Zusammenfassung
In keinem anderen westeuropäischen Land — bis auf Spanien — spielt die katholische Kirche traditionell eine derart zentrale Rolle im Alltagsleben und in der Politik wie in Italien. Dabei ist der heutige Einfluß unvergleichlich schwächer als in den letzten Jahrhunderten, vor allem im Mittelalter, wo die weltliche Herrschaft als Abbild der kirchlichen Hierarchie erschien und häufig genug der kirchlichen Salbung bedurfte. Von 1523 bis 1978 waren alle Päpste Italiener und seit der Gründung des italienischen Nationalstaates 1861 befinden sich zwei souveräne Staaten — abgesehen von San Marino — auf italienischem Boden. Gegenüber dem Staat blieb die katholische Kirche distanziert und pflegte ein eher instrumentelles Verhältnis: wer ihr den kulturellen und sozialen Spielraum beließ, konnte mit ihrem Wohlwollen rechnen. Die direkte Beteiligung am politischen Leben ist erst Resultat der sozialen und politischen Veränderungen im Gefolge des Ersten Weltkrieges. Es entstanden katholische Arbeitervereine und 1919 wurde mit Billigung des Papstes die Volkspartei mit ausdrücklicher katholischer Orientierung gegründet. Zum wechselseitigen Frieden schlossen Kirche und italienischer Staat 1929 die Lateranverträge, die in drei Teilen das Verhältnis zwischen dem faschistischen Staat und der katholischen Kirche regelten: eine Übereinkunft über den Status Roms als Hauptstadt Italiens und über die Vatikanstadt als Ort der staatlichen Souveränität des Papstes; das Konkordat zur Regelung der rechtlichen Beziehungen mit der Erklärung des Katholizismus als Staatsreligion, der Pflicht zum Religionsunterricht usw.; und eine finanzielle Vereinbarung als Entschädigung für den Verlust des Kirchenstaates (1870) mit Steuervergünstigungen, staatlichen Gehaltszuweisungen u. ä.
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Drüke, H. (1986). Katholische Kirche und säkularisierte Gesellschaft. In: Italien. Grundwissen — Länderkunden, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95522-7_22
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