Zusammenfassung
Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die eine kritische Bestandsaufnahme bundesdeutscher Sozialpolitik für unvermeidbar halten und im Hinblick auf die Explosion der Kosten, den Geburtenrückgang, und der sich ausbreitenden „neuen Armut“ als Folge der hohen Arbeitslosigkeit, umfassende Reformen fordern. Die „Grenzen des Sozialstaates“ scheinen erreicht zu sein. Die Rezepte, die zur Reduzierung der Sozialausgaben angeboten werden, reichen von mehr Eigenverantwortung bei der Vorsorge für das Alter2, Selbstbeteiligung bei den Krankheitskosten, bis zur Forderung nach Absicherung „neuer Risiken“, die bisher von der Sozialversicherung nicht abgedeckt werden.3
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Anmerkungen
Vgl. Walter Wellner: Grenzen des Sozialstaates, überarb. und erw. 2. Auflage, München 1981, S. 79ff.
Vgl. Meinhard Miegel: Die verkannte Revolution (1), Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte, Stuttgart 1983, S. 34ff.
Hier sei auf die geforderte und sicherlich notwendige Pflegekostenabsicherung verwiesen, die bisher von der Sozialhilfe getragen wird.
Gerhard A. Friedl: Sozialpolitik — gestern — heute — morgen, 4. neubearb. Auflage, München 1977, S. 1
Vgl. die Bismarcksche Sozialgesetzgebung: „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ (15. Juni 1883); „Unfallversicherungsgesetz“ (6. Juli 1884); „Gesetz betreffend Invaliditäts- und Alterssicherung“ (22. Juli 1889).
Vgl. die Ausführungen von Karl Marx in den Frühschriften zur Entfremdung und zur Verdinglichung der Ware Arbeitskraft im Kapitalismus, oder die Beschreibung der Lage der arbeitenden Klasse in England von Friedrich Engels.
Vgl. Florian Tennstaedt Sozialgeschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Göttingen 1981, S. 16ff.
Vgl. zur Situation der Arbeiterklasse ebenda, S. 151ff.
Heinz Lampert Sozialpolitik, Berlin-Heidelberg-New York 1980, S. 166
Ebenda, S. 169
Vgl. ebenda, S. 167f.
Vgl. „Betriebsrätegesetz“ vom 4. Februar 1920
Vgl. „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ vom 16. Juli 1927
Diese Politik hat sich offensichtlich bewährt: Die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts betrug bis 1955 jährlich ca. 9.5%. Trotz der stark wachsenden Wohn- und Erwerbsbevölkerung infolge der Flüchtlingsströme aus dem Osten sank die Arbeitslosenquote von 10.4% (1950) auf 1.3% (1960).
Vgl, „Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände“ ( Soforthilfegesetz) vom B. August 1949;
Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges“ (Bundesversorgungsgesetz) vom 20. Dezember 1950;
Gesetz über den Lastenausgleich“ (Lastenausgleichsgesetz) vom 14. August 1952.
Vgl. „Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetz“ vom 23. Februar 1957;
Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz“ vom 23. Februar 1957 (Einführung der bruttolohnbezogenen Rente und des sog. „Generationenvertrages“.)
Vgl. „Bundessozialhilfegesetz“ vom 30. Juni 1961
Vgl. „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie“ vom 21. Mai 1951;
Betriebsverfassungsgesetz“ vom 11. Oktober 1952.
Vgl. „Bundesausbildungsförderungsgesetz“ (BAföG) vom 26. August 1971
Vgl. Art. 20 Abs. 1, S. 1 GG.: „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“
Vgl. Hans-Herrmann Hartwich: Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher status quo, Köln und Opladen 1970, S. 49ff.
Vgl. ebenda, S. 27ff.
Ebenda, S. 49
Ebenda, S. 50
So vertrat die SPD den Standpunkt, nur ein „Provisorium“ zu schaffen, um bald Wahlen ausschreiben zu können. Die CDU/CSU wiederum hoffte auf einen möglichst späten Wahltermin, um fortschreitende Besserung der Wirtschaftslage für sich zu nutzen. Vgl. Volker Hentschel,Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1880–1980, Frankfurt am Main 1983, S. 150ff.
Vgl. Karl Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Karlsruhe 1970, S. 86f.
Vgl. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Mitbestimmungsfrage, inwieweit ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat die Eigentumsrechte der Unternehmer tangiert.
Vgl. Hans-Herrmann Hartwich Sozialstaatspostulat…, a.a.O., S. 281ff.
Vgl. ebenda, S. 54ff.; ebenso Hans Peter Widmaier Sozialpolitik im Wohlfahrtsstaat, Hamburg 1976, S. 30ff.
Gerhard Mackenroth Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan, in: Sozialpolitik und Sozialreform, hrsg. von Erik Boettcher,Tübingen 1957, 43–74, S. 43
Vgl. ebenda, S. 43ff.
Ebenda., S. 45
Volker Hentschel Geschichte…, a.a.O., S. 163
Vgl. Heinz Lampert Sozialpolitik, a.a.O., S. 224
So stiegen die Versicherungsrenten der Angestellten um ca. 64.9%, die der Arbeiter um ca. 58.8%, vgl. Volker Hentschel, Geschichte…, a.a.O., S. 168
Beispielsweise ist die Benachteiligung von Frauen eher verstärkt worden. Auch eine sog. „Familienkomponente“ ist im Rentenanpassungsneuregelungsgesetz von 1957 nicht enthalten.
Vgl. Volker Hentschel.’ Geschichte…, a.a.O., S. 182
Walter Auerbach Beiträge zur Sozialpolitik, Neuwied und Berlin 1971, S. 13
Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung betrug 1950: 7.200,- DM, im Jahre 1985: 64.800,- DM;
der monatliche Höchstbetrag belief sich im Jahre 1950 auf 108,- DM, im Jahre 1985 aber auf 1.010,- DM. Vgl. zu den Versicherungspflichtgrenzen, Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätzen in der Sozialversicherung Heinz Lampert Sozialpolitik, a.a.O., S. 226/227
gab es in der Bundesrepublik 27.640.000 Erwerbspersonen, 26.670.000 waren Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, davon waren 21.700.000 Pflichtmitglieder. Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Gesellschaftliche Daten 1982, S. 109 und S. 289 (eigene Berechnung).
Heinz Lampert Sozialpolitik, a.a.O., S. 180
Die These von der „Nivellierung“ wurde zuerst von Schelsky 1953 formuliert, findet sich aber in zahlreichen Veröffentlichungen bis in die siebziger Jahre hinein.
Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Das Transfersystem in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1981, S. 10ff.
Vgl. etwa die Bemühungen der CDU/CSU um eine Hausfrauenrente, oder die Absicht des Gesetzgebers, in der Rentenversicherung ein sog. „Babyjahr“ einzuführen.
waren 61% der Sozialhilfempfänger Frauen; bei den 60 Jahre und älteren Beziehern sogar 78%.
Heinz Lampert Sozialpolitik, a.a.O., S. 180
Die Sozialleistungsquote, d. h. das Verhältnis der Sozialleistungen zum Bruttosozialpodukt, betrug 1960 20.7%, 1981 aber bereits 31.2%. Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundes-
regierung (Hrsg.): Gesellschaftliche Daten 1982, a.a.O., S. 281
Vgl. Bundesministerium frir Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Das Transfersystem…, a.a.O.. S. 53
Die Bruttolöhne und -gehälter stiegen langsamer, als bei der Finanzplanung unterstellt wurde.
Vgl. die Vorschläge der Transfer-Kommission zur Finanzierung und der Bemessung von Staatszuschüssen: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Das Transfersystem…, a.a.O., S. 240ff.
Tatsächlich würde nur bei einer Verdoppelung des gegenwärtigen Geburtenniveaus der zunächst rückläufige Anteil junger Menschen unter 15 Jahren wieder ansteigen, eine sehr unrealistische Annahme. Vgl. die Modellrechnungen zur Entwicklung der deutschen Bevölkerung in: BT-Drucksache 8/680 vom 24.6. 1977
Die Nettoreproduktionsziffern liegen mittlerweile in allen westeuropäischen Ländern unter 1.
Die durchschnittliche Lebenserwartung der bundesdeutschen Bevölkerung hat sich in den letzten hundert Jahren nahezu verdoppelt. Vgl. Karl Martin Bolte u. a.: Bevölkerung, Opladen 1980, Tab. 5, S. 155
Vgl. Max Wingen Bevölkerungsentwicklung — eine politische Herausforderung, 1. Auflage, München 1980, S. 43ff.
Vgl. ebenda, S. 44
Vgl. ebenda, S. 45
Unter der Bedingung, daß sich die Erwerbsbeteiligung nicht wesentlich ändert.
Ebenda, S. 47
Und die Ausgaben für Kinder entsprechend niedriger. Der Einbau einer „Familienkomponente“ in die Sozialversicherungsbeiträge wäre eine Form des Familienlastenausgleichs.
Hier wäre an eine Art „Teilkaskoversicherung“ zu denken: bestimmte Risiken werden vom Versicherten selbst getragen, dafür wird ein Beitragsabschlag gewährt.
Etwa die Rezeptgebühr oder die „Krankenhausgebühr“ von 5 DM
Vgl. die Ausführungen bei Heinz Lampert Sozialpolitik, S. 225ff.
Betriebskrankenkassen, Ortskrankenkassen, Ersatzkassen u. a.
Auch Arbeitszeitverkürzungen haben vermutlich eine Stagnation der Löhne und Gehälter und geringere Konsumausgaben zur Folge.
Meinhard Miegel Die verkannte Revolution, a.a.O., S. 21ff.
Miegel argumentiert anhand von Haushaltstypen: das durchschnittliche Haushaltsvermögen liegt bei 230.000 DM unter Einbeziehung des Immobilienbesitzes (Eigentumswohnung) und der Versorgungsansprüche (Renten, Pensionen). Vgl. ebdenda, S. 75ff.
Ebenda, S. 29
Vgl. Peter Cross Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft, Opladen 1983, der sich besonders mit den personenbezogenen Dienstleistungen beschäftigt.
Eckart Pankoke Geschichtliche Grundlagen und gesellschaftliche Entwicklungen moderner Sozialpolitik, in: Gegenwartskunde, Sonderheft 1983, a.a.O., 23–40, S. 37
Vgl. Richard Hauser Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Gegenwartskunde, Sonderheft 1983, Sozialpolitik der Bundesrepublik, 127–149
Vgl. ebenda, S. 130
Ebenda, S. 130
Vgl. ebenda, S. 130/131
Vgl. „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“, vom 19. Dezember 1974
Zwar gibt es einen Betriebsrentensicherungsfond, der schon in den letzten Jahren nicht ausreichte.
Das Problem stellt sich als Folge der gestiegenen Lebenserwartung ganz neu: ein männlicher Erwerbstätiger könnte theoretisch für folgende Personen unterhaltspflichtig sein: für die Ehefrau, die minderjährigen Kinder, seine Eltern, seine beiden Großelternpaare und für mögliche Mitglieder der Urgroßelterhgeneration, also für fünf bis 10 Personen. Das Beispiel läßt sich beliebig ausmalen, um die Unmöglichkeit zu demonstrieren.
Vgl. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Das Transfersystem, a.a.O., S. 38f.
Vgl. ebenda, S. 32ff.
Ebenda, S. 281
Vgl. ebenda, S. 229ff. und Heinz Lampert Sozialpolitik, a.a.O., S. 488ff.
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Recker, H. (1985). Sozialpolitik in der Bundesrepublik. In: Hradil, S. (eds) Sozialstruktur im Umbruch. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95501-2_13
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