Zusammenfassung
Die Arbeit erhebt den Anspruch, eine Theorie der Nation umrißhaft zu profilieren. Ihre wissenschaftliche Aufgabe sieht sie in der richtigen, handlungsorientierenden und forschungsförderndem Aufklärung über die Bedeutsamkeit der Nation. Ehe umfassende Frage nach der Wirklichkeit und Bedeutsamkeit der Nation ist die leitende Fragestellung, d.h. es wird immer die gängige Gegenfrage selbstkritisch zu reflektieren sein, ob „Nation“ nicht vielleicht nur eine fiktive, eingebildete Wirklichkeit ist, von der immer wieder viel gesprochen wird, der aber „real“ und „politisch“ nichts entspricht, ob daher „Nation“ nicht vielmehr politisch nebensächlich, nur mehr als historische Konkursmasse angesehen werden muß. Das methodische Porblem1 besteht darin, die Nation nicht reduktionistisch zu betrachten, begrenzt auf Bereiche wie Teilung, Einheit, Staatsbildung, familiäre Bindungen, Gesellschaftsformationen usw. usf., sondern sie — „einfach“ — als hochkomplexes Gebilde zu erkennen und wissenschaftlich-begrifflich zu erfassen. Der Theoriebeitrag ist nicht daraufhin angelegt, die Wirklichkeit „abzubilden“. Der politikwissenschaftliche Ansatz konkurriert oder ersetzt nicht andere, etwa rechtswissenschaftliche Theorien (Staats- und Verfassungstheorien) oder soziologische Theorien (Gesellschafts-, Systemtheorien) oder z.B. universalhistorische Konzepte; vielmehr wird eine politikwissenschaftliche Ergänzung im Sinne einer Wirklichkeitserfassung, die theoretisch überfällig ist, intendiert.
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Anmerkungen
Im Unterschied zum methodischen Problem, das zu erkennen ein zentrales wissenschaftliches Anliegen dieser Arbeit ist, ist, mit Heinrich End gesprochen, der methodische Ansatz nicht so entscheidend, wie die Fragestellung (1973, 177, Anm. 3)
Vgl. zur epistemologischen Seite der Definition bei K. R. Popper. Logik der Forschung, Tübingen 1973, S. 37;
vgl. dagegen die Partikularisierung der Nation bei B. Willms: Die deutsche Nation, Köln 1982, S. 49 u. ö.
Unter Nationalismus sei eine nationshypertrophe Bewußtseinshaltung verstanden, die in Nationen in ganz unterschiedlicher Weise auftreten kann, aber nicht muß. In dieser Arbeit wird diese Haltung, die das individuelle nationale Dasein ideologisiert, im Kapitel „Nationalbewußtsein“angesprochen. Der Nationalismus ist aber, insbesondere als politische Bewegung, nicht notwendiger Bestandteil einer Theorie der Nation.
Damit ist eine Distanz angedeutet zu allen Anschauungen, die ein naturrechtliches Sprechen vom besten Gemeinwesen ablehnen. Vgl. von Krockow 1970, S. 50f.
Daß man in eine funktionalistische Diktion auch eher unbewußt abgleiten kann, läßt sich an einem Zitat von H.-P. Schwarz belegen: „Die Einheit der deutschen Nation kann nicht mehr als Wert an sich verstanden werden. Sie hat vorwiegend funktionale Bedeutung zur Durchsetzung liberaler, demokratischer und humanitärer Werte in der DDR....“ Wir wollen Schwarz nicht unterstellen, daß er das Verfassungsgebot des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, die „nationale und staatliche Einheit zu wahren“, auf einen Funktionswert herunterzuschrauben beabsichtigt. Zur „reduktionistischen Tendenz, die in den modernen Sozialwissenschaften eine große Rolle spielt“ R. Bendix 1981, 21.
Weitere Geschichtsubjekte wie Staaten, Reiche, Imperien, Herrschaftseliten, Klassen, die als Subjekte behauptet wurden, sind damit historisch nicht in Frage gestellt. Die einzelnen Subjekte schließen sich z.T. nicht aus. Der Subjektcharakter der Nation kommt an „Staat“ (Nationalstaat) und „Imperium“ (Blöcken) heute nicht vorbei. (Vgl. Kap. „Nation und Konkurrenz“). Für den rigoristischen Ansatz J. Wallersteins sind diese Geschichtssubjekte Petitessen angesichts des kapitalistischen Weltsystems.
Vgl. A. Bergstraesser 21966, S. 29. Das induktive Schlußfolgern scheint uns für die Theoriebil-bildung allerdings unmöglich.
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Mayer, T. (1987). Theoretisch-methodische Vorbemerkungen. In: Prinzip Nation. Forschungstexte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, vol 16. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95587-6_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95587-6_1
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-322-95587-6
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