Zusammenfassung
In der sozialwissenschaftlichen Partizipationsforschung dominieren zwei konkurrierende theoretische Ansätze, die beide einen Erklärungsanspruch mittlerer Reichweite besitzen: ein Sozialisationsmodell und ein Ressourcenmodell. Das Sozialisationsmodell hat die Auswirkungen von unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen und —inhalten auf das politische Beteiligungsverhalten zum Gegenstand und interessiert sich fir die Existenz und politische Wirksamkeit bestimmter Nonnen, Ideologien und Wertorientierungen. Das Ressourcenmodell hingegen hebt auf die individuelle Ausstattung mit partizipationsfördernden Ressourcen ab: Kognitive Ressourcen, Zeitressourcen, organisatorische und kommunikative Fähigkeiten werden als partizipationsrelevante Einflußgrößen ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Beide Ansätze sind zur Erklärung von Protestverhalten und -dispositionen fruchtbar gemacht worden. So stützt sich die Inglehartsche Wertewandeltheorie im wesentlichen auf sozialisationstheoretische Überlegungen, was sich insbesondere an der zentralen Bedeutung generationsspezifischer Erfahrungen und damit verbundener Wertorientierungen in diesem Erklärungsmodell ablesen läßt (Inglehart 1971;1977;1989;1997). Ressourcentheoretische Argumentationsmuster bilden die Basis des sozioökonomischen Statusmodells zur Erklärung von politischem Partizipationsverhalten, wie es von Verba/Nie (1972, 125ff.) ausgearbeitet und von Verba/Nie/Kim (1978) fir den internationalen Vergleich fruchtbar gemacht worden ist.78
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Einen knappen Überblick über unterschiedliche Definitionen und Konzeptualisierungen geben Lane/Ersson (1987, 39ff.).
Entsprechend faßt Inglehart (1983, 139) selbst den Cleavagebegriff auch weiter: „Politische Trennungslinien (`cleavages’) können als relativ stabile Polarisierungsmuster gesehen werden, durch die bestimmte Gruppen eine entsprechende Politik oder Partei unterstützen, während andere Gruppen für die entgegengesetzte Politik oder Partei eintreten“.
Überblicke über den Stand der NSB-Forschung geben Dalton/Küchler (1990) sowie Rucht (1991).
Auch setzt er die Alte Politik/Neue Politik-Dimension mit einer Establishment/Anti-Establishment-Dimension gleich (Inglehart 1979b, 353).
Einen Überblick über die Postmaterialismusdiskussion geben Müller-Rommel (1983) und Scarbrough (1995).
In einer früheren Veröffentlichung sprach Flanagan (1979, 259) von „traditionellen“ versus „libertären” Werten.
Rose (1974, 10) hielt Lipset und Rokkan vor, sie hätten in ihrem einflußreichen Aufsatz zur Cleavage-Thematik (Lipset/Rokkan 1967) keine Angaben darüber gemacht, wie man ihre Cleavage-Dimensionen mit Umfragedaten analysieren könne.
Dieser „Standardhinweis auf mögliche neue Cleavages“ (Pappi 1976, 263) wurde schon frühzeitig von Allardt (1968) vorgebracht.
Vgl. auch das allgemeine Modell zur Erklärung politischen Verhaltens von Falter (1972). Im folgenden, individualisierungstheoretisch fundierten Kapitel (3.2) wird eine alternative Konzeptualisierung des Zusammenhangs zwischen Makrostrukturen und -entwicklungen, individuellen Werten und der Protestneigung dargestellt.
Diesen Aspekt betont Snow in seinen Arbeiten über soziale Bewegungen (Snow u. a. 1986; Snow/Benford 1988 ). Seine Argumentation läßt sich auf andere kollektive Akteure übertragen, die auf Mobilisierungsstrategien setzen.
Kriesi u. a. (1995, 6) sprechen von einer „herausragenden Konfliktlinie“ (salient cleavage),wenn diese nicht institutionalisiert und pazifiziert ist.
Zur schrittweisen Entschärfung des Konflikts um die Verfassungsordnung und zur Verankerung der Verfassung(-sprinzipien) der V. Republik im Bewußtsein der Franzosen vgl. Parodi (1984).
Einen deutsch-französischen Vergleich der Entwicklung grüner und rechtsextremer Parteien, der dieser Interpretationslinie folgt, bieten Ruß/Schmidt (1998).
In bezug auf die Anhänger grüner Parteien in beiden Ländern gilt dies stärker für die Bundesrepublik als für Frankreich, wie sich im Vergleich der Einstellungen zu Einwanderungsfragen zeigen läßt (Hoffmann-Martinot 1991, 85).
Einen Überblick über den historischen Schulstreit und über seine letzten Manifestationen 1984 und 1994 gibt Coq (1995, 41–88).
Einen historischen Überblick mit zahlreichen weiteren Verweisen gibt Kaelble (1991, 87ff. und 196ff.).
Eine umfassende und im Aufbau identische Übersicht über soziale Wandlungstrends bieten Forsé u. a. (1993) für Frankreich sowie Glatzer u. a. (1992) für Deutschland; in vergleichender Perspektive: Langlois u. a. (1994).
Einen Überblick über die Lebensstil- und Milieudiskussion gibt Hradil (1992); siehe auch Berger/Hradil (1990).
Diesen Abbau von, functional constraints“ der individuellen Selbstverwirklichung rückt Flanagan (1979;1982a) ins Zentrum seiner Erklärung von Wertewandelsprozessen.
In die gleiche Richtung weist auch die Argumentation von Bürklin/Klein/Ruß (1996, 527ff.), die von einem „anthropozentrischen Wertewandel“ sprechen.
Raschke (1985, 259) sieht in „Erkämpfung, Gestaltung und Schutz von Freiräumen gegenüber Staat und Markt“ den strategischen Grundgedanken neuer sozialer Bewegungen.
Einen guten Überblick über das Konzepts der „political opportunity structures” und seine Verwendung bei verschiedenen Autoren gibt Rucht (1994, 295ff.).
Den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Wertewandel und politischem Interesse diskutiert Van Deth (1992).
Verba/Schlozman/Brady (1995, 320ff.) konnten auf der Grundlage US-amerikanischer Daten am Beispiel der aktiven Teilhabe am kirchlichen Gemeindeleben zeigen, wie diese die politischen Ressourcen ansonsten ressourcenschwacher Bevölkerungsgruppen verbessert.
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Schild, J. (2000). Politische Konfliktlinien und individualistische Werte als Basis der Protestneigung — zwei theoretische Skizzen. In: Politische Konfliktlinien, individualistische Werte und politischer Protest. Frankreich-Studien, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95200-4_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95200-4_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-2491-6
Online ISBN: 978-3-322-95200-4
eBook Packages: Springer Book Archive