Zusammenfassung
Die deutsche Vereinigung brachte eine Reihe von Folgen für die religiösen Institutionen in der ehemaligen DDR mit sich. Nach 40 Jahren atheistischer Propaganda und Politik bekamen die christlichen Kirchen mit der Ausdehnung des Grundgesetzes auf die neuen Bundesländer neue verfassungsmäßige Garantien. Darüber hinaus wurde die Beteiligung organisierter Interessen im Bereich der Politikentwicklung und Bereitstellung öffentlicher Güter garantiert: Es eröffnete sich für die Kirche ein bislang verschlossenes Feld öffentlicher Mitverantwortung (u.a. im Schul- und Sozialwesen, in den Massenmedien sowie im Heer). So stärkte die weitere Bundes- und Landesgesetzgebung die Position der organisierten Interessen; die Verfassungen der neuen Bundesländer beinhalten explizite Hinweise auf die Kirchen und ihre Wohlfahrtsorganisationen. Die neuen Länderverfassungen verliehen der Religion eine öffentliche Rolle in den neuen Bundesländern. Daiber kommentiert die Situation folgendermaßen: „Es gibt eine öffentliche Rolle des Christentums, repräsentiert in Ostdeutschland über christlich mitgeprägte Eliten, nicht immer die Breite der Orientierung der Bevölkerung widerspiegelnd, aber doch öffentlich einflußreich“ (1994: 14).1 Damit erscheint die neue Situation auf den ersten Blick, zumindest in den neuen Bundesländern, als ein „Christenglaubenstaat ohne Christen“.
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Thériault, B. (2000). Die „Professional Guardians of the Sacred“ und die deutsche Verfassunggebung. In: Pollack, D., Pickel, G. (eds) Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989–1999. Veröffentlichungen der Sektion „Religionssoziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95198-4_9
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