Zusammenfassung
Die japanische Frauenbewegung hat eine Tradition, die bis an den Anfang des Jahrhunderts zurückreicht. Da es aber bisher noch keine systematische Gesamtdarstellung gibt, ist es schwierig, einerseits die durchgehenden Entwicklungen und andererseits die Brüche in der gesamten japanischen Frauenbewegung differenziert zu analysieren. In der ersten Frauenbewegung mussten die Frauen ihre Emanzipation gegen das damalige patriarchalische Familiensystem (ie seido) und gegen die herrschende Familien- und Staatsideologie erkämpfen, um sich als eigenständige Subjekte entwickeln zu können. Es war für sie ein revolutionärer Schritt, als sie begannen, „Ich“ zu sagen. Die Dichterin Yosano Akiko schrieb stolz in einem berühmten Text: „Von nun an schreibe ich nur in der ersten Person. Ich bin eine Frau.“ Auch ihr gesellschaftliches Selbstverständnis als „Neue Frauen“ konnten die Frauen damals als Gegenentwurf zum herrschenden, vom Staat proklamierten und propagierten Leitbild der ‚ryôsai kenbo ‘(gute Ehefrau und weise Mutter) entwickeln. Die Ausgangssituation der Frauen in der neuen Frauenbewegung schien zunächst einfacher zu sein: Die japanische Verfassung, die 1947 in Kraft getreten war, untersagt in Art. 14 die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und garantiert mit dem Art. 24 die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Es war aber ein schwieriger Prozess, die unsichtbare strukturelle Diskriminierung, die nicht nur im Bewusstsein der Männer, sondern auch der Frauen selbst tief verinnerlicht war und z.T. heute noch ist, sichtbar und bewusst zu machen und auszudrücken. Die Frauen mussten aus der negativen Grunderfahrung der Diskriminierung ihr Leben und Frausein angehen, beides neu definieren und versuchen, die Gesellschaft von dort aus zu verändern — und die Möglichkeit der Entwicklung einer neuen Subjektivität zu gewinnen.
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Mae, M. (2000). Wege zu einer neuen Subjektivität — Die neue japanische Frauenbewegung als Suche nach einer anderen Moderne. In: Lenz, I., Mae, M., Klose, K. (eds) Frauenbewegungen weltweit. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, vol 18. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95173-1_2
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