Zusammenfassung
Die Dimensionen betrieblicher Transformation sollen im folgenden in drei Schritten verdeutlicht werden; zunächst werden Funktion und Struktur von Betrieben im Wirtschaftssystem der DDR und Befunde zur technisch-arbeitsorganisatorischen Struktur im DDR-Maschinenbau dargestellt und deren Bestimmungsgründe diskutiert. Hier sind, wie im folgenden deutlich werden wird, grundsätzlich zwei Perspektiven zu unterscheiden. In offizieller Lesart erschloß sich die Gestaltung betrieblicher Strukturen aus rechtlichen Festlegungen und programmatischen Verlautbarungen — eine Perspektive, die jedoch um die Analyse der tatsächlichen betrieblichen Handlungsspielräume erweitert werden muß, um die eigentümliche Doppelstruktur planwirtschaftlichen Handelns in den Blick zu bekommen, wobei die „Besonderheit planwirtschaftlicher Koordinierungsformen [..] nicht die Existenz einer Diskrepanz zwischen offiziellen Koordinierungsformen und tatsächlichem Entscheidungsverhalten, sondern eher ihr Ausmaß und ihr systematischer Stellenwert“ (Heidenreich 1991a: 413) war. Im Anschluß an die Darstellung der Befunde zu Arbeit und Technik im staatssozialistischen System wird dann die Konstitution der Akteure wirtschaftlichen Wandels behandelt, um schließlich in einem dritten Schritt die Prozesse industrieller (Re-) Strukturierung zu beschreiben.
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Literatur
Dies wurde als Prozeß der „politischen Privatisierung“ des Staates interpretiert: „Die kommunistischen Parteien mit ihrem Machtmonopol übernehmen so die Techniken und die Institutionen der staatlichen Herrschaft, die im Prozeß der Modernisierung der bürgerlichen Gesellschaft entstanden sind, sie unterwerfen sie aber ausschließlich ihrer Disposition, indem sie die Selbstkontrolle dieser Institutionen durch das positive Recht und den öffentlichen Diskurs aufheben und durch eine Legitimation kraft Außerordentlichkeit ersetzen, die eine Kontrollierbarkeit und somit auch Kalkulierbarkeit der Macht ausschließt.“ (Srubar 1991: 419).
Hildebrandt (1990: 96) beschrieb dies für eines der großen Maschinenbaukombinate wie folgt: „Der Verkauf lief über die staatliche Handelsorganisation; die Nachfrage war immer höher als die Produktionskapazität. Die Jahresplanung war eine Fortschreibung der bisherigen Produktion plus 5 Prozent Wachstum. Kundenwünsche bezüglich Sonderausführungen, Qualitätsanforderungen, Service und Lieferterminen — die für die Entwicklung der Produktionsorganisation in der Bundesrepublik in den letzten Jahren entscheidend waren -spielen in den DDR-Betrieben kaum eine Rolle. Das Produktionsergebnis wird über die Staatsbürokratie verteilt.“
„Die Volkswirtschaftspläne wurden durch weniger verbindliche Perspektivpläne ersetzt, die Betriebe konnten in gewissen Grenzen über ihr Produktionssortiment, über Gewinn-erzielung und Gewinnverwendung entscheiden.“ (Cornelsen 1988a: 357)
Zu unterschiedlichen Typen von Kombinaten und zur Einschätzung der Wirkungen der Kombinatsbildung vgl. Melzer et al. (1979).
Heidenreich (1991b) erklärt diese Pendelbewegungen zwischen den institutionellen Alternativen Zentralisierung und Dezentralisierung durch das Auftreten unterschiedlicher Arten von Transaktionskosten.
— so daß es problematisch erscheint, generell von einer entdifferenzierten bzw. vormodernen Gesellschaft zu sprechen (Aderhold et al. 1994: 29). Zur Diskussion um die „Modernität“ der DDR-Gesellschaft vgl. auch Srubar (1991) -
„Seit Anfang der 60er Jahre war man sich grundsätzlich im klaren darüber, daß die Phase des extensiven Wachstums zu Ende gekommen sei; das Arbeitskräftepotential war ausgeschöpft, eine Steigerung der Akkumulationsrate nicht mehr akzeptabel. In der Phase des intensiven Wachstums mußte dieses, wie im Westen, aus dem Strukturwandel und dem technischen und organisatorischen Fortschritt gespeist werden.“ (Wagener 1996: 40).
Vgl. Voigt et al. (1987).
Im Rahmen des statistischen Systems der DDR wurden Maschinen- und Fahrzeugbau stets gemeinsam ausgewiesen, so daß eine separate Bestimmung der Beschäftigenzahlen nur aufgrund von Schätzungen möglich ist, wie sie beispielsweise Hübner (1992) vorgelegt hat. Die in diesem Abschnitt vorgestellten eigenen Berechnungen haben dagegen die insgesamt ausgewiesenen Zahlen zur Grundlage.
Quelle: Statistisches Amt der DDR (Hrsg.) (1990: 183), eigene Berechnungen, bezogen auf Beriebe mit mehr als 25 Beschäftigten. Zum Vergleich: die durchschnittliche Beschäftigtenzahl in den westdeutschen Betrieben lag zu diesem Zeitpunkt bei 174 Beschäftigten.
Quelle: Statistisches Amt der DDR (Hrsg.) (1990: 184). Hier wurde allerdings keine betriebsgrößenspezifische Differenzierung vorgenommen, so daß der Durchschnittswert durch die Einbeziehung der Betriebe mit 25 und weniger Beschäftigten verzerrt wird.
Hier ist allerdings teilbranchenspezifisch zu relativieren. Besonders hohe Stückzahlen fertigte infolge seiner starken Exportorientierung bspw. der Schwer- und der Werkzeugmaschinenbau, während der Allgemeine und der Land-Maschinenbau eher in Klein- und Mittelserienfertigung produzierten (vgl. Cornelsen 1983: 38).
Exportvolumen gemessen in Mio. Mark Valutagegenwert, effektive Preise. Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1990, eigene Berechnungen.
Schon Lenin (1975: 29) hatte auf die Vorteile hingewiesen, die die Anwendung bestimmter Aspekte des Taylor’schen Systems für sozialistische Gesellschaften mit sich bringen würde: „Arbeiten lernen — diese Aufgabe muß die Sowjetmacht in ihrem ganzen Umfang stellen. Das letzte Wort des Kapitalismus in dieser Hinsicht, das Taylorsystem, vereinigt in sich — wie alle Fortschritte des Kapitalismus — die raffinierte Bestialität der bürgerlichen Ausbeutung und eine Reihe wertvollster wissenschaftlicher Errungenschaften in der Analyse der mechanischen Bewegung bei der Arbeit [...]. Die Sowjetrepublik muß um jeden Preis alles Wertvolle übernehmen, was Wissenschaft und Technik auf diesem Gebiet errungen haben.“
Zu neuen Formen der Arbeitsorganisation im Ost-West-Vergleich vgl. Grootings (1989: 217).
Für den Werkzeugmaschinenbau vgl. Deppe/Hoß (1989: 239 ff.). Zur Bedeutung von Gruppenarbeit vgl. Nawroth/Kullmann (1992).
Zum Diffusionsverlauf der NC-Technik im westdeutschen Maschinenbau vgl. Hauptmanns et al. (1992), Hirsch-Kreinsen (1989).
Im Westen war die NC-Technologie bereits seit Anfang der 50er Jahre, schwerpunktmäßig in den USA, entwickelt worden (Hirsch-Kreinsen 1989; Bergmann et al. 1986), setzte sich jedoch auf breiter Ebene erst in den 70er und 80er Jahren durch.
Vergleichszahlen für die Bundesrepublik zeigen, daß im selben Jahr erst in 8,3% der Betriebe CAD-Systeme eingesetzt wurden (ISF), eine CAD/CAM-Vernetzung hatten 2,8% der Betriebe vorgenommen. Erst mit dem enormen Preisfall der Informationstechnik und der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Systeme setzte in der Bundesrepublik für diesen Bereich ein regelrechter Boom ein, so daß schon im Jahr 1991 in knapp 60% der Betriebe ein CAD-System im Einsatz war und 15,5% der Betriebe eine CAD/CAM-Vernetzung vorgenommen hatten. Zahlen: NIFA-Panel, 1. Welle 1991.
„Verläßt der Beobachter — der Forscher oder der Berater — nach längerem Aufenthalt den ostdeutschen Betrieb, zeigt sich ihm über dem Ausgang die andere Seite des Januskopfes: eine in der praktischen Durchdringung des Betriebsalltags weitgehend gescheiterte bürokratische Organisation, deren Effizienz ohne die Existenz gemeinschaftlicher Strukturen stark eingeschränkt wäre, deren eingeschränkte Effizienz aber die Bedingung für die Ausbildung der Gemeinschaftlichkeit ist, die ihrerseits wiederum die Effizienz bürokratischer Organisation begrenzt.“ (Edeling 1992a: 983)
So war etwa der Werkzeugmaschinenbau insgesamt mit vergleichsweise „moderner“ Produktionstechnik ausgestattet.
Die Begriffe „Unternehmung“ und „Unternehmen“ werden im folgenden als Synonyme verwendet.
Hier handelt es sich natürlich um eine mehr oder weniger idealtypische Charakterisierung des marktwirtschaftlichen Systems; zur Unterscheidung der Begriffe Wirtschaftsordnung, -Verfassung und -system vgl. Leptin (1992).
Zum Prozeß der Aufspaltung der Treuhandunternehmen und seinen rechtlichen Grundlagen vgl. Welter (1992: 166). Eine Bilanz der Treuhandtätigkeit aus eigener Sicht findet sich in Treuhandanstalt (1994). Kritisch hierzu etwa Geppert/Kachel (1995) sowie Nolte/ Ziegler (1993). Eine Analyse der Handlungsspielräume der Treuhandanstalt im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland bietet Czada (1993).
Mit Lehmbruch (1993) könnte man konstatieren, daß es sich hier um strukturelle Inkompatibilitäten handelte, die als Folge vierzigjähriger „sozialistischer Transformation“ nunmehr die Entwicklung behinderten. Allerdings erwiesen sich die betrieblichen Strukturen — zumindest auf der Ebene der Betriebsstätten — als erstaunlich persistent (vgl. die Ausführungen auf in 3.1.2.1.).
Mit Management-Buy-Out (MBO) ist die Veräußerung an Manager gemeint, die aus dem Betrieb/Unternehmen kommen, mit Management-Buy-In der Verkauf des Betriebes/ Unternehmens an Manager von außen (meist Westdeutschland).
— was verschiedene Beobachter zu der Prognose veranlaßte, die ostdeutschen Betriebe müßten auf diese Weise fast zwangsläufig zu „verlängerten Werkbänken“ — der Westbetriebe ‘verkommen’
Zum thematischen Zuschnitt von Industrie- und Organisationssoziologie in der DDR vgl. Scherzinger (1979) und Edeling (1992b).
Zum Verhältnis von Industriesoziologie und Organisationsforschung vgl. auch Schienstock (1993).
Ausführlicher hierzu Kapitel 4.3.
Zur Interpretation dieser „fordistischen“ Konstellation im Rahmen eines allgemeinen Modells gesellschaftlicher Entwicklung durch die Regulationstheorie vgl. Hirsch/Roth (1986).
Offenbar ist, wie Minssen (1992: 65) anmerkt, „Ein allseits geteilter Rationalisierungsbegriff [...] in der Industriesoziologie also keineswegs vorzufinden“. Eine Auseinandersetzung mit dem „parteilichen“ Begriff der Rationalisierung findet sich auch bei Tully (1982).
Zur argumentativen Grundstruktur der sich bereits seit den 60er Jahren entwickelnden akteurszentrierten Ansätze in der Organisationsforschung vgl. Freriks (1996: 60ff.).
Die Prognosen über die Fabrik der Zukunft scheinen mittlerweile ebenso zahlreich zu sein, wie noch vor wenigen Jahren die zur Zukunft der Industriegesellschaft, die ebenfalls häufig eher den Charakter „wissenschaftlich begründeter Spekulation“ (Bell 1975) aufwiesen.
Quelle: NIFA-Panel Neue Bundesländer 1993 (Fertigungsbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten); zur Datenbasis vgl. Kapitel 4.1.
Dieses Institut führte in Kooperation mit dem ISF (München) im Auftrag des BMFT die Basiserhebung zur Evaluierung der CIM-Förderung im investitionsgüterproduzierenden Gewerbe der neuen Bundesländer durch, in die insgesamt 841 Betriebe einbezogen werden konnten; vgl. dazu Lay (1995). Diese Erhebung wird im folgenden in Kurzform als „CIM-Evaluierung“ bezeichnet.
Zur ambivalenten Rolle des Managements im Transformationsprozeß vgl. Pohlmann/ Schmidt (1995).
Im Jahr 1989 bestanden beispielsweise im gesamten industriellen Bereich 38 solcher Einrichtungen mit knapp 16.000 F&E-Beschäftigten. Durch Aus- und Neugründungen ist deren Zahl — allerdings nicht die Zahl der Beschäftigten — weiter angewachsen. Diese Unternehmen werden staatlicherseits massiv gefördert (vgl. Meske 1994).
Zum Einsatz neuer Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpoltik in den neuen Bundesländern vgl. Kaiser (1992) sowie Knuth (1996). Einen guten Überblick über die Veränderungen von Erwerbsarbeit und Beschäftigung in den neuen Bundesländern geben auch die Beiträge in Nickel et al. (1994).
Vgl. hierzu speziell für den Maschinenbau Binus/Groß (1992), die auch die -erwarteterweise positivere — Entwicklung frühzeitig privatisierter Betriebe im Vergleich zu den „Treuhandbetrieben“ darstellen.
Es scheint für die Entwicklungen im Personalbereich ausreichend, sich auf wenige exemplarische Untersuchungen zu beschränken, da eine Reihe der vorliegenden Analysen wenig systematischen Charakter hatte. Der Vollständigkeit halber sei hier deshalb nur noch auf die Studien von Bersa (1992) sowie Lehmann/Thiel (1992) hingewiesen. Eine zusammenfassende Bewertung der im Auftrag der KSPW erstellten Studien zur betrieblichen Personalentwicklung in der Transforamtion findet sich in Fischer/Weißbach (1993).
Damit sollen die Chancen, die sich aus der Verfügbarkeit gut qualifizierten Personals, das unter planwirtschaftlichen Bedingungen sehr spezifische Erfahrungen im Bereich der Produktion sammeln konnte, indem z.B. das Improvisationsgeschick der Beschäftigten gefordert war (Senghaas-Knobloch 1992), nicht negiert werden: „En effet, la branche est-allemande de la machine-outil dispose comme atout d’un facteur de production et de productivité difficile à acheter et qui est une condition essentielle de la production dans un système post-tayloriste: un potentiel en personnel hautement qualifié doué dans son domaine de spécialisation, habitué à une socialisation du type coopératif.“ (Dörr/Schmidt 1992b: 220)
So etwa Hinz/Schmickler (1993: 234): „Die Chancen zur Einführung neuer, auf mitarbeiterorientierten Organisationsstrukturen basierender Produktionskonzepte sind in den Unternehmen der NBL groß, weil „radikale Umstrukturierungen“ sowieso notwendig sind.“
Zur Rekonstituierung der Zuliefernetzwerke in der Automobilindustrie vgl. Be-lau/Schreiber(1995).
„Quasi“-endogen nennt Grabher diesen Sektor der Ökonomie weil die so entstandenen Betriebe (zunächst noch) von der Treuhandanstalt, also „exogen“ kontrolliert werden.
Aus dem Bereich der mittlerweile ebenso zahlreich vorliegenden Untersuchungen zum „Wandel betrieblicher Sozialverfassung“ (Aderhold et al. 1994) seien hier stellvertretend nur einige angeführt, so etwa Lippold et al. (1992), Heering/Schroeder (1995), Lohr et al. (1995) und Bosch (1996).
Zur Fallstudienproblematik vgl. Hauptmanns/Rogalski (1992) sowie Steininger (1991).
Vgl. dazu auch Steil (1996).
Hierdurch dürfte auf lange Sicht eine positive Beschäftigungsentwicklung auf Branchenebene durch betriebliches Wachstum weitgehend ausgeschlossen sein. Vgl. dazu Freriks/Niggemann (1996).
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Ostendorf, B. (1998). Dimensionen betrieblicher Transformation. In: Produktionsstrukturen des ostdeutschen Maschinenbaus in der Transformation. Neue Informationstechnologien und flexible Arbeitssysteme, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95121-2_3
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