Zusammenfassung
Die deutsche Parteienforschung hat bis in die letzten Jahre hinein in räumlicher Hinsicht ihr Hauptaugenmerk auf die nationale Ebene gerichtet1. Diese »Bonn-Fixierung« mag u. a. damit zusammenhängen, daß sie weithin ein von Klassikern wie Robert Michels und Anthony Downs vertretenes zentralistisches Organisationsund Politikverständnis teilt2. Folgt man diesem »Zentralisierungsmythos«3, so verkörpern die Parteien monolithische, hierarchisch strukturierte Blöcke. Davon abweichende Erscheinungen werden nur wahrgenommen, wenn sie als Fragmentierungen auf Bundesebene in Form von innerparteilichen Gruppenbildungen oder Spannungen zwischen Partei und Fraktion auftreten4. So konnte es nicht ausbleiben, daß die länderbezogene Organisations- und Politikwirklichkeit der Parteien von der Forschung wenig beachtet wurde. Ist es auf einen sichtbar werdenden Bedeutungszuwachs der im Schatten der Bundespolitik stehenden Landespolitik zurückzuführen, daß sich dies zu ändern beginnt? Neue Untersuchungen bestätigen die Beobachtung, daß die Parteien auf der Landesebene nicht nur als eigenständige Organisationen oder als Gliederungen von Bundesverbänden präsent sind, sondern auch in einer eigenen Art und Weise Politik gestalten können5. Die bislang vorliegenden Untersuchungen reichen jedoch nicht aus, um ein einigermaßen differenziertes und vollständiges Bild von den Parteien in der Landespolitik zeichnen zu können.
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Literatur
Oskar Niedermayer/Richard Stöss registrieren ein Forschungsdefizit über Parteien auf lokaler und regionaler Ebene. Dieses wird auch belegt durch den von ihnen herausgegebenen Sammelband: Stand und Perspektiven der Parteienforschung in Deutschland, Opladen 1993, S. 16.
Vgl. Robert Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, Stuttgart 1911;
Anthony Downs, Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968.
Peter Haungs, Bilanz der Parteiendemokratie in der Bundesrepublik, in: ders. /Eckhard Jesse (Hrsg.), Parteien in der Krise?, Köln 1987, S. 93.
Vgl. Ferdinand Müller-Rommel, Innerparteiliche Gruppierungen in der SPD, Opladen 1982;
Wolfram Höfling, Funktionsprobleme des Vereinigungssystems in der CDU, in: Heino Kaack/ Reinhold Roth (Hrsg.), Handbuch des deutschen Parteiensystems, Bd. 1, Opladen 1980, S. 153–175; Uwe Thaysen, »Fraktionsstaat« — Oder was sonst?, in: P. Haungs/E. Jesse (Anm. 3), S. 231–236.
Vgl. Josef Schmid, Die CDU. Organisationsstrukturen, Politiken und Funktionsweisen einer Partei im Föderalismus, Opladen 1990;
Hans-Jürgen Lange, Responsivität und Organisation. Eine Studie über die Modernisierung der CDU von 1973–1989, Marburg 1994;
Dieter Oberndörfer/Karl Schmitt (Hrsg.), Parteien und regionale politische Traditionen in der Bundesrepublik, Berlin 1991.
Vgl. J. Schmid (Anm. 5).
Vgl. Hans-Jürgen Heß, Innerparteiliche Gruppenbildung. Macht und Demokratieverlust einer politischen Partei am Beispiel der Berliner SPD in den Jahren von 1963 bis 1981, Bonn, 1984;
Renate Meyer-Braun, Die Bremer SPD 1949–1959. Eine lokal- und parteigeschichtliche Studie, Frankfurt a. M. 1982;
Jörg Schadt/Wolfgang Schmierer (Hrsg.), Die SPD in Baden-Württemberg und ihre Geschichte, Stuttgart 1979.
Wilhelm Hennis, Parlamentarische Opposition und Industriegesellschaft, in: Gesellschaft -Staat — Erziehung, (1956), S. 214.
Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik, Stuttgart 1981, S. 50.
Vgl. Marie Elise Foelz-Schroeter, Föderalistische Politik und nationale Repräsentation 1945–1947, Stuttgart 1974, S. 138.
Vgl. Manfred G. Schmidt, CDU und SPD an der Regierung. Ein Vergleich ihrer Politik in den Ländern, Frankfurt a. M. 1980, S. 32.
Vgl. Herbert Schneider, Länderparlamentarismus in der Bundesrepublik, Opladen 1979, S. 22.
Vgl. ebd., S. 22.
Wie sich dies in den Augen der Bevölkerung widerspiegelt, versuchte eine vom NRW-Landtag in Auftrag gegebene und 1990 durchgeführte Repräsentativumfrage herauszufinden: Landtagsvorlage 10/2722, Teil 1.
Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 11.
Auf Antrag der Landesregierung beschloß der schleswig-holsteinische Landtag am 6. 8. 1947, dem Oppositionsführer rückwirkend ab 1.5. 1947 eine Dienstaufwandsentschädigung zu gewähren. Dieser Beschluß ist jedoch nicht im Gesetz- oder Verordnungswege veröffentlicht worden. Er wurde hinfällig mit dem am 16. 6. 1978 verabschiedeten neuen Abgeordnetengesetz, das eine Dienstaufwandsentschädigung für den Oppositionsführer nicht mehr vorsah.
Vgl. Georg Fabritius, Wechselwirkungen zwischen Landtagswahlen und Bundespolitik, Meisenheim 1978, S. 164.
Vgl. Reiner Dinkel, Landtagswahlen unter dem Einfluß der Bundespolitik. Die Erfahrung der letzten Legislaturperioden, in: Jürgen W. Falter/Hans Rattinger/Klaus Troitzsch (Hrsg.). Wahlen und politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1989, S. 254 ff.
Vgl. Josef A. Völk, Regierungskoalitionen auf Bundesebene. Dokumentation und Analyse des Koalitionswesens von 1949–1987, Regensburg 1989, S. 123 ff.
Uwe Jun, Koalitionsbildung in den deutschen Bundesländern, Opladen 1994, S. 91.
Vgl. Hiltrud Naßmacher, Auf- und Abstieg von Parteien. Ansätze zur vergleichenden Betrachtung von Etablierung und Niedergang von Parteien im Wettbewerb, in: Zeitschrift für Politik, 36 (1989) 2, S. 178.
Vgl. Ursula Feist/Hans-Jürgen Hoffmann, Die Hamburger Bürgerschaftswahl vom 19. 9. 1993. Rundumangriff auf die Etablierten, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 25 (1994) 2, S. 221.
Vgl. Lothar Albertin, Die FDP in Nordrhein-Westfalen, Porträt einer fleißigen Partei, in: Ulrich von Alemann (Hrsg.), Parteien und Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Köln 1985, S. 134 f.
Vgl. Theodor Maunz, Das Verhältnis von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht, in: Konrad Löw (Hrsg.), 25 Jahre Grundgesetz, Köln 1974, S. 131.
Vgl. Theodor Eschenburg, Verfassung und Verfassungswirklichkeit des Südweststaates, Stuttgart 1952, S. 42 ff.
Vgl. Hansjürgen Jendral, Der Bayerische Senat. Sonderfall im Föderalismus — und parlamentarisches Modell für Korporatismus?, Frankfurt a. M. 1993.
Vgl. Gunther Jürgens, Direkte Demokratie in den Bundesländern. Gemeinsamkeiten — Unterschiede — Erfahrungen. Vorbildfunktion für den Bund? Marburger Schriften zum öffentlichen Recht, Stuttgart 1993.
Vgl. Frank R. Pfetsch, Ursprünge der Zweiten Republik. Prozesse der Verfassungsgesetzgebung in den Westzonen und in der Bundesrepublik, Opladen 1990.
Vgl. Hans von Mangoldt, Die Verfassungen der neuen Bundesländer, Berlin 1993.
Otmar Jung, Daten zu Volksentscheiden in Deutschland auf Landesebene (1946–1992), in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 24 (1993) 1, S. 13.
Vgl. Peter Haungs, Parteiendemokratie in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1980, S. 36–41;
Wolfram Lorig, Parteipolitik und öffentlicher Dienst. Personalrekrutierung und Personalpatronage in der öffentlichen Verwaltung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 25 (1994) 1, S. 94–108;
Josef Schmid, Die »Kieler Affäre«. Symptom eines deformierten Regierungssystems, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 19 (1988) 4, S. 498.
Vereinbarung zwischen der CDU, Landesverband Baden-Württemberg, und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Landesverband Baden-Württemberg, über die Bildung einer Koalitionsregierung für die 11. Legislaturperiode des Landtages von Baden-Württemberg, Stuttgart 1992, S. 88.
Vgl. Winfried Steffani, Die Republik des Landesfürsten, in: Gerhard A. Ritter (Hrsg.), Regierung, Bürokratie und Parlament in Preußen und Deutschland von 1948 bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1983, S. 196.
Diese wird allerdings z.Z. unternommen von Klaus Schrode/Herbert Schneider, Die Länderministerpräsidenten in der deutschen Politik, Opladen 1997 (i. E.).
Im Parteigesetz (Fassung vom 3. 3. 1989, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. 10. 1990) heißt es im § 1, Abs. 2: »Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens Einfluß nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluß nehmen, die von ihnen erarbeiteten Ziele in den Prozeß der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen Volk und Staatsorganen sorgen.«
Vgl. Stefan Holl, Landespolitiker: eine weitgehend unbeachtete Elite, in: Der Bürger im Staat, 40 (1990) 1, S. 29.
Vgl. Dietrich Herzog, Politische Karrieren. Selektion und Professionalisierung politischer Führungsgruppen, Opladen 1975, S. 46 ff.
Vgl. Heinz Josef Varain, Parteien und Verbände. Eine Studie über ihren Aufbau, ihre Verflechtung und ihr Wirken in Schleswig-Holstein, Köln 1964, S. 42.
Vgl. Rolf-Peter Lange, Strukturwandlungen in den westdeutschen Landesregierungen, Berlin 1976, S. 361 ff.
Vgl. Jürgen Plöhn, Ehemalige Bundestagsabgeordnete als Ministerpräsidenten der Länder -ein etabliertes Karrieremuster, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 25 (1994) 2, S. 176–186.
Vgl. Herbert Schneider, Verbände im Bundesland Baden-Württemberg. Begriffsklärung, Stellung, Wirkungsweise, in: ders. (Hrsg.), Verbände in Baden-Württemberg, Stuttgart 1987, S. 17–48.
Vgl. Roland Lhotta, Verfassung, Bundesstaatsreform und Stärkung der Landesparlamente, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 22 (1991) 2, S. 270.
Vgl. Ulrich Sarcinelli, Politikvermittlung und demokratische Kommunikationskultur, in: ders. (Hrsg.), Politikvermittlung. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Bonn 1987, S. 19.
Vgl. Ulrich von Alemann, Parteien und Gesellschaft in der Bundesrepublik. Rekrutierung, Konkurrenz und Responsivität, in: Alf Mintzel/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992, S. 124.
Vgl. ebd., S. 125.
Vgl. J. Schmid (Anm. 5), S. 80.
Vgl. H.-X Lange (Anm. 5), S. 494.
Vgl. Helmut Barding, Staatliche Identität, nationale Integration und politischer Regionalismus, in: Hans Patze (Hrsg.) Staatsgedanke und Landesbewußtsein in den neupreußischen Gebieten 1866, Marburg 1985, S. 133.
Vgl. Karl Rohe, Vom Revier zum Ruhrgebiet, Essen 1986, S. 41.
Vgl. Ursula Feist/Klaus Liepelt, Volksparteien auf dem Prüfstand: Die SPD, in: D. Oberndörfer/K. Schmitt (Anm. 5), S. 207, 203.
Vgl. Alf Mintzel, Regionale politische Traditionen und CSU-Hegemonie in Bayern, in: D. Oberndörfer/K. Schmitt (Anm. 5), S. 143.
Geoffrey Pridham, Christian Democracy in Western Germany. The CDU in Government and Opposition 1945–1976, London 1977, S. 210.
Ekkehard Krippendorf, Das Ende des Parteienstaates, in: Der Monat 16 (1962) 14, S. 64–70.
Vgl. Klaus von Beyme, Do parties matter?, in: Politische Vierteljahresschrift, 21 (1981) 4, S. 343–359;
Klaus von Beyme, Once again: Do parties matter? Rejoinder zur Kritik von Manfred Schmidt, in: Politische Vierteljahresschrift, 22 (1982) 2, S. 205–211;
Manfred G. Schmidt, Staatliche Politik, Parteien und der politische Unterbau. Zur Kritik an Klaus von Beymes »Do parties matter?«, in: Politische Vierteljahresschrift, 22 (1982) 2, S. 199–205.
M.G. Schmidt (Anm. 11), S. 73.
Vgl. J. Schmid (Anm. 5), S. 206–214.
Vgl. Werner Wolf (Hrsg.), CDU-Hessen 1945–1985. Politische Mitgestaltung und Kampf um die Mehrheit, Köln 1986.
Vgl. H.-J. Lange (Anm. 5), S. 303.
Vgl. Uwe Thaysen, Mehrheitsbildung im Föderalismus. Thesen zum Konsensualismus in der westdeutschen Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35/85, S. 14.
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Schneider, H. (1997). Parteien in der Landespolitik. In: Gabriel, O.W., Niedermayer, O., Stöss, R. (eds) Parteiendemokratie in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95609-5_18
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