Zusammenfassung
Statt den Markt zu vergöttern und die sozial Schwachen sich selbst oder karitativen Organisationen zu überlassen, muß die Gesellschaft ihre Verantwortung gegenüber allen Mitgliedern, folglich auch solchen wahrnehmen, die der kapitalistischen Standort- und Profitlogik nicht (mehr) gewachsen sind. Nicht nur von liberalkonservativer Seite, sondern auch von manch prominentem Sozialdemokraten und führendem Repräsentanten der Wohlfahrtsverbände wird heute ein Bruch mit dem Prinzip der Lebensstandardsicherung gefordert.1 Nichts anderes steckt auch hinter der Absicht des rot-grünen Bundeskabinetts, Subventionen und soziale Leistungen — in der Tradition seines Vorgängers — stärker auf „die wirklich Bedürftigen“ zu konzentrieren.2 Dies klingt angesichts wachsenden Wohlstandes in breiten Bevölkerungskreisen der Bundesrepublik zwar plausibel, könnte aber dazu beitragen, daß der Sozialstaat seine Massenbasis verliert. Denn gerade weil die Mittelschichten vom Transfersystem in hohem Maße selbst profitieren3, akzeptieren sie sozialpolitische Minderheitenprogramme. Außerdem hat sich nicht nur in den USA — besonders unter Präsident Ronald Reagan — gezeigt, daß die Ärmsten wegen der ihnen fehlenden Lobby, mangelnden Sanktionsmöglichkeiten und wenigen Ansatzpunkte zur Gegenwehr von Kürzungsmaßnahmen überproportional stark betroffen sind.4
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Literatur
Siehe Gerhard Schröder, „ Weil wir Deutschlands Kraft vertrauen...“ — Regierungserklärung des Bundeskanzlers, abgegeben vor dem Deutschen Bundestag am 10. November 1998, in: Presse-und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bulletin 74/1998, S. 902
Vgl. Jürgen Krüger, Sozialstrukturelle Modernisierung: Stabilisierung oder Destruierung des Wohlfahrtsstaates, in: Soziale Probleme 1–2/1994, S. 23f.
Vgl. dazu die Analyse von Adrienne Windhoff-Hèritier, Politik „für die Bedürftigsten und ehrlichen Armen“. Ziele und Folgen der Sparpolitik Reagans im Sozialsektor, in: Politische Vierteljahresschrift 2/1985, S. 107ff.
So aber Werner Sesselmeier, Negative Einkommensteuer und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigung, in: Sozialer Fortschritt 3/1997, S. 67
Siegfried Rosner, Normalitätsprofile sozialstaatlicher Inanspruchnahme: Sozialleistungsbezug und gesellschaftliche Ausgrenzung, in: Soziale Welt 3/1990, S. 309: „Je weniger die sozialpolitischen Instrumente durch eine mittels Erwerbsarbeit erbrachte (Versicherungs-)Leistung finanziert werden, d.h. je unmittelbarer die Zielsetzung der sozialpolitischen Umverteilung (durch fiskalische Abschöpfung der Finanzmittel) wirksam wird und je weniger die Berechtigung des Bezugs aufgrund des Leistungsgedankens erworben erscheint, desto geringer wird die auf der Basis gesellschaftlich wirksamer Wertmuster gedeutete Legitimität der Inanspruchnahme der einzelnen sozialpolitischen Instrumente.“
Stephan Lessenich, „Verwirrende Lehre zu verwirrenden Handel“: Der Sozialstaat in den Zeiten der Globalisierung, in: Zeitschrift für Sozialreform 11–12/1997, S. 861
Siehe Jürgen Wolf, Sozialstaat und Grundsicherung. Ein Bericht über den Forschungsstand, in: Leviathan 1/1991, S. 406
Vgl. z.B. Uwe Fachinger/ Heinz Rothgang, Zerstört der demographische Wandel die Grundlagen der sozialen Sicherung? — Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung, in: Zeitschrift für Sozialreform 11–12/1997, S. 814ff.
Lutz Leisering, Alternde Bevölkerung — veraltender Sozialstaat?, Demographischer Wandel als „Politik“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 35/1996, S. 14
Claus Schäfer, Armut in der Arbeit. Ein (höherer) Mindestlohn als Gerechtigkeits-Instrument?, in: Soziale Sicherheit 4/1994, S. 131f.
Vgl. Gabriele Peter, Gesetzlicher Mindestlohn, Baden-Baden 1995, S. 146ff.; dies., Gesetzlicher Mindestlohn für die Bundesrepublik?, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 2/1998, S. 96f.
Vgl. Ralf Sitte, Rückkehr der Dienstboten? — Der begrenzte Nutzen von Lohnsubventionen bei einfachen Dienstleistungen, in: Sozialer Fortschritt 8/1997, S. 188
Vgl. Heinz-J. Bontrup, Sind die Lohnnebenkosten wirklich zu hoch?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/1998, S. 1127
Vgl. Gerhard Bäcker, Viel Lärm um wenig? — Der Wertschöpfungsbeitrag als neues Finanzierungsfundament der Rentenversicherung in der sozialpolitischen Diskussion, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 35/1987, S. 30
Volker Blandow, Vom Bürgeramt zur Bürgerpflicht. Ein Essay zu den jüngeren Ehrenamtsdebatten im Sozialbereich, in: Widersprüche 67 (1998), S. 118f.
Gerhard Bäcker/ Johannes Steffen, Lohnt es sich noch zu arbeiten? — Zur Diskussion über Sozialhilfe, Negativsteuer und Niedrigeinkommen, in: WSI-Mitteilungen 1/1995, S. 5
Volker Meinhardt u.a., „Bürgergeld“: kein sozial-und arbeitsmarktpolitischer deus ex machina, in: WSI-Mitteilungen 10/1994, S. 626f.
Hans-Jürgen Andreß/ Wolfgang Strengmann-Kuhn, Warum arbeiten, wenn der Staat zahlt? — Über das Arbeitsangebot unterer Einkommensschichten, in: Zeitschrift für Sozialreform 7/1997, S. 523
Gerhard Bäcker/ Johannes Steffen, Die Negativsteuer — „Austeigerprämie“ oder „Lohnarbeitspeitsche“?, in: Widersprüche 54 (1995), S. 42
Andreas Schaarschuch, Spaltung der Gesellschaft und soziale Bürgerrechte, in: Widersprüche 54 (1995), S. 54
Michael Opielka, Perspektiven von Arbeit und Einkommen in der Wohlfahrtsgesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 36/1986, S. 54
Vgl. Joachim Wiemeyer, Grundeinkommen ohne Arbeit?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 38/1988, S. 48f.
Rudi Welzmüller, Bedarfsbezogene Grundsicherung — Elemente einer Anti-Krisenpolitik, in: WSI-Mitteilungen 7/1985, S. 419
Rainer Roth, Forderung ans Kapital. Probleme mit der Grundsicherung, in: Sozial Extra 9/1994, S. 13
Lutz Leisering, Grenzen des Sozialversicherungsstaats? — Sozialer Wandel als Herausforderung staatlicher Einkommenssicherung, in: Zeitschrift für Sozialreform 11–12/1995, S. 871
Gerhard Bäcker, Die Zukunft der Alterssicherung. Wahlkampf um das richtige Renten-Konzept, in: Soziale Sicherheit 6/1998, S. 211
Vgl. dazu: Hans-Georg Grigat, Verlagerung von Unternehmensgewinnen in das Ausland und Steuerdumping, in: WSI-Mitteilungen 6/1997, S. 404ff.
Gilbert Marchlewitz, Globalisierung, Sozialkonkurrenz und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit, in: WSI-Mitteilungen 11/1997, S. 779
Vgl. James Tobin, A Proposal for International Monetary Reform, in: Eastern Economic Journal 4/1978, S. 153ff.
Jörg Huffschmid, Eine Steuer gegen die Währungsspekulation?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/1995, S. 1004
Cord Jakobeit, Die Realisierungschancen der Tobin-Steuer. Theoretisch überzeugend und sinnvoll, politisch nur schwer realisierbar, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 5/1997, S. 449
Vgl. Jörg Goldberg, Tiger in Not, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/1997, S. 1298
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Butterwegge, C. (1999). Demokratische und soziale Reformalternativen: Vorschläge zur konstruktiven Weiterentwicklung des Wohlfahrtsstaates. In: Wohlfahrtsstaat im Wandel. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95118-2_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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