Zusammenfassung
Der säkulare Rechtsstaat bildet die politisch-institutionelle Rahmenordnung, in der Muslime in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westeuropäischen Gesellschaften leben und ihren Glauben praktizieren. Diese Situation wirft Fragen auf: Wie stehen Muslime zum säkularen Rechtsstaat? Stellt er für gläubige Muslime nur ein „Übel“ dar, das sie aufgrund der zahlenmäßig massiven Überlegenheit der Nicht-Muslime nolens volens hinnehmen müssen? Oder bietet die Säkularität der politisch-rechtlichen Ordnung Chancen für die Erprobung neuer Formen islamischer Selbstorganisation — womöglich mit Auswirkungen über die „Diaspora” hinaus auf die islamischen Herkunftsländer? Fragen stellen sich aber auch in umgekehrter Richtung: Ist es überhaupt legitim, Muslime auf die Säkularität des Rechtsstaats verpflichten zu wollen? Wäre es nicht ein Gebot interreligiöser und multikultureller Toleranz, Muslimen die Option offenzuhalten, ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten nach islamischem Recht statt nach säkularem Recht zu ordnen? Stellt die Säkularität nicht ihrerseits eine Art von religiösem oder postreligiösem „Glauben“ dar, der nur für diejenigen verbindlich sein sollte, die sich zu diesem Glauben freiwillig bekennen?
Der vorliegende Beitrag ist die leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Aufsatzes, der unter dem Titel „Muslime im säkularen Rechtsstaat. Vom Recht der Muslime zur Mitgestaltung der Gesellschaft“ als Heft 2 der Reihe „Der Interkulturelle Dialog”, herausgegeben von der Ausländerbeauftragten des Landes Bremen (Bremen 1999), erschienen ist.
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Bielefeldt, H. (2003). Muslimische Minderheiten im säkularen Rechtsstaat. In: Bukow, WD., Yildiz, E. (eds) Islam und Bildung. Interkulturelle Studien, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95042-0_2
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