Zusammenfassung
Ausgehend von dem entwickelten Modell der ‘konzentrischen Kreise’ (vgl. Kapitel 1), das den Analyserahmen geschlechtsspezifischer Erwerbschancen und -barrieren darstellt, leuchtet dieses Kapitel die Verweisungszusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Strukturen, regionalen Ausdrucksformen und der Handlungspraxis von Arbeitsmarktakteurinnen aus. Das geschieht über die Analyse der Deutungsmuster der Befragten. Während Kapitel 2 das Geschlechterverhältnis im Bezug auf die Arbeitsmarktpositionierung in den Rahmen gesellschaftlicher Bedingungen stellte und die spezifische objektive Rahmung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der DDR nachzeichnete, ging es in Kapitel 3 um eine regionalhistorisch differenzierte Sicht auf die Ausformung dieser Verhältnisse. Dabei war deutlich geworden, daß historische Entwicklungspfade sowohl hinsichtlich der Arbeitsmarktstruktur als auch bezüglich der gewachsenen Geschlechterarrangements eine hohe Kontinuität selbst über gesellschaftliche Transformationen und mit ihnen einhergehende politische Einschnitte in diese Strukturen hinweg aufweisen. Doch es zeigten sich auch graduelle Differenzierungen, die für die heutige Sicht auf geschlechtsspezifische Erwerbschancen von entscheidender Bedeutung sind. Insbesondere die DDR-spezifischen Arbeitskräfteeinsatzmuster und mit ihnen die umfassende Einbeziehung der Frauen in die Erwerbsarbeit stellten Veränderungen gegenüber der Zeit vorher dar, die es in der folgenden Analyse zu berücksichtigen gilt. Im Spannungsverhältnis regionalhistorischer Kontinuitäten wie DDR-spezifisch veränderter Lebens- und Arbeitsverhältnisse erhält das ‘Gepäck’ bei der Deutung bzw. Bewältigung der Transformation den Charakter von Ballast oder Proviant oder einer je falltypischen Mischung aus diesen Polen, je nach dem, wie es genutzt wird.
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Literatur
Diese Anlaufphase beim Aufbau einer Gleichstellungsstelle kann bis zu einem Jahr dauern, wie eine Analyse von Arbeitsberichten von Frauenbeauftragten ergeben hat (Goericke 1989, S. 107)
Dennoch hatten Frauen insgesamt keinen höheren Krankheitsstand als Manner (Klenner 1992, S. 29).
In Kapitel 3.3 war zum Beispiel für den Regierungsbezirk Arnsberg auf die hohe Bedeutung der Industriearbeit hingewiesen worden, die aber fast ausschließlich auf Männerarbeit beruhte.
Vgl. etwa Engelbrech/Kraft (1992), Gottschall (1995), Schumm-Garling u.a. (1995).
Frau Schremm ist circa 1960 im Erzgebirge geboren, hat eine sechsjährige und eine 13jährige Tochter. „Und verheiratet. Nen Mann hab ich auch noch (Gelächter)“. Das Interview ist insgesamt von großer Heiterkeit und zum Teil albern anmutendem Gelächter geprägt. Wie an dieser Stelle steht es häufig in Verbindung mit Aussagen über Männer. Darauf wird im folgenden noch eingegangen.
Die Politikform der Runden Tische entwickelte sich in den neuen Bundesländern, um den beginnenden Transformationsprozeß mit Beteiligung möglichst vieler Akteure gestalten zu können. Zur Bedeutung der runden Tische in der Arbeit der Gleichstellungsstellen vgl. Friedel (1998).
Das Durchschnittsalter der Erstgebärenden lag noch 1980 bei 21,6 Jahren (Schneider u.a. 1995, S. 6).
Der ursprünglich von Beck-Gernsheim und Ostner (1978) formulierte Ansatz des „weiblichen Arbeitsvermögens“ ist in der Frauenforschung nicht unumstritten. Zur Kontroverse und Kritik vgl. zum Beispiel Knapp (1987), Gottschall (1995).
Dieser stärker normative Akzent als Beck-Gemsheim und Ostner ihn in ihrem Ansatz vertreten haben, findet sich in Versuchen, aus den derart abgeleiteten Geschlechterunterschieden Vorteile von Frauen etwa für Führungspositionen in Wirtschaft und Politik zu unterstreichen (vgl. Demmer 1988 ). Entgegen vielfältiger Kritik an einem ontologisierenden Verständnis geschlechtlicher Unterschiede erfährt das Konzept vom “weiblichen Arbeitsvermögen’ heute in praxisbezogenen Diskussionen oder in der wachsenden Ratgeberliteratur wie beispielsweise über einen „weiblichen Führungsstil” (Helgesen 1991; Henes-Kamahl 1987) oder über „weibliche Denk- und Sprechweisen“ (Belenky u.a. 1989; Tannen 1991) häufige Anwendung.
An dieser Stelle macht sich die Generationenlagerung von Frau Schremm als circa 1960 Geborene bemerkbar, für deren Kinderbetreuung in den 80er Jahren auch im Erzgebirge ein flächendeckendes Netz von Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stand. Sowohl Frau Schwarz als auch Frau Becker und Frau Frank konnten darauf noch nicht zurückgreifen.
Anhand der Maßnahmen zur Arbeitskraftlenkung war jedoch deutlich geworden, daß es bei der Verteilung auf Ausbildungsgänge durchaus geschlechtsbezogene Kriterien gab (vgl. Kapitel 2.2.2).
Im Jahr 1989 wird der Frauenanteil im Bergbau für das Erzgebirge mit 13,9 Prozent, der in der Metallindustrie mit 22,9 Prozent angegeben (GAV 1989).
Die Verschiebung der Geschlechtergrenzen im Bankenbereich hat Nickel ( 1992c, S. 114ff.) auch qualitativ untersucht. Dort finden sich ebensolche transformierten Bewer tungsmaßstäbe der Arbeit sowie der Beschäftigten: Eine wirtschaftliche sowie an steigenden Gehältern abzulesenden Aufwertung dieser Arbeitsplätze macht den Bankensektor heute zu einem auch für Männer attraktiven Erwerbsfeld.
Das Interview mit Frau Schmidt fand als Doppelinterview mit Frau Klein, der Regionalstellenleiterin des ‘Vereins zur beruflichen Förderung von Frauen’ im Juni 1994 im Büro des Vereins statt und dauerte drei Stunden. Der Kontakt wurde über die Zentrale des Vereins in Chemnitz und weiter über Frau Klein hergestellt, die Frau Schmidt zum Interview dazu lädt. Im Zentrum der Fallrekonstruktion steht Frau Schmidt.
In Kapitel 3.4.3 ist gezeigt worden, daß die Frauenbeschäftigung in Dresden vor der “Wende” an erster Stelle durch Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe (36,2 Prozent aller erwerbstätigen Frauen) und direkt gefolgt von den Dienstleistungen mit 33,4 Prozent geprägt war. Der Handel folgte mit 15,7 Prozent Beschäftigungsbedeutung für Frauen mit deutlichem Abstand an dritter Stelle. Im Erzgebirge dagegen lag die Frauenbeschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe mit 55,8 Prozent Anteil an allen weiblichen Erwerbstätigen weit über derjenigen in den Dienstleistungen (19,7 Prozent) und den Frauen, die im Handel beschäftigt waren (14 Prozent), um die drei beschäftigungsbedeutsamsten Wirtschaftsabteilungen zu nennen.
Der Kontakt zu Frau Müller wurde über das Referat Öffentlichkeitsarbeit und Statistik des Arbeitsamtes hergestellt. Trotz Termindruck war Frau Müller sofort bereit zu einem Interview. Es fand im Juni 1994 im Büro von Frau Müller als Einzelinterview statt. Mit eineinhalb Stunden gehört das Interview zu den kürzeren des Samples.
Im Landesdurchschnitt betrug die männliche Beteiligung an den Reproduktionsarbeiten etwa ein Viertel (vgl. Nickel 1993, S. 245; Kapitel 2. 2. 2 ).
Vgl. zur historischen Ausformung und Entwicklung der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes das grundlegende Werk von Willms-Herget (1985). Für die Aktualität und Hartnäckigkeit von Schließungsprozessen, die auf geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und dem ‘doing gender’ beruhen vgl. u.a. Gildemeister und Wetterer (1992).
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Fischer, U.L. (2001). Relevanz der Geschlechtszugehörigkeit in Transformation. In: Frauenarbeit in Transformation. Forschung Soziologie, vol 142. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95028-4_5
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