Zusammenfassung
„Es ist sonderbar meine geliebteste Therese, daß unsere eigenthümliche Verhältnisse so mit den wichtigsten Angelegenheiten des ganzen Menschengeschlechts zusammenhängen!“ Das schreibt Georg Forster, der führende Kopf der Mainzer Republik, am 26. Juni 1793 aus Paris an seine Frau, während er bei den dortigen Behörden vergeblich die von ihr gewünschte Scheidung betreibt und sich im Anblick des schauderhaften Leidens und der Verwüstung nach dem Sinn seines Revolutionsengagements fragt.1 Wie kaum eine andere Deutsche — abgesehen von ihren Jugendfreundinnen und Mainzer Gefährtinnen Caroline Böhmer und Meta Forkel — war Therese Forster an hervorragender Stelle mit der Französischen Revolution konfrontiert. Sie nutzte sie zu ihrer persönlichen Befreiung und ist trotzdem in vieler Hinsicht repräsentativ für die Lage der deutschen Frauen.
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Anmerkungen
Alle Forster-Zitate nach Akademie der Wissenschaften der DDR (Hsg.), Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, 1-, Berlin, 1968 — Hier: 17, 379.
Königlich-preußische Akademie der Wissenschaften (Hsg.), Wilhelm von Humboldts gesammelte Schriften, 14, 3. Abt.: Tagebücher, 1, Berlin, 1916, S. 43.
Vgl. Albert Leitzmann, Georg und Therese Forster und die Brüder Humboldt. Urkunden und Umrisse, Bonn, 1936, S. 99.
Hannover, 1801, S. 263–78; nach Magdalene Heuser, „Jakobinerin, Demokratin und Revolutionär. Therese Hubers,kleiner winziger Standpunkt’ als Weib um 1800“, in: Viktoria SchmidtLinsenhoff (Hsg.), Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760–1830, Frankfurt/Marburg, 1989, 5 156, Anm. 33.
Forsters Werke 16,538; im Original „ihn“ statt „ihre”.
Forsters Werke 16,538.
Forsters Formulierungen im Empfehlungsbrief an einen Bibliothekar der UB Göttingen. 16,358.
Forsters Werke 18,382.
Andrea Hahn (Hsg.), Therese Huber: Die reinste Freiheitsliebe, die reinste Männerliebe. Ein Lebensbild in Briefen und Erzählungen zwischen Aufklärung und Romantik, Berlin, 1989, S. 148.
Ähnlich im Brief an Caroline Böhmer vom 25.2.1794, in dem sie der Freundin und Rivalin den Tbd Forsters mitteilte und ihr Verhalten noch einmal rechtfertigen zu müssen glaubte: „Ich sah mich endlich vor eine Hündin an, die das Männchen niederwirft — ich sah es wie die Erniedrigung der Menschheit an — ich hatte einen Grad menschenhassender, alles Gefühl verabscheuender Bitterkeit, die seinem guten Herzen wohl meistens entging.“ A.a.O., S. 71–72.
Tagebücher, 1, S. 41–42.
Tagebücher, 1, S. 45.
Vgl. Tagebücher, 1, S. 41 und 45-$7; Anna v. Sydow (Hsg.), Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, 1, Berlin, 1910, S. 31–32 u. 148.
Wilhelm und Caroline, S. 31–32, 35–36 u. 356.
Sigrid Damm (Hsg.), „Lieber Freund, ich komme weit heräschon an diesem frühen Morgen:` Caroline Schlegel-Schelling in ihren Briefen, Darmstadt, 1981, 5.111.
Vgl. Rainer Schoch/Gerhard Bott (Hsgg.), Freiheit — Gleichheit — Brüderlichkeit. 200 Jahre Französische Revolution in Deutschland, Nürnberg, 1989, S. 299 (= Abbildung) u. 335.
Damm (Hsg.), S. 127–28.
Forsters Werke 17,683. Nach Therese riet ihr auch ein englischer Freund zur Abreise, da er anläßlich eines „Meinungskrieges“ bei ihr „die moralische Gefahr einer Steigerung des weiblichen Muthes, wenn Abscheu sich ihm zugesellt”, erkannt habe. 17,661.
Damm (Hsg.), S. 128.
Formulierung Thereses in einem Brief 1806; s. Hahn ( Hsg. ), S. 147.
Eva Walter, Schrieb oft, von Mägde Arbeit müde: Lebenszusammenhänge dt. Schriftstellerinnen um 1800, Düsseldorf, 1985, S.218 und Helga Grubitzsch u. a. (Hsgg.), Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert, Düsseldorf, 1985, S. 210 und 297.
Entwurf, Hahn (Hsg.), S. 62–63. Vgl. das französische Original: Forsters Werke 18, 584.
Hahn (Hsg.), S. 62.
Vgl. Hahn (Hsg.), S. 70–75 und oben, Anm. 9.
Paul Hocks/Peter Schmidt, Literarische und politische Zeitschriften 1789–1805, Stuttgart, 1975, S. 62.
Vgl. Sigrid Damm, „Carolines Kunst“, in: dies. (Hsg.), S. 30–35 und Allgemeine Deutsche Biographie.
Vgl. Ursula Geitner, „,Die eigentlichen Enragées ihres Geschlechts: Aufklärung, Französische Revolution und Weiblichkeit“, in: Grubitzsch u. a. (Hsgg.), S. 187 f.
Damm, S. 34 und Inge Stephan, „Faszination und Abwehr: Französische Revolution und deutsche Literatur“, in: Schoch/Bott ( Hsgg. ), S. 105.
Hahn (Hsg.), S. 139.
Hahn (Hsg.), S. 82.
Die rasende Torheit des Freiheitsbaumpflanzens — akzentuiert durch sich steigernde Wiederholung und Verallgemeinerung — erscheint durch das Weib induziert, wobei die Verbindung von verderblichem weiblichem Rat und Baum unterschwellig Eva und das Urübel evozieren mag. „Horchend auf` steht in nächster Nähe zu „Gehorsam“. Der verblendete, blinde Gehorsam gegenüber dem Weib hat den Revolutionär — Forster — in das tiefste Unglück gestürzt, und das Xenion bietet sich als seine Klage und Mahnung dar. Das Motto, das aus Vergils Aeneis (6,618) stammt, reduziert ihn zum jämmerlichen exemplum monens:,Im äußersten Elend ermahnt Phlegyas alle.’ Als ein weiterer Phlegyas erscheint Forster überdies mit räuberischem Krieg gegen das Heiligste und Frevelei assoziiert, und gleichzeitig als einer, der aus der langen Geschichte nichts zu lernen vermochte.
Heyne, der sich zunächst für die Revolution begeistert hatte, fühlte sich durch seine Tochter kompromittiert und in seiner Position gefährdet. Forster, G.W. Böhmer und G.C. Wedekind hatten gleich im November 1792 übereifrig von Custine ein Schutzversprechen für die Universität Göttingen erwirkt, das deren Ruf, die Ideale der Revolution zu propagieren, noch verstärkte. Thereses Onkel Ernst Brandes, der Burke persönlich kannte, hatte als einer der ersten in Deutschland die Revolution auf publizistischer und diplomatischer Ebene bekämpft und wandte sich bald auch der Geschlechterrollendiskussion in konservativem Sinn zu. Zu Thereses Familienkontext vgl. in wissenschafts-und bildungsgeschichtlicher Hinsicht Renate Haas, V.A. Huber, S. Imanuel und die Formationsphase der deutschen Anglistik. Zur Philologisierung der Fremdsprache des Liberalismus und der sozialen Demokratie, Frankfurt, 1990, bes. S. 64 f. und 111 f.
Hahn (Hsg.), S. 76–79.
Hahn (Hsg.), S. 79–82.
Ludwig Geiger, Therese Huber, 1764 bis 1829. Leben und Briefe einer deutschen Frau, Stuttgart, 1901, S. 94.
Tübingen, 1795–96; Reprint Hildesheim, 1989.
Forster schilderte Therese seine direkten Eindrücke von Charlotte Corday und Théroigne de Méricourt (17,395–96 und 400–1). Obgleich sie interessiert nachhakte (vgl. 17,421–22), liefert er in den erhaltenen Briefen an sie nicht mehr viel weitere Information. Olympe de Gouges erwähnt er in ihnen gar nicht. Von Mary Wollstonecraft, der „Verfasserin der,Rechte des Weibes“ (17,339), schreibt er sehr wenig, obwohl er viel in ihrem Kreis verkehrte und sich nach W. v. Humboldt sogar in sie verliebt haben soll. Wilhelm v. Humboldt, Briefe an eine Freundin, Joachim Lindner ( Hsg. ), Berlin, 1986, S. 217.
Vgl. Helmut Peitsch, „Die Revolution im Familienroman. Aktuelles politisches Thema und konventionelle Romanstruktur in Therese Hubers Die Familie Seldorf“, Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, 28, 1984, S. 266.
Beiträge zur Geschichte der neuesten Literatur 1, Stuttgart, 1836; Reprint Frankfurt, 1973, S. 228.
Zu den Spiegelungen und Brechungen in den zahlreichen Nebenfiguren sowie zur direkten Kritik an Adel und „Pfaffen“ vgl. Heuser, „Jakobinerin”, S. 148–56. Hinsichtlich der Hinrichtung Ludwigs XVI., eines Wendepunkts im Roman, vgl. die briefliche Diskussion zwischen Therese und Forster: Klaus Harpprecht, Georg Forster oder Die Liebe zur Welt, Reinbek, 1987, S. 533.
Geiger, S. 108–9. Isabelle Charrière und Therese Huber waren sich in vieler Hinsicht ähnlich, wie letztere selbst anläßlich des Todes der Freundin 1805 in einem Brief feststellte. Die 1741 geborene holländische Adelige hatte in ihrer Jugend das Glück, „mehr Geistesfreiheit zu erlangen als die meisten ihres Geschlechts“. Faszinierend und stolz, wies sie zahlreiche Verehrer ab und kämpfte dann um den rangmäßig bedeutend niedrigeren Mann ihres Herzens. Nachdem sich dieser als zu beschränkt für ihren Überschwang erwies, reiste sie viel, verliebte sich in andere Männer und betätigte sich als Autorin. Als Therese sie kennenlernte, hatten sie „die ängstliche médiocrité der Menschen um sich, der ewige Widerspruch, den ihre Wünsche, ihre Gewohnheiten, ihre Ansichten überall und auch in ihren nächsten Umgebungen fanden, ihr stets getäuschtes Herz, ihr nahendes Alter […1 difficile gemacht. Sie war kühn, wie nur möglich ist, in allen Urteilen”. Therese und Ludwig Ferdinand wurden vorurteilslose Zeugen ihrer letzten Liebe, zu Benjamin Constant, den ihr 1795 Madame de Staël „entriß“. Geiger, S. 105–9.
Roland Mortier, „Un roman inachevé sur la Révolution vécue: Henriette et Richard, par Madame de Charrière“, Kolloquium Die Revolution in Europa — erfahren und dargestellt, Duisburg, 21.4.1989, ersch. in der Kolloquiumspublikation 1990 bei Peter Lang (Frankfurt).
Zit. nach Lydia Schieth, Die Entwicklung des deutschen Frauenromans im ausgehenden 18. Jahrhundert, Frankfurt, 1987, S 379.
Schieth, S. 312.
Geiger, S. 240.
Vgl. Haas, S. 114–15.
Leitzmann, S. 125.
Briefe an eine Freundin, S. 217–18.
Beiträge 1, 229.
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Haas, R. (1990). Therese Huber: Teilemanzipation und Schriftstellerinnenkarriere durch die Französische Revolution. In: Christadler, M. (eds) Freiheit, Gleichheit, Weiblichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95557-9_5
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