Zusammenfassung
Die Worte, die Wels am 23. März 1933 anläßlich der Debatte über das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“ sprach200, welches faktisch die Grundrechtsordnung aufhob (§ 2), verdeutlichen den zeitlich außerordentlich weit gespannten inneren Zusammenhang sozialdemokratischer Verfassungsanalyse und Politik. „Freiheit und Sozialismus“ bildeten für die Sozialdemokratie eine Einheit und machten trotz der über die Grenzen der Gegenwartsverhältnisse hinausweisenden Zukunftsperspektive den Kern verfassungspolitischer Konstanz aus. Die Rezeption liberaldemokratischer Vorstellungen im Kaiserreich hatte sich in der Weimarer Republik Zu einer werthaft begründeten Verteidigung der Verfassungsordnung gewandelt, die zunehmend transitorische Vorstellungen wie die Relativierung der Verfassung als „erstem Meilenstein auf dem Wege zum Sozialismus“201 in den Hintergrund drängte. Insgesamt ist nicht zu bestreiten, daß sich die sozialdemokratischen Verfassungsvorstellungen durch eine deutlich liberale Kontinuität auszeichneten: Bernsteins Verarbeitung von lassalleanistischen und marxistischen historisch-politischen Verfassungsanalysen und ihre Verbindung mit den aus der Kritik von Verfolgung und Ausnahmegesetz entwickelten Elementen liberaler Schutzfunktionen der Verfassung erweist, daß die Sozialdemokratie ihre im Kaiserreich entwickelten Funktionsbestimmungen von Staat und Verfassung in der Novemberrevolution kontrolliert umsetzte und als „Reichsgründungspartei“202 der Republik in der Auflösungsphase ihre Schöpfung verteidigtem203.
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Steinbach, P. (1983). Untergang. In: Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis. Kleine politische Texte. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95470-1_17
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95470-1_17
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