Zusammenfassung
Wer moderne Gesellschaften beobachtet, wird unter anderem immer auf eine spezifische gesellschaftliche Praxis stoßen, den Sport. Organisiert oder unorganisiert, amateurhaft oder professionell, sportzentriert oder in Verbindung mit sportexternen Orientierungen betrieben, hat sich der Sport in allen seinen Ausdifferenzierungen zu einem sozialen Feld alltäglicher Aktivitäten und Rezeptionen mit hoher öffentlicher Akzeptanz entwickelt. Auf dieser Grundlage erzeugt und geht er gegenseitige Nutzenverschränkungen ein, z.B. mit Bereichen wie Erziehung, Bildung, Gesundheit, Freizeit, Massenmedien, Politik und Wirtschaft. Bezogen auf seine alltägliche Gegenwart, funktionale Wertigkeit sowie symbolische Bedeutung finden Sportdiskurse innerhalb seiner Praxisfelder, an Stammtischen, in Freundeskreisen, am Arbeitsplatz statt. Man könnte fragen: und wo nicht? Derartige Sportisierungen sozialer Interaktionen und Räume induzieren einen sportiv stilisierten Habitus, wie er sich besonders an der Versportlichung menschlicher Körper und der Mode erkennen lässt. In den genannten Kontexten wird Sport wie kaum eine andere gesellschaftliche Praxis öffentlich inszeniert und massenmedial kommuniziert, kulminierend im Betreiben von Sport-TV-Kanälen. Was hier nur skizziert werden kann, fasse ich dahingehend zusammen, dass nicht nur eine Vergesellschaftung des Sports, sondern auch eine Versportung der Gesellschaft konstatierbar ist. Aus einer solchen Perspektive heraus bietet sich Sport geradezu als ein Gegenstand soziologischer Forschung und Theoriebildung an — so auch in Deutschland. 1921 publiziert Risse seine ursprünglich bei Alfred Weber als Dissertation geplante Untersuchung zum Sport mit dem Titel Soziologie des Sports (Risse 1921) und eröffnet in Deutschland den sportsoziologischen Diskurs, der jedoch während der NS-Zeit unterbrochen und erst nach 1945 wieder aufgenommen wird; initiiert in der BRD von Plessner 1952 mit seinem Entwurf zu einer Soziologie des Sports und fortgesetzt von Luschen 1960 mit seiner Prolegomena zu einer Soziologie des Sports. In der DDR werden erste Ansätze zur Etablierung der Sportsoziologie ab Mitte der 1960er Jahre unternommen (Erbach 1965; Gras 1972).
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Rigauer, B. (2003). Sportsoziologie in Deutschland zwischen Sport, Sportwissenschaft und Soziologie. In: Orth, B., Schwietring, T., Weiß, J. (eds) Soziologische Forschung: Stand und Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95017-8_32
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