Zusammenfassung
Tönnies ist der einzige Soziologe unter den Klassikern der modernen Soziologie, der auf dem Lande, nämlich auf dem großen Bauernhof seines Vaters an der nordfriesischen Küste aufgewachsen ist. Er hat sein Leben am äußersten nördlichen Rand des damaligen Deutschen Reiches verbracht: im heimatlichen Husum, das er auch noch in den späteren Lebensphasen immer wieder für längere Zeit aufsuchte; in der Provinzhauptstadt Kiel, seiner lebenslangen Universitätsstadt, und in Eutin, seinem bevorzugten Wohnort in der Holsteinischen Schweiz.1 Mit den großen Metropolen seiner Zeit ist er nur in drei Fällen in unmittelbare, länger anhaltende Berührung gekommen und zwar jeweils auf verschiedene Weise. Die Sphäre der Reichshauptstadt Berlin wurde ihm durch seinen dort lebenden Freund Friedrich Paulsen, Professor für Philosophie und Pädagogik an der Berliner Universität, vermittelt — abgesehen vom Briefwechsel — durch wiederholte gastliche Aufnahme zu längeren Besuchen in der Hauptstadt. Tönnies lernte dabei gelegentlich Personen des damaligen intellektuellen Lebens kennen wie z.B. Brandes oder Paul Rée, denen er sonst kaum jemals persönlich begegnet wäre. Die zweite Metropole, die für Tönnies wichtig war, ist London. Die Entfernung von Husum nach London war kaum weiter als von Husum nach Berlin, was nicht nur ein geographischer, sondern auch ein symbolisch bedeutsamer Tatbestand ist. Tönnies besuchte auf seinen Archivreisen, die er im Rahmen seiner textkritischen Hobbes-Forschungen3 unternahm, in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts immer wieder für längere Zeit London. Die britische Hauptstadt blieb natürlich auch weiterhin Reiseziel für ihn, z.B. im Zuge seiner Verhandlungen mit den englischen Verlegern seiner Hobbes-Editionen. Im preußisch-deutschen Universitätsmilieu gehörte Tönnies wahrscheinlich zu den wenigen, die sich in der angelsächsischen Sphäre wirklich sicher und leicht bewegen konnten. Seine Kenntnis der englischen Sprache im aktiven mündlichen und schriftlichen Gebrauch war für einen deutschen Universitätslehrer der damaligen Zeit ungewöhnlich gut. In dieser Beziehung ähnelt er Lujo von Brentano4, ohne allerdings wie dieser verwandtschaftliche Beziehungen nach England zu haben. Tönnies’ Londoner Aufenthalte sind ein äußerer Ausdruck für seine starke intellektuelle und wissenschaftliche Orientierung an den westeuropäischen Traditionen der Aufklärung und des Positivismus.Von da her ist es nicht verwunderlich, daß Tönnies dann, als diese Traditionen und ihre politischen Voraussetzungen und Folgen in Deutschland besonders bedroht schienen, die Auswanderung nach England oder Amerika erwog. Das geschah 1897 nach dem Hamburger Hafenarbeiterstreik.
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Anmerkungen
Zur Biographie vgl. Ferdinand Tönnies, Selbstdarstellung, in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. v. Raymund Schmidt, Bd. III, Leipzig 1922, 2. verb. Aufl. 1924, S. 199–223 u. Eduard Georg Jacoby, Die moderne Gesellschaft im sozialwissenschaftlichen Denken von Ferdinand Tönnies, Stuttgart 1971.
Ferdinand Tönnies — Friedrich Paulsen. Briefwechsel 1876–1908, hrsg. von Olaf Klose, Eduard Georg Jacoby u. Irma Fischer, Kiel 1961. ( Im Folgenden zitiert als „Briefwechsel“).
Anmerkungen über die Philosophie des Hobbes I: Die Erkenntnistheorie und ihre Grundlagen, in: Vierteljahrsschrift für Philosphie 3, 1879, S. 453–466;
II: Die politische Philosophie, ebenda 4, 1880, S. 55–74 u. 428–453. Thomas Hobbes. Leben und Lehre, Stuttgart 1896, 2. Aufl. 1912 mit geändertem Titel: Hobbes, der Mann und der Denker;
neu hrsg. u. eingeleitet von Karl-Heinz Ilting, Stuttgart 1971, Ferdinand Tönnies, Studien zur Philosophie und Gesellschaftslehre im 17. Jahrhundert, hrsg. von Eduard Georg Jacoby, Stuttgart 1971. Tönnies hat die folgenden beiden Hobbes-Editionen in England erscheinen lassen: Ferdinand Tönnies (Editor), Thomas Hobbes. The Elements of Law Natural and Politic, edited with a preface and critical notes, to which are subjoined selected abstracts from unprinted mss of Thomas Hobbes, London 1889, Reprint Cambridge 1928 u. London 1970 with introduction by M. M. Goldsmith;
Ferdinand Tönnies (Editor), Thomas Hobbes, Behemoth or the Long Parliament. Edited for the first time from the original ms., London 1889, Reprint London 1969, with introduction by M. M. Goldsmith.
James J. Sheehan, The Career of Lujo Brentano. A Study of Liberalism and Social Reform in Imperial Germany, Chicago and London 1966.
Vgl.dazu vom Verf.,Tönnies’Kontroverse mit Rickert, in: Lars Clausen u. Franz Urban Pappi (Hrsg.), Ankunft bei Tönnies. Soziologische Beiträge zum 125. Geburtstag von Ferdinand Tönnies, Kiel 1981, S. 95–131 u. ders.,Repräsentativität und Aktualität von Ferdinand Tönnies, in: Lars Clausen et al. (Hrsg.), Tönnies heute. Zur Aktualität von Ferdinand Tönnies, Kiel 1985, S. 97–114, ferner ders., Ferdinand Tönnies. Soziologie zwischen geschichtsphilosophischem,Pessimismus`, wissenschaftlicher Ratio und sozialethischem ‚Optimismus’,in: Sven Papcke (Hrsg.), Ordnung und Theorie. Beiträge zur Geschichte der Soziologie in Deutschland, Darmstadt 1986, S. 307–334.
Tönnies an Harald Höffding (den ihm in vieler Hinsicht kongenialen dänischen Philosophen), Hamburg, den 6. 7. 1897. Der Briefwechsel befindet sich im Tönnies-Nachlaß (=TN) der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek zu Kiel (Cb 54. 51 ).
Der Ausdruck in diesem Zusammenhang kommt von Hans-Ulrich Wehler, Krisenherde des Kaiserreichs 1871–1918. Studien zur deutschen Sozial-und Verfassungsgeschichte, Göttingen 1970. Bereits 1890 dachte Tönnies daran, „eine Art von moralischen Observatorien“ für,moralstatistische` Beobachtungen einzurichten (an Paulsen, Husum, den 26. 6. 1890, Briefwechsel a.a.O., S. 285 ).
Vgl. dazu den Briefwechsel mit Paulsen a.a.O., z.B. an Paulsen, Leipzig, den 8. 2. 1880, S. 69;
Freiburg, den 29. 8. 1880, S. 83ff.;
Husum, den 23. 11. 1885, S. 220 („Die Kausalzusammenhänge der geistigen Dinge zu zeigen“, darin längen seine u. Paulsens „wahre Aufgaben”).
Selbstdarstellung a.a.O., S. 221 (,,…es schien mir mit der echten Freiheit der Wissenschaft, nämlich mit dem Bewußtsein dieser Freiheit unverträglich, zu geloben, daß man einem Monarchen,untertänig, treu und gehorsam` sein wolle.“);
u. an Paulsen, Briefwechsel a.a.O., Husum, den 15. 3. 1889, S. 263f., bes. S. 264, Paulsen an Tönnies, Steglitz b. Berlin, den 22. 3. 1889, S. 264f.
Z.B. Fortschritt und soziale Entwicklung. Geschichtsphilosphische Ansichten, Karlsruhe 1926, S. 97f.
Gemeinschaft und Gesellschaft, Leipzig 1887 ( Untertitel: Abhandlung des Communismus und Sozialismus als empirischer Culturformen;
seit der 2. Aufl. von 1912 geänderter Untertitel: Grundbegriffe der reinen Soziologie), Nachdruck Darmstadt 1963, S. 79, S. 3, S. 73ff., S. 115ff., S. 149f., S. 181
Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, 1. Aufl. Berlin 1908, 5. Aufl. Berlin 1968, S. 24, Vorrede zur 6. u. 7. Aufl. zu Gemeinschaft und Gesellschaft a.a.O. von 1926, S. IL: Soziale Verbindungen im engeren Sinne müssen „aus dem Bewußtsein und Wollen der sie bildenden Menschen selbst“ gedeutet werden;
so z.B. in Tönnies’ Rez. von Gabriel Tarde, Les lois de l’imitation, Paris 1890, in: Soziologische Studien und Kritiken Bd. 3, Jena 1929, S. 193f.: „Hingegen sind die sozialen Verbindungen allesamt erst durch psychologische Übereinstimmung gegeben, sie sind reflektiert.“ (ebenda S. 194).
Gemeinschaft und Gesellschaft, a.a.O., S. 3, S. 7ff., S. 106ff. passim.
Vgl. dazu Rolf Fechner, Theodor Storm als Inkarnation des künstlerischen Geistes, in: Ders. (Hrsg.) Der Dichter und der Soziologe. Zum Verhältnis zwischen Theodor Storm und Ferdinand Tönnies, Hamburg 1985, S. 87–112;
Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft bei Tönnies von Jürgen Zander, Individuelles Unglück aus sozialem Verlassensein, ebenda S. 56–87.
an Paulsen, Kiel, den 27. 3. 1881, Briefwechsel a.a.O., S. 120.
Im Rückblick auf seine seit längerer Zeit schon bestehende Option für den Fall des Zusammenbruchs der Möglichkeiten zur Arbeit an der Universität: an Paulsen, Eutin, den 24. 2. 1902, Brief-wechsel a.a.O., S. 360 (Er habe sich „mehr und mehr“ daran gewöhnt, „an der berufsmäßigen Tätigkeit als Publizist Geschmack zu finden”).
Tönnies an Höffding, Hamburg, den 6. 7. 1897, (TN, Cb 54.41): „Ich aber denke zuweilen daran, nach England oder Amerika auszuwandern, mir liegt nur daran, die besten Lebensbedingungen zu suchen, um gewisse Werke auszuführen und zu vollenden, in denen ich meinen eigentlichen Lebensberuf sehe.“
Die Tatsache des Wollens (ursprünglich 1899 für die Preisaufgabe der Münchener JakobFrohschammer-Stiftung geschrieben und der Maximilians-Universität München eingereicht), aus dem Nachlaß herausgegeben u. eingeleitet von Jürgen Zander, Berlin 1982.
Philosophische Terminologie in psychologisch-soziologischer Ansicht, Leipzig 1906. (Zuerst gekrönte Welby-Preisschrift u. publiziert in: Mind 8, 1899, pp 289–332 u. 467–491;
pp 46 61.)
Thomas Hobbes. Leben und Lehre a.a.O.
Historismus und Rationalismus (I) (mehr nicht erschienen), zuerst in: Archiv für systematische Philosophie 1, 1894, S. 227–252, dann in: Soziologische Studien und Kritiken, Bd. 1, Jena 1925, S. 105–126.
zuerst in Mind veröffentlicht, s. Anm. 19
Wilhelm Dilthey, Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation, Gesammelte Schriften Bd. 2, 5. Aufl., Stuttgart 1957 (= Abhandlungen aus den Jahren 1891–1894).
La synthèse créatrice, in: Bibliothèque du Congrès International de Philosophie, Bd. 1, 1900, S. 415–434.
Thomas Hobbes. Leben und Lehre, a.a.O., S. 275f.
Tönnies greift damit einen Terminus auf, der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als der Neukantianismus starke positivistische Komponenten in sich aufgenommen hatte, eine programmatische Rolle spielte, was besonders deutlich im Titel einer der führenden philosphischen Zeitschriften jener Zeit zum Ausdruck kam, nämlich der, Vierteljahrsschrift für Wissenschaftliche Philosophie“, die von Richard Avenarius herausgegeben wurde und in der auch Tönnies und Paulsen publizierten. (Zur Geschichte des Neukantianismus insgesamt bis zur,idealistischen` Wende um 1879, vgl. Klaus Christian Köhnke, Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus, Frankfurt a.M. 1986). Im Rückblick resümiert Tönnies: „Seine (d.i. Harald Höffdings/Verf.) Philosophie…gehört in den Kreis jener Erneuerungen einer wissenschaftlichen Philosophie, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich durch Comte, in England durch Stuart Mill, Herbert Spencer und andere, in Deutschland durch Wundt, Avenarius, Paulsen bezeichnet wird.” (Höffding und die Sozialdemokratie, in: Die Gesellschaft 1, 1935, S. 75–79, Zitat S. 75). Sich selbst sah Tönnies aufgrund seiner engen Übereinstimmung mit Paulsen wie mit Höffding ebenfalls in diesem Kreise.
Die Tatsache des Wollens, a.a.O.
Siehe Verf., Tönnies’ Theorie der Rationalität, in: Carsten Schlüter (Hrsg.), Symbol, Bewegung, Rationalität.
Zum fünfzigsten Todestag von Ferdinand Tönnies, Würzburg 1987, S. 56–153.
Der Nietzsche-Kultus. Eine Kritik, Leipzig 1897.
S. z.B. Philosophische Terminologie, a.a.O., S. 72, 83, 91.
Ebenda S. 72
Ebenda S. 73f.
Ebenda S. 91
Ebenda S. 83
Ebenda S. 91
Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte 1. Bd. (mehr nicht erschienen), Gesammelte Schriften Bd. 1, 4. Aufl. Stuttgart 1959 (zuerst Leipzig 1883 ).
Philosophische Terminologie, a.a.O., S. 58.
Heinrich Rickert, Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, vollständige Ausgabe Tübingen u. Leipzig 1902 (Bd. 1: 1896 ); Wilhelm Windelband, Geschichte und Naturwissenschaft
Straßburger Rektoratsrede von 1894), in: Präludien. Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte, 1. Bd., 9. Aufl. Tübingen 1924, S. 136–161.
Ausspruch von Tönnies, von E. G. Jacoby überliefert, Die moderne Gesellschaft im sozialwissenschaftlichen Denken von Ferdinand Tönnies, a.a.O., S. 43.
Zu Tönnies’ umfangreicher Publizistik siehe Jacoby a.a.O., bes. Kap. 10 u. die dortigen Angaben, ferner die ausgezeichnete Tönnies-Bibliographie von Rolf Fechner, Ferdinand Tönnies. Bibliographie, Hamburg 1985, ders., Sekundärbibliographie zum Werk Ferdinand Tönnies’ mit einer Vorbemerkung, Hamburg 1984.
Vgl. dazu den Briefwechsel mit Paulsen a.a.O. vom 30. 10. 1879 bis zum 21. 2. 1887 auf den Seiten 62–230 und den unmittelbaren Rückblick nach der Publikation des Werkes in den Briefen vom 15. 2. 1888 bis zum 19./20./24. 1. 1890 auf den Seiten 248 bis 276.
Ferdinand Tönnies, Selbstdarstellung a.a.O., S. 225.
Hans-Ulrich Wehler, Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918, Göttingen 1973, S. 41ff.
Vgl. dazu z.B. aus der Hamburger Zeit — noch unmittelbar unter dem Eindruck des Hafenarbeiterstreiks stehend — an Paulsen, Hamburg, den 6. 7. 1897, Briefwechsel a.a.O., S. 325 u. Paulsens Replik, Steglitz, den 7. 7. 1897, ebenda S. 326. Tönnies an Paulsen, Husum, den 1. 4. 1897, ebenda S. 321f. (zur Verbindung von Liberalismus und Sozialdemokratie als Postulat und als Möglichkeit). Vgl. auch die Vorrede von 1912 zur 2. Aufl. von Gemeinschaft und Gesellschaft a.a.O.
Vgl. dazu Dieter Lindenlaub, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik. Wissenschaft und Sozialpolitik im Kaiserreich vornehmlich vom Beginn des,Neuen Kurses’ bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Vierteljahresschrift für Sozial-und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 52/53, Wiesbaden 1967.
Vgl. die Vorrede von 1887 zu Gemeinschaft und Gesellschaft, a.a.O. Ferner z.B.: Soziologie in Deutschland im 19. Jahrhundert (1908) in: Soziologische Studien und Kritiken, Bd. 2, Jena 1926, S. 77: Mit dem historischen Materialismus sei die „Rückkehr zur realistisch-empirischen Ansicht des Lebens und der Geschichte“ gewonnen.
Ferdinand Tönnies, Marx. Leben und Lehre, Jena 1921.
James J. Sheehan, The Career of Lujo Brentano, a.a.O.
Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890–1920, Tübingen 1959, 2. überarb. u. en v. Aufl. 1974.
Tönnies an Höffding, Eutin, den 21. 6. 1921 (TN, Cb 54. 51 ).
Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Max Weber a.a.O., bes. S. 97ff.
Max Weber in: Christliche Welt 1894, S. 477, zitiert bei W. J. Mommsen a.a.O., S. 133 u. dort Anm. 137, s. auch ebenda S. 102.
Vgl. allgemein dazu: Eckart Kehr, Der Primat der Innenpolitik, hrsg. u. eingeleitet von Hans-Ulrich Wehler, Berlin 1965;
Dirk Stegmann, Die Erben Bismarcks, Parteien und Verbände in der Spätphase des Wilhelminischen Deutschlands, Köln, Berlin 1970.
Vgl. in diesem Zusammenhang Tönnies’ spätere Polemik gegen Othmar Spann, in: Verhandlungen des Wiener Soziologentages 1926, Tübingen 1927, S. 131, zitiert bei E. G. Jacoby, a.a.O., S. 291. Zu Tönnies’ Anti-Organizismus vgl. ferner z.B. seine Rez. von Albert Schäffle, Abriß der Soziologie, Tübingen 1906, in: Soziologische Studien und Kritiken, Bd. 3, Jena 1929, S. 341–348 u. aus dem Briefwechsel mit Paulsen, a.a.O., S. 275ff.: an Paulsen, Rendsburg den 19./20324. 1. 1890; ferner — speziell gegen Gierke gewendet — Vorrede von 1912 zur 2. Aufl. von Gemeinschaft und Gesellschaft a.a.O., S. XXXIf.
Friedrich Naumann, Demokratie und Kaisertum, 1. Aufl. Berlin 1900, 4. Aufl. 1905.
Selbstdarstellung, a.a.O., S. 225.
Ebenda S. 224.
Siehe E. G. Jacoby a.a.O., S. 235.
An Paulsen, Hamburg, den 29. 7. 1898, Briefwechsel a.a.O., S. 329.
Tönnies an Höffding, Hamburg, den 6. 7. 1897, TN Cb 54. 51.
an Paulsen, Kiel, den 10. 3. 1881, Briefwechsel a.a.O., S. 116.
) Hafenarbeiter und Seeleute in Hamburg vor dem Strike 1896/97, in: Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik 10, 1897, S. 173–238.
Der Hamburger Strike von 1896/97, ebenda, S. 673–720.
Die Enquête fiber Zustände der Arbeit im Hamburger Hafen, ebenda 12, 1898, S. 303–348. Straftaten im Hamburger Hafenstrike, ebenda ll, 1897, S. 513–520. Seitenangaben aus den drei zuerst genannten Aufsätzen, abgekürzt als (1) „Hafenarbeiter“, (2) „Strike”, (3) „Enquête“ von nun an in Klammern im Text.
Vgl. dazu Rolf Fechners Tönnies-Bibliographien a.a.O.
Meine Nachzeichnung der Darstellung, die Tönnies vom Streikverlauf gibt, kann aus Platzgründen hier nicht aufgenommen werden. Es geht in diesem Aufsatz auch nicht um den Hamburger Streik als sozialgeschichtliches Phänomen sui generis, sondern um den Hamburger Abschnitt aus Tön-nies’ intellektueller Biographie. Aus diesem Grund mag die Konzentration auf die speziellen Gesichtspunkte, unter Absehung von der Darstellung der Streikereignisse selbst akzeptabel erscheinen.
Die Soziographie stellt eine der drei Komponenten in Tönnies’ „System der Soziologie“ dar (neben der „reinen”, d.h. begriffskonstruktiven, und der „angewandten“, d.h. historischen Soziologie), das er nach mehreren Zwischenstufen (z.B. „Das Wesen der Soziologie [1907], in: Soziologische Studien und Kritiken Bd. 1, a.a.O., S. 125–143 u. „Einleitung in die Soziologie” [1924], ebenda Bd. 3, a.a.O., S. 430–443) in seiner „Einfihrung in die Soziologie“, Stuttgart 1931, in die letzte Form gebracht hat.
Zu Tönnies’ Programm einer alternativen „gemeinschaftlichen“ Naturrechtskonzeption siehe Gemeinschaft und Gesellschaft a.a.O. S. 147ff., bes. S. 183f.: „Soziologische Gründe des Naturrechts”; siehe ferner seine Einführung in die Soziologie a.a.O., S. 217ff. u. seinen Gedenkartikel „Zur Erinnerung an Hegels Tod“, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 56, 1932, S. 71–85, der Hegels Naturrechtsvorstellung behandelt.
Siehe Herbert Marcuse, Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung (1934), in: Wolfgang Abendroth (Hrsg.), Faschismus und Kapitalismus, Frankfurt a.M., Wien 1967, S. 39–75.
Vgl. dazu Verf., Ferdinand Tönnies. Soziologie zwischen geschichtsphilosophischem,Pessimismus`, wissenschaftlicher Ratio und sozialethischem,Optimismus`, a.a.O.
Zur begrifflichen Abgrenzung des Gegenstandsbereiches der Soziologie als eines Bereiches wechselseitig bejahter und damit geltender Regeln des Zusammenlebens und Austausches vgl. die zentralen Stellen in Tönnies’ theoretischen Arbeiten, beginnend mit Gemeinschaft und Gesellschaft, a.a.O. 1. Buch, S. 3, sich fortsetzend über die Stationen der Aufsätze zur Begründung der reinen Soziologie („Das Wesen der Soziologie” [ 1907 ], a.a.O., S. 350f., „Soziologie im System der Wissenschaften“ [1915/16], in: Soziologische Studien und Kritiken, Bd. 2, a.a.O., S. 241; „Der Begriff der Gemeinschaft” [1913], ebenda S. 269; „Einteilung der Soziologie“ a.a.O., S. 433 u. 435). Alexander Deichsel, Das Soziale bei Ferdinand Tönnies. Begriff und Gegenstand einer strengeren Soziologie, in: Lars Clausen et alii (Hrsg.), Tönnies heute, a.a.O., S. 49–67 u. Rolf Fechner, Die Geburt des Sozialen aus dem Willen, ebenda S. 30–48, arbeiten die begrifflich-theoretische Bedeutung dieses grundlegenden Aspektes für die Konstituierung des Sozialen erhellend heraus. Ich füge, diese Argumente unterstützend, die paradigmatische Rolle des Naturrechtsdenkens, aus dem Tön-nies die Momente für seine Gegenstandskonstitution gewinnt (Recht ebenso wie soziale Wirklichkeit überhaupt ist Willenstatsache, auf Setzung und Akzeptierung von Regeln beruhend) hinzu. Vgl. Verf. Tönnies’ Theorie der Rationalität a.a.O.
Max Weber lehnte ganz im Gegensatz zu Tönnies behördliche Schlichtungseinrichtungen ab. Der Klassengegensatz sollte auf diese Weise nicht hinter einer sozialharmonistischen Kulisse versteckt werden. Dazu Wolfgang J. Mommsen, Max Weber a.a.O., S. 126.
Dieser Aspekt wird in Tönnies’ früher Kritik von Rudolf von Ihering, Der Zweck im Recht, Bd. 1 u. 2, Leipzig 1877 u. 1883, hervorgehoben: „Recht ist nicht Gegenstand einer Erkenntnis, sondern des Willens, so ist das Recht nur eine Form der Gewalt“. („Die Erneuerung des Naturrechts”, Januar 1880, Heft 1, handschriftlich, TN Cb 54. 41: 64 ).
An Paulsen, Kiel, den 3. 5. 1890, Briefwechsel a.a.O., S. 279, über die Ablehnung Rées von seiten der Berliner Universität.
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Bickel, C. (1988). Tönnies in Hamburg (1894 – 1901) . In: Waßner, R. (eds) Wege zum Sozialen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95571-5_2
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