Westliches und östliches „Wirtschaftswunder“ — der wirtschaftliche Wiederaufbau in beiden Teilen Deutschlands

Zusammenfassung

Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Nachkriegsentwicklung in beiden Teilen Deutschlands, besonders beim Vergleich der Ergebnisse dieser Entwicklung, stehen zumeist die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme im Mittelpunkt des Interesses. Dem System der östlichen Planwirtschaft, der „Zwangswirtschaft“, wird häufig die alleinige Schuld an dem schlechten Ergebnis des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in der DDR gegeben. Hierzu ist zweierlei zu sagen: Einmal steht nicht von vornherein fest, daß das Ergebnis des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in der DDR schlechter ist als in der Bundesrepublik. Zwar kann man zeigen — und im folgenden wird das auch geschehen — daß die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik in fast allen Wirtschaftsbereichen besser ist als in der DDR, aber eine vergleichende Aussage über den Wiederaufbau kann sich nicht nur auf einen willkürlich ausgewählten Endpunkt eines Entwicklungsabschnittes beziehen, sondern muß auch die Situation des Ausgangspunktes und die damals vorherrschenden Unterschiede berücksichtigen. Und zweitens kann man wirtschaftliche Entwicklungen und ihre Ergebnisse nicht auf einen Faktor allein, hier das Wirtschaftssystem, zurückführen. Sicher hat das System auf die Entwicklung Einflüsse ausgeübt, positive und negative und sicherlich sogar mehr negative als positive. Daneben gibt es aber eine Fülle anderer Faktoren, teils ökonomische, aber nicht beeinflußbare, teils auch außerökonomische Faktoren, die für die Entwicklung maßgebend waren. Diese Faktoren sollen daher zunächst einmal etwas näher untersucht und in ihrer Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung der DDR abgeschätzt werden.