Zusammenfassung
Anlass für den gegenwärtigen Diskurs über die Zukunft der Bildung sind vor allem gesellschaftliche Transformationsprozesse, in denen rückblickend zwei utopische Strömungen der Neuzeit in ihrer Differenz klar auseinander treten. Mit dem Ende des Realsozialismus in Europa scheint einerseits jede Zukunftsvorstellung verloren, die eine den Status quo transzendierende Perspektive eröffnen könnte. Ist das politische Projekt einer Humanisierung der Gesellschaft in postmoderne Nöte geraten, binden sich auf der anderen Seite die Zukunftsphantasien zunehmend an die technologische Entwicklung, in der das Vollendungsprogramm seiner praktischen Verwirklichung zuzustreben scheint. Statt an der sittlich-moralischen Vervollkommnung um Willen eines politischen Idealzustandes der Gesellschaft wird mit Hochdruck an der Makellosigkeit des Körpers, der reibungslosen Kommunikation und der Unsterblichkeit des Geistes gearbeitet, d.h. an der Aufhebung der Zeitlichkeit und Körperlichkeit als Bedingungen menschlicher Existenz. So bewirken die Technologisierung und Medialisierung der modernen Zivilisation zwar in der alltäglichen Lebenswelt Veränderungen und zeichnen sich auch in der globalen Zukunftsverantwortung der Menschen gegenüber der Natur ab (vgl. Jonas 1979). Aber nach der Erschöpfung politischer Visionen fehlen verbindliche Zukunftsorientierungen, zumal sich die Medialisierung und Technologisierung in ihrer wahrnehmungsstrukturierenden und wirklichkeitskonstituierenden Bedeutung bereits auch auf die Strukturen der Zeiterfahrung auswirkt, die unserem Welt- und Selbstverständnis zugrunde liegen (vgl. Zimmerli/Sandbothe 1993; Lyotard 1989, 89f.).
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Wimmer, M. (2002). Bildungsruinen in der Wissensgesellschaft. In: Lohmann, I., Rilling, R. (eds) Die verkaufte Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95030-7_4
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