Zusammenfassung
Mit Ausnahme des Zwischenspiels des Vichy-Regimes (1940–1944) ist Frankreich seit 1870 eine Republik. Eine derartig außergewöhnliche Lebensdauer eines politischen Systems bedarf der Erklärung, zumal die Lebenserwartung der Regime Frankreichs im 19. Jahrhundert zwanzig Jahre kaum überschreitet. Die Erklärung wird von den an dieser Problematik interessierten Historikern nunmehr weitgehend geteilt: Die Republik beschränkt sich nicht auf eine institutionelle Konstruktion, sondern stellt ein umfassendes politisches Modell dar, das ich in einer jüngeren Arbeit mit einem soziopolitischen Ökosystem verglichen habe.2 In Analogie zum biologischen Ökosystem, das ein natürliches Umfeld (Klima, Boden, Wasser) in engen Zusammenhang mit den dortigen Lebewesen bringt, verkörperte die Republik in bestimmten Epochen ihrer Geschichte die Bedürfnisse, Erwartungen, Normen und Wertvorstellungen des größten Teils der französischen Gesellschaft, wodurch ein Gleichgewicht zustande kam, das die Verankerung und die Stabilität dieses politischen Systems zu erklären vermag. Dieses seltene Gleichgewicht wird im Laufe des 20. Jahrhunderts zweimal verwirklicht, in den ersten Jahren des Jahrhunderts vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs sowie in den sechziger Jahren, der Zeit des starken Wirtschaftswachstums. Beide republikanischen Modelle gehen auf die ursprüngliche Idee der Republik zurück, sind aber in ihren Ausdrucksformen sehr unterschiedlich, zum Teil sogar widersprüchlich. Hierin äußert sich ein ständiger Prozeß der Anpassung an den durch die geschichtliche Konjunktur hervorgebrachten Wandel.
Übersetzung: Karin Albert
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© 1999 Leske + Budrich, Opladen
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Berstein, S. (1999). Die beiden republikanischen Modelle Frankreichs im 20. Jahrhundert. In: Albertin, L., et al. Frankreich-Jahrbuch 1999. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95143-4_3
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