit überrascht es nicht, daß die US-Administration unter Führung von Präsident Clinton und Außenministerin Albright während der Amtszeit Netanjahus auf Israel zwar starken diplomatischen Druck ausiibten: Clinton ging soweit, Netanjahu bei dessen US-Besuch ein Treffen zu verweigern. Doch die gesellschaftliche Unterstützung für Israel erlaubte es der Regierung nicht, die US-amerikanischen Rentenzahlungen an eine Änderung der israelischen Palästinapolitik zu knüpfen (Kidron 1997: 6; Neff 1997).
Zwischen 1978 und 1995 pendelte die Unterstützung der israelischen Bevölkerung für das Hauptziel der Siedlungsbewegung, nämlich die Expansion der Siedlungen, zwischen einem knappen Drittel und etwas mehr als der Hälfte (Weissbrod 1996: 90).
Ca. drei Viertel bewohnen aus pragmatisch-finanziellen Gründen die großen Siedlungsblocks in Gebieten unweit der Grünen Grenze, d.h. nahe den Gebieten Israels in den Grenzen von 1949: Gush Etzion (südlich von Jerusalem), Gush Adumim (östlich von Jerusalem) und Ariel (nahe Tel Aviv) (Makovsky 1999; siehe auch Kass/O’Neill 1997: 76f).
Ein nicht unerheblicher Teil dieser privaten Mittel waren private Spenden aus dem Ausland, vor allem den USA (Kass/O’Neill 1997: 170f).
Erste Beobachtungen lassen darauf schließen, daß Baraks Siedlungspolitik von der Linie seiner Vorgänger nicht entscheidend abweicht (Usher 1999c: 6).
Aufgrund der hohen Geburtenrate bei den arabischen Staatsbürgern Israels fällt deren Anteil an der Wahlbevölkerung allerdings geringer aus.
Jerusalem Media and Communication Centre.
Das Tami-Steinmetz-Zentrum ist an die Universität von Tel Aviv angegliedert.
Noch stärker ausgeprägt ist die Zurückhaltung der israelischen Öffentlichkeit im Falle Syriens. Der “syrische Index” bewegte sich zwischen Juni 1994 und Mai 2000 nur um die 40% (Tami Steinmetz Center 2000).
Einen direkten Vergleich mit jenen Zahlen anzustrengen, die der “Israeli-Palestinian People to People Peace Index” über die Zustimmung zum Friedensprozeß vermittelt, verbietet sich, denn beim Index haben die Befragten nicht die Möglichkeit, sich als unentschieden zu bezeichnen.
Allerdings würde die PA, was die öffentliche Meinung angeht, einer Eihebung des palästinensischen Forschungsinstituts CPRS (2000: Frage 18) zufolge hierfür auch nicht belohnt werden, denn die Hälfte der Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen sprachen sich einer von Ende v1ärz bis Anfang April durchgeführten Meinungsumfrage gemäß gegen gewaltsame Übergriffe auf ”israelische Ziele“ aus, während sie ”nur“ 44% unterstützten. Gleichwohl ist zu beachten, daß die Annahme berechtigt ist, ein geringes Engagement der PA bei der Anti-Terrorpolitik würde zu einer Befriedung der Opposition beitragen.
Die Siedler der Golanhöhen dagegen wählten überdurchschnittlich stark die Arbeitspartei. Dies erklärt sich damit, daß dort der Typus des — im Sinne des Allon-Plans — sicherheitspolitisch motivierten Siedlers nach wie vor stark vertreten ist.
Ähnliche Erwägungen mögen erklären, weshalb die unmittelbar nach der Ermordung Rabins sprunghaft ansteigende Unterstützung für den Friedensprozeß von der Regierung Peres’ nicht genutzt wurde, um gegen das extremistische nationalreligiöse Lager, aus dessen Mitte Rabins Mörder Jigal Amir entstammte, Front zu machen.
Für einen Überblick über das Problem des israelischen “Kulturkampfes” siehe auch Hofmann (1999).
Siehe hierzu ’die von Reuven Hazan und Abraham Diskin (2000: Tabelle 5) durchgeführten Meinungsumfragen. Allerdings ist bei den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten die sozioökonomische Dimension völlig ausgeblendet, d.h. Hazan und Diskin schließen aus, daß Wahlpräferenzen durch wirtschafts- oder sozialpolitische Fragen geprägt werden können.
Auch bei den Direktwahlen zum Ministerpräsidenten 1999 wurde Netanjahu überpropor-tional stark von religiösen Juden gewählt: So konnte er in Jerusalem fast zwei Drittel aller Stimmen auf sich vereinen, während er im säkular geprägten Tel Aviv Barak klar unterlag und kaum mehr als ein Drittel der Stimmen erhielt (Hazan/Diskin 2000: Tabelle 2).
Bei den Knessetwahlen profitierte von der Politisierung der Ultra- Orthodoxen nicht der Likud, sondern das nationalreliöse Lager sowie die Schass als Vertreterin der kulturell und sozial marginalisierten (ultra)orthodoxen Juden orientalischer Herkunft (Wolffsohn/Bokovoy 1996: 87–92; Hofmann 1999: 183f) .
Dies schließt natürlich nicht aus, daß dieser langfristige Trend durch Turbulenzen im Friedensprozeß temporär zurückgedrängt wird.
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Beck, M. (2002). Der Friedensprozeß in den 1990er Jahren. In: Friedensprozess im Nahen Osten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95631-6_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95631-6_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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