Zusammenfassung
Die im vorliegenden Aufsatz enthaltene Argumentation reagiert auf die als unbefriedigend empfundene Forschungslage zur Affäre Dreyfus. Die Forschungslage muß aus folgendem Grund als unbefriedigend gelten: Sie birgt zwar „keine Geheimnisse mehr“ (Duclert 1994, 141), und der Fall Dreyfus ist historiographisch bestens erforscht, aber eine wirklich schlüssige Erklärung dafür, wie in Frankreich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus einem in seinen kriminalistischen Ausmaßen eher unbedeutenden Spionagefall eine Fundamentalkrise des französischen Nationalstaates, wie aus den Einzelkrisen in Armee, Justiz und Öffentlichkeit eine Gesamtkrise hat entstehen können, warum die Affäre die ganze französische Gesellschaft in ihren Sog nahm, warum sie sich so lange hinzog und wie sich die anhaltenden Widerstände gegen die Rehabilitierung des zu Unrecht verurteilten Hauptmanns Dreyfus erklären, liegt bislang nicht vor. Was erst noch zu leisten wäre, ist eine auf der Grundlage der historischen Kenntnisse aufruhende, am sequentiellen Verlauf des Geschehens selbst vorzunehmende Bestimmung des materialen Strukturproblems, das in der Affäre zum Ausdruck kommt und das das massive Zerwürfnis in der französischen Öffentlichkeit 1898/99 motiviert haben muß als der Kern eines Konfliktes zwischen konträren Vorstellungen über die Zukunft des französischen Gemeinwesens.
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Literaturverzeichnis
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Franzmann, A. (1998). Der Intellektuelle als Protagonist der Öffentlichkeit. In: Albertin, L., et al. Frankreich-Jahrbuch 1998. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95177-9_8
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