Theorie und Praxis. Theodor W. Adorno: Negative Dialektik

Zusammenfassung

„Nur als das von der allgemeinen Praxis Eximierte ist das Individuum des Gedankens fähig, dessen verändernde Praxis bedürfte.“ (337) Der Satz von Theodor W. Adorno formuliert zwei Hauptmotive: Theorie-Praxis und Bewahrung der Individualität. Zu jenem: nach Hegel ist die allgemeine Praxis Thesis, der Gedanke des von ihr Eximierten Antithesis, die an ihm orientierte Veränderung Synthesis oder Negation der Negation, durch welche die allgemeine Praxis zugleich mit ihrer Antithesis „aufgehoben“ wird. Also „glättet“ Hegel den Widerspruch zwischen allgemeiner Praxis und Gedanken „durch Identität“: kann jene aufgehoben werden, so muß etwas Positives an ihr sein. Der „unbeirrt“ negativen Dialektik aber ist Hegels Antithese „nicht negativ genug“ und gilt das Negative — die allgemeine Praxis — für „negativ, bis es verging“ (162). Genügt seine Veränderung nicht, so klingt schon die Frage an, die Adorno am Ende offen läßt: wie die neue Ordnung hergestellt werden kann, wenn nicht modifizierend und mithin auch bewahrend vom Bestehenden ausgegangen werden darf. — „Allgemein“ ist die Praxis „falscher“, weil durch das „herrschaftliche Prinzip“ „antagonistisch“ zerrissener Gesellschaft. Dieses Prinzip zeitigt „vergeistigt die Differenz zwischen dem Begriff und dem ihm Unterworfenen“: maßgeblich für die Ordnung der Erscheinungen ist das Allgemeine; die Merkmale, die den Erscheinungen über die des jeweiligen Begriffs hinaus zukommen, sind „gleichgültig“. Insistieren wir aber auf der Individualität einer Erscheinung, die nach Maßgabe des Allgemeinen nicht zu bestimmen ist, so ist das „Verletzung der Logik“ und — wenn sie den Primat hat — nicht zu dulden: als „Widerspruch“ (57f.)

Aus: W. Ritzel: Philosophie und Pädagogik im 20. Jahrhundert. Darmstadt 1980.