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Medienberichterstattung über soziale Devianz

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Opfer Sozialstaat

Part of the book series: Forschung ((FS,volume 170))

  • 198 Accesses

Zusammenfassung

Vor der eigentlichen Darstellung der Medienberichte über soziale Devianz soll deren mögliche Wirkung diskutiert werden. Nur vor diesem Hintergrund wird dann auch verständlich, nach welchen Kriterien ihre Auswahl erfolgte.

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Literatur

  1. Die Bedeutung stellvertretenden Lernens zeigt sich alleine schon in der kulturellen Entwicklung des Menschen, die ohne diesen Mechanismus nicht möglich wäre. Er erlaubt die Akkumulation von Wissen über ein einziges, zeitlich, räumlich und in seinen Ressourcen beschränktes Leben hinaus und das Lernen aus-möglicherweise gefahrlichen oder sogar tödlichen — Fehlern Anderer, ohne dass diese wiederholt werden müssen. Dabei gehört das stellvertretende symbolische Modelllernen zu den wichtigsten Methoden, Informationen über menschliche Werte, Denkschemata und Verhaltensweisen zu sammeln, die eben nicht mehr eins-zu-eins übernommen werden, sondern abstrahiert in Form von Sprache oder Bildern. Erst dies ermöglicht die Überwindung zeitlicher und räumlicher Grenzen und das Lernen Vieler aus den Erfahrungen Weniger (vgl. Bandura 1994: 66).

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  2. Neben Politikern gehören hierzu auch Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst.

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  3. Im Zuge der gleichen Entwicklung, in der die Legitimität einer ausschließlich durch den Willen und die Gnade Gottes, durch die Geburt oder durch politische Erfolge — letztere möglicherweise auch als Nachweis der Gnade Gottes verstanden — begründeten Herrschaft zunehmend in Zweifel gezogen wurde (vgl. die vorl. Arb.: 147 ff), verlor auch die „paternalistische“Trennung von einer Moral der Herrscher und einer Moral der Beherrschten bzw. von privater und politischer Moral an Überzeugungskraft (vgl. Böhme 1993: 81 f.). Durch seine Organisation — hier ist bspw. die Gewaltenteilung zu nennen — und die Regeln der Machtausübung trägt der demokratische Rechtsstaat aber auch selbst zur Moralisierung der Politik bei (vgl. Balle-strem 1987: 39 f.). Und schließlich wirken der Trennung von Politik und Moral die Medien und die in ihnen auftretenden Politiker entgegen, indem in den Auseinandersetzungen mit der Politik bzw. mit politischen Gegnern in bedeutendem Maße auch moralische Kategorien und Maßstäbe verwendet werden (vgl. Luh-mann 1993: 35 f.). Gerade die Selektionskriterien der Medien sorgen für eine Personalisierung der Berichterstattung über Politik. Bevorzugt wird die Form einer „Skandalisierung“von Missständen, die hochgradig auf persönliches Fehl verhalten abzielt, und die von Seiten der Politik durchaus unterstützt wird, da sie den Vorteil bietet, einige wenige ‚Schuldige‘aus dem System entfernen zu können, ohne dieses selbst in Frage zu stellen (vgl. Luhmann 1993: 39 f.). Dass die Medien Spitzenpolitiker täglich „hautnah ins Wohnzimmer“bringen und so eine scheinbare persönliche Nähe zu ihnen erzeugen, sorgt dafür, dass das Verhältnis der Rezipienten zu den Politikern häufig von „quasi-moralischen Zuverlässigkeits- und Treueerwartungen“aufgeladen ist, die ansonsten „allenfalls an gute Freunde“gerichtet werden (vgl. Klages 1988: 16; Klages 1993:90,114 f.). Da sich durch die Arbeit der Medien auch das Wahlverhalten geändert hat, das zunehmend von Images einzelner Politiker bestimmt wird (vgl. Klages 1993: 114 f.) und sich diese den Erwartungen ihrer Wähler anpassen müssen, könnte es in Zukunft durchaus zu einer deutlich stärkeren Moralisierung der Politik kommen. Gefördert wird dieser Prozess durch das größer gewordene Interesse der Bevölkerung an der Politik, das nicht nur der Emanzipation der Bürger und ihrem stärkeren Anspruch auf Mitbestimmung entspringt (vgl. Klages 1988: 17; Klages 1993: 91), sondern auch Resultat der ständigen Beschäftigung der Medien mit politischen Themen etwa in den Nachrichten ist (vgl. Schmidtchen 1997:24) und durch das sich verbreitende „Bewusstsein existenzieller Abhängigkeit vom Staat“noch zusätzlich verstärkt wird (vgl. Klages 1988: 15).

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  4. Da die genannten Autoren nicht von Werterwartungstheorien ausgehen, bleibt leider unklar, ob dadurch auch Präferenzen (bzw. Werte) oder vor allem Wahrscheinlichkeitsschätzungen (bzw. Erwartungen) geändert werden.

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  5. Wobei auch der Einfluss von Inserenten nicht unterschätzt werden sollte.

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  6. Wobei Hitzler darauf hinweist, dass ein Skandal nicht nur dem Skandalisierer, sondern auch dem Skandali-sierten nützlich und karrierefördernd sein kann (vgl. Hitzler 1987: 24).

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  7. Auch hier ist wieder daraufhinzuweisen, dass PR-Fachleute und Journalisten als Teil der Gesellschaft nicht im luftleeren Raum agieren. Eine tendenziöse Medienberichterstattung kann über die soziale Realität mehr aussagen als eine neutrale. Eine völlig willkürliche Konstruktion der Wirklichkeit durch die Medien dürfte ebenso wie eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit ohne Bezug zu realen Zuständen und Ereignissen äußerst unwahrscheinlich sein. Auch kann die Öffentlichkeitsarbeit durchaus als Arbeitserleichterung für die Journalisten verstanden werden (vgl. Burkart 1995: 285 ff).

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  8. Menschen sind träge und vergesslich und lernen Vieles erst durch ständige Wiederholung (vgl. Ber-ger/Luckmann 1974: 74). Mit der Häufigkeit ihrer Wiederholung steigt zwar die Wahrscheinlichkeit des Übergangs einer Information in das Langzeitgedächtnis. Da sich Ereignisse und Skandale, über die in den Medien berichtet wird, aber nur auf abstrakter Ebene wiederholen und die Akteure ansonsten i. d. R. häufig wechseln, dürfte auch nur eine sehr abstrakte Repräsentation dieser Ereignisse ins Langzeitgedächtnis der durchschnittlich daran interessierten Medienrezipienten gelangen.

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  9. Hier ist vor allem die Süddeutsche Zeitung zu nennen, die zu den führenden deutschen überregionalen Tageszeitungen gezählt wird (vgl. Meyn 1999, S. 108). Nach den Untersuchungen der AG Media Analyse erreichte sie 1997 mit einer Auflage von täglich ca. 400.000 Exemplaren rund 1,2 Millionen Leser (vgl. CD-Rom der Süddeutschen Zeitung 1997).

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  10. Die Themenführerschaft verdankt DER SPIEGEL u. a. seinem jahrzehntelang gepflegten Ruf als Enthüllungsblatt, so dass interne Tipps und Informationen, die zur Entdeckung von Fehlverhalten und Missständen von entscheidender Bedeutung sind, bevorzugt hier eingereicht werden (vgl. Meyn 1999: 120).

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  11. Oft genug halten die in den Medien erhobenen, teilweise sehr massiven Vorwürfe, die etwa zum Rücktritt eines Politikers fuhren, einer juristischen Überprüfung nicht stand. Eine spätere Entschuldigung oder publizistische Ehrenrettung erfolgt jedoch in den allermeisten Fällen nicht (vgl. als Ausnahme von dieser Regel, in der sie zugleich durch den Autor des Artikels explizit bestätigt wird, Süddeutsche Zeitung vom 30.11.1999). In dem genannten Artikel wird auf einen interessanten psychologischen Mechanismus hingewiesen: Wer sich öffentlich an der Kritik an einer Person beteiligt hat, neigt vielfach nach dem Beweis von dessen Unschuld dazu, das begangene Unrecht zu verdrängen oder durch weitere Vorwürfe zu rechtfertigen (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 30.11.1999). Während der Rücktritt eines Politikers nicht unbedingt die Wirksamkeit der Medienberichterstattung beweist, sondern zunächst vor allem den Glauben der Politiker an ihre Abhängigkeit von den Medien belegt, zeigt sich die Wirkung kritischer Berichte auf die Rezipienten schon eher aus deren Reaktionen, wenn etwa ein ehemaliger Funktionsträger auch nach seinem Rücktritt noch Beschimpfungen erfährt (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 30.11.1999). Am Beispiel des dort beschriebenen Rücktritts als Reaktion auf die öffentliche Kritik ist zugleich ein Unterschied zwischen den staatlichen Funktionsträgern, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit bzw. speziell der Medien stehen — hier sind vor allem Politiker zu nennen — und denen, die dies nicht tun — dazu dürften die meisten Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes zählen — zu verdeutlichen. Kritik an letzteren scheint, selbst wenn sie öffentlich erfolgt, viel seltener berufliche Konsequenzen zu haben.

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  12. Über die Vorteile eines so genannten Fraktionszwangs — der sich oft erst nach langwierigen Diskussionen als Kompromiss ergibt und der machtpolitisch durchaus seine Berechtigung hat (nur so erwächst einer Partei Verhandlungsmacht) (vgl. Patzelt 2000: 362) — wurde in den untersuchten Medien nicht berichtet.

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  13. Kritisiert wird des öfteren die „mangelnde Bürgernähe“von karriereorientierten „Berufspolitikern“. Gewünscht werden statt dessen „Freizeitpolitiker“und ehrenamtlich tätige „Honoratioren“. Patzelt ist mindestens zum Teil zuzustimmen, wenn er diese Ansichten in Frage stellt. Sein Einwand lautet, dass ein gehöriges Maß an Professionalität und Sachkompetenz notwendig ist, um flächendeckende Wahlkreisbetreuung zu organisieren und das Parlament zu einem (auch fachlichen) Gegengewicht zur Regierung zu machen (vgl. Patzelt 2000: 364).

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  14. Diese Praxis kann inzwischen schon auf eine gewisse Tradition zurückblicken. So wurde nach einer erfolgreichen Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die geplante Novellierung des Arzneimittelgesetzes in den 70er Jahren, auf die an anderer Stelle noch eingegangen wird (vgl. die vorl. Arb.: 85), ein Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium später mit einer Stelle in einem der großen Pharmaunternehmen „belohnt“(vgl. Höhne-Mack 1987: 18).

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  15. Wobei sich die Beamtenmoral, nur dem Staat verpflichtet zu sein, auch erst im aufgeklärten Absolutismus (wieder) durchsetzte, während zuvor die Grenze zwischen rechtlicher gesicherter Amtsentschädigung — also der „Schenkungen“und „Verehrungen“als normaler Teile der Besoldung- und ungerechten Geldforderungen fließend war (vgl. Quarthai 1987: 44).

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  16. Vermutlich wird dieses vermeintliche Privileg, über das Presse und Bürger immer wieder schimpfen und das ihnen das Bundesverfassungsgericht 1976 aufgezwungen hat, von nicht wenigen Abgeordneten tatsächlich als Last empfunden, wie Patzelt behauptet (vgl. Patzelt 2001: 364).

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  17. Solche Kontakte ergaben sich demnach vor allem dadurch, dass viele Mitarbeiter aus den Wirtschaftsunternehmen der alten Bundesländer rekrutiert worden waren bzw. mutmaßlich nach Abschluss ihrer meist nur wenige Jahre dauernden Tätigkeit in der Treuhandanstalt bzw. der BvS eine (erneute) Anstellung in der Wirtschaft finden wollten.

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  18. Über einen Fall wurde berichtet, in dem die angeblichen Bilanzierungstricks und das Vortäuschen von Leistungen des Tochterunternehmens eines Großkonzerns den Verdacht der Staatsanwaltschaft erregt haben sollen, die daraufhin diverse Hausdurchsuchungen hätte durchführen lassen. Als besondere Ungereimtheit dieses Falles wurde vermerkt, wie schnell die in der Folge einsetzenden massiven Proteste des Konzerns bei Justiz und Politik dazu geführt hätten, dass die Staatsanwaltschaft — angeblich noch vor Auswertung des sehr umfangreichen sichergestellten Beweismaterials — die Ermittlungen zu Gunsten eines außergerichtlichen Schiedsverfahrens einstellte (vgl. DER SPIEGEL 49/1997: 100 ff). In dem entsprechenden Artikel wurde der Verdacht einer erheblichen Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik bzw. Justiz nahe gelegt. Dass es zu erneuten Ermittlungen kam, lag angeblich nur an den vom betreffenden Konzern im Rahmen des Schiedsverfahrens,freiwillig‘an die Staatskasse zurückgezahlten 240 Millionen DM, die die Aufmerksamkeit der Justiz erneut auf diesen Fall gelenkt hätte (vgl. DER SPIEGEL 49/1997: 104 f.).

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  19. Hier wurde berichtet, der Umzug eines einzigen Beamten würde den Steuerzahler bis zu 100.000 DM kosten (vgl. DER SPIEGEL 44/1997: 31).

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  20. Besonders problematisch erscheint die Häufigkeit vorzeitiger Pensionierungen, deren Gesamtzahl im Jahr 2000 erstmals die der Pensionierungen durch Erreichen einer Altersgrenze überstieg (vgl. DER SPIEGEL 17/2002:46).

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  21. So soll bspw. ein Oberamtsrat aus dem Bundesfinanzministerium, der angeblich mit teilweise oder ganz gefälschten ärztlichen Atesten durchgehend krank feierte, erst nach drei Jahren aus dem Staatsdienst entfernt worden sein (vgl. Kölner Stadtanzeiger vom 25.11.1997: 32).

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  22. Im 13. Bundestag 1997 wurden bspw. von insgesamt 672 Abgeordneten 130 Lehrer, 120 sonstige Beamte und 49 Angestellte des öffentlichen Dienstes gezählt (vgl. DER SPIEGEL 27/1997: 44). Als Beispiel für den Versuch, die eigenen „Pfründe“zu bewahren, wurden im Zuge der Studentenproteste des Jahres 1997 auch die Hochschullehrer genannt, die sich mit dem Instrument der akademischen Selbstverwaltung angeblich mehrheitlich gegen, jede Korrektur am System“und gegen Leistungs- und Qualitätskontrollen wehren und diese blockieren würden (vgl. z. B. DER SPIEGEL 48/1997: 22 ff.; DER SPIEGEL 49/1997:34).

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  23. Die soziale Devianz geringfügig beschäftigter Mitarbeiter oder Scheinselbständiger, die möglicherweise ebenfalls die Zahlung von Sozialabgaben vermeiden wollten, interessiert zumindest an dieser Stelle nicht.

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  24. Hier sind vor allem die Berichte über Umwelt- und Lebensmittelskandale der letzten Jahre zu erwähnen, also Berichte über BSE-verseuchtes britisches Rindfleisch, das trotz Handelsverbots auch auf den deutschen Markt gelangt sein soll, über die Entsorgung teilweise hochgiftiger Fette als Tierfutter für Schlachtvieh und Legehennen statt als Sondermüll oder über den Einsatz von Pestiziden, Fungiziden, Düngemitteln, Hormonen, krebserregenden Zusatzstoffen und sonstigen Schadstoffen in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Berichtet wurde aber bspw. auch über den angeblich sorglosen Umgang von Firmen mit Gefahrgütern. Und schließlich wurden Unternehmen kritisiert, die nicht nur immer wieder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorschriften verweigert, sondern auch Ansprüche von Mitarbeitern abgewehrt haben sollen, die mutmaßlich wegen des Umgangs mit Gefahrgütern erkrankten.

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  25. So führten auch die Berichte über die angeblichen Steuertricks des erfolgreichsten männlichen deutschen Tennisspielers (vgl. z. B. DER SPIEGEL 9/1997: 92 f.; DER SPIEGEL 10/1997: 16; DER SPIEGEL 27/1997:17) scheinbar nicht zu einem Popularitätsverlust-zumindest nicht in den Medien: In Spiegel-Heft 28/1997 wurde er schon wieder als „Volksheld“bezeichnet (vgl. DER SPIEGEL 28/1997: 107 ff.).

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  26. Der in seinem finanziellen Umfang spektakulärste Fall von — allerdings legaler — Steuervermeidung war 1997 der Verkauf des in Privatbesitz befindlichen Pharma-Unternehmens Boehringer Mannheim. Von den 11 Milliarden Dollar Verkaufspreis konnte der deutsche Fiskus angeblich „keinen Pfennig“einnehmen, da der deutsche Besitzer seinen Erstwohnsitz auf die Bermudas verlegt hatte und das Geld von einem „schwer durchschaubaren Treuhändersystem“verwalten ließ (vgl. DER SPIEGEL 23/1997: 97 f.).

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  27. Dass die volkswirtschaftliche Lage — gemessen vor allem an Arbeitslosenquote, Inflationsrate und Wirtschaftswachstum — und die den Parteien zugesprochenen Kompetenzen in Wirtschaftsfragen gerade in Deutschland entscheidenden Einfluss auf die Wählerpräferenzen haben, ist seit langem bekannt (vgl. z. B. Frey 1977: 165 ff.). Daraus resultieren ‚Zwänge‘für die Parteien, enge Kontakte zur Wirtschaft zu halten bzw. Wirtschaftsfbrderung zu betreiben, um ihre (Wieder-)Wahlchancen nicht zu gefährden. Auch völlig unabhängig von der so genannten Globalisierung und irgendwelchen Bestrebungen der Wirtschaft, auf die Politik Einfluss zu nehmen, besteht schon seit Beginn der Bundesrepublik eine enge Interessenverflechtung beider Bereiche und eine gewisse Akzeptanz dieser Verflechtung in der Bevölkerung, die ihre Ursachen nicht zuletzt im Wunsch der Wähler nach gesichertem persönlichem Wohlstand hat (vgl. Schäfers 1985:48; Haferkamp/Heiland 1984: 71; zum bereits lange bekannten Einfluss der Normadressaten in der Wirtschaft auf Regierung und Behörden vgl. Mayntz 1978: 237). Eine ablehnende Haltung gegenüber den Verflechtungen von Politik und Wirtschaft ist vor allem bei solchen Personen wahrscheinlich, die sich subjektiv nicht genügend an dem angeblich daraus erwachsenden allgemeinen Wohlstand beteiligt fühlen, oder sich zur Vertretung der Interessen solcher Benachteiligter berufen fühlen. Dass sich multinationale Konzerne der Strafjustiz zu entziehen drohen und öfters dieser oder sogar der Staatsmacht insgesamt überlegen sind, wird aber auch in anderen Zusammenhängen, wie etwa der Kriminologie (vgl. z. B. Frehsee 1991: 27), schon seit längerem diskutiert.

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  28. Dieses Ziel wird auch durch das bereits erwähnte, am 01.01.2002 in Kraft getretene „Job-AQTIV-Gesetz“verfolgt.

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  29. Auch in dieser Untersuchung wird der Missbrauch von Sozialleistungen auf den ungerechtfertigten Bezug von Sozialhilfe eingeschränkt. Dies dient in erster Linie der Anpassung an das Begriffsverständnis der Befragten der standardisierten Erhebung, auf deren Daten im Weiteren vorwiegend zurückgegriffen wird (eine erweiterte Definition des Sozialleistungsmissbrauchs wäre wohl kaum vermittelbar gewesen). Was wiederum von den interviewten Personen bzw. in der Öffentlichkeit unter Sozialleistungsmissbrauch verstanden wird, ist auch durch die Medien beeinflusst bzw. wird von diesen widergespiegelt.

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  30. Die eigene soziale Devianz wird nicht durch beliebige Abweichungen Nicht-Prominenter, sondern in erster Linie durch deren soziale Devianz gefördert. Allerdings kann der Hinweis auf das sozial abweichende Verhalten Anderer als Schädigung anonymer Kassen bzw. der Allgemeinheit dann durchaus unabhängig von der Art sozialer Devianz als eine Legitimierung eigener Abweichungen verwendet werden, der Leistungsmissbrauch von Sozialhilfeempfängern also als Rechtfertigung der eigenen Steuerhinterziehung dienen und umgekehrt.

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  31. Dem neuzeitlichen, sich durch die französische Revolution ausbreitenden Gleichheitsgedanken gemäß werden weder Natur- noch Standesmerkmale, sondern nur noch individuelle Leistungen als Rechtfertigung sozialer Ungleichheit zugelassen. Die Bewertung nach individuellen Leistungen wird zugleich als das grundlegende Gerechtigkeitsprinzip interpretiert (vgl. Mutz 1994: 162; vgl. auch Meulemann 1992: 102 f.). Aus diesem Grundverständnis heraus wird Ungleichheit nur dann als legitim betrachtet, wenn sie das Ergebnis von Chancengleichheit ist (vgl. Meulemann 1992: 104) und wenn auch das Prinzip der Austauschgerechtigkeit eingehalten wurde, dem gemäß nur demjenigen mehr Gewinn (z. B. Geld, Ansehen) zusteht, der mehr investiert hat (z. B. in Bildung) (zur Austauschgerechtigkeit vgl. Schmidtchen 1997: 248). So wird das Gerechtigkeitsempfinden verletzt, wenn das für angemessen gehaltene Verhältnis von Aufwand und Gewinn nicht eingehalten wird, also unverhältnismäßig große Vorteile ohne die normalerweise dafür üblichen Anstrengungen oder Kosten erzielt werden (vgl. Ikinger 1982: 223). Vielfach gelten Status- und Machtunterschiede aber auch oder sogar nur dann als gerechtfertigt, wenn sie positive Folgen für die Allgemeinheit zu haben scheinen. Dienen die bestehenden Zustände der Gemeinschaft, gelten sie als legitim (vgl. Schmidtchen 1997: 248).

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  32. Dass die Forderung nach absoluter Gleichheit kaum Unterstützung findet, heißt nicht, dass die Bevölkerung mit den bestehenden Zuständen zufrieden wäre oder sie für gerecht hielte (zur wahrgenommenen weiter wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich vgl. die vorl. Arb.: 43). Die perzipierte „Gleichheit der Startbedingungen“und vor allem die wahrgenommene „Gerechtigkeit des ungleichen Ergebnisses“ging seit ungefähr Mitte der 70er Jahre stark zurück (vgl. Meulemann 1992: 111). Ende der 80er Jahre glaubten prozentual weniger Befragte, jeder habe die Möglichkeit, sich nach seinen Begabungen und Fähigkeiten auszubilden, als Ende der 50er Jahre (vgl. Meulemann 1992: 114). Obwohl Meulemann als Hauptgrund hierfür den Unterschied zwischen objektiven Zuständen und subjektiver Wahrnehmung angibt — durch die Bildungsexpansion wurden die Bildungschancen allgemein vergrößert, gleichzeitig jedoch auch die Konkurrenz im Bildungswesen erhöht, was die subjektive Wahrnehmung geringer Bildungschancen erklären soll (vgl. Meulemann 1992: 114) — nennt er noch eine weitere Ursache: In den 70er und 80er Jahren haben sich die schichtspezifischen Ungleichheiten der Bildungschancen in der Bundesrepublik nur wenig vermindert. Auch zu einer vertikalen Umverteilung von Einkommen ist es trotz der starken Zunahme von Transferzahlungen vermutlich nicht gekommen. Dieses Wissen scheint sich in der Bevölkerung ausgebreitet zu haben (vgl. Meulemann 1992: 115). Sieht man in der Bildung keinen Selbstzweck, sondern ein Instrument für den sozialen Aufstieg, so scheint sie — trotz oder gerade wegen der Ansprüche des Arbeitsmarktes nach immer besserer (Aus-)Bildung — an Wert verloren zu haben, zumindest aber als Massenartikel weniger Vorteile gegenüber Anderen zu verschaffen als früher. Im Kontext der Bildungsexpansion zeigt sich, dass deren normativer Anspruch, u. a. leistungsbezogene Mobilität zu gewährleisten, nicht mehr einzulösen ist. Dies gefährdet die gesamte Wertebasis der Moderne (vgl. Fend 1988: 169 f.). Die intergenerationellen Statusdiskontinuitäten, von denen vor allem jüngere Frauen profitierten, nahmen in den 80er Jahren sogar wieder etwas ab und schienen sich als zeitlich befristetes Phänomen herauszustellen (vgl. Berger 1995:69 f., 79). Auch in den 90er Jahren lassen sich schicht- und geschlechtsspezifisch ungleiche Chancen bei der Berufsausbildung, dem Einstieg in den Beruf und der Karriere feststellen (vgl. Witzel/Zinn 1998; zur Chancenungleichheit und zu den Aufstiegsschwierigkeiten unterer sozialer Schichten vgl. auch schon Merton 1974:297,301 f.).

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  33. Ein gutes Beispiel dafür, dass das Urteil der Bürger über die sozialen Sicherungssysteme von der öffentlichen Diskussion darüber abhängig ist, liefert Bulmahn aufgrund der Daten des SozialwissenschaftenBus 111/1996. Hier wurden die Befragten um ihr Urteil über das Sozialsystem in Zukunft, zum Befragungszeitpunkt und fünf Jahre zuvor gebeten. Angesichts der in der Öffentlichkeit stark diskutierten Notwendigkeit von Einschnitten ins soziale Sicherungsnetz wundert es nicht, dass dessen Ausgestaltung in Zukunft pessimistisch eingeschätzt wurde. Erstaunlich ist jedoch, dass der gegenwärtige Zustand des Sozialsystems zum Befragungszeitpunkt wesentlich negativer eingeschätzt wurde als der frühere und dass hier ein „Erdrutsch“der Beurteilung noch vor einer durchgreifenden Reform stattgefunden hat (vgl. Bulmahn 1997: 8).

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  34. Dass in der Folge die Antragsteller auf eine Sozialwohnung Jetzt aus allen Berufen kommen“, wurde allerdings auch gerne als Beweis für eine Verelendung der Mittelschicht genommen (vgl. DER SPIEGEL 40/1997: 86). Auch dies kann als kleiner Beleg für die Komplexität des Systems staatlicher Transferleistungen gewertet werden, die eine Beurteilung ihrer „Gerechtigkeit“und Zielgerichtetheit kaum zulässt. Sieht man einmal davon ab, dass sich die Frage nach der Gerechtigkeit und Zielgerichtetheit staatlicher Sozialleistungen ohnehin nur mit Einschränkungen stellt, da nicht alle Leistungen ausschließlich für „wirklich Bedürftige“gedacht sind, fehlen zur Beantwortung der Frage, in welchem Maße sie bei diesen ankommen, nach wie vor die Daten.

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  35. Hierzu ist anzumerken, dass die Wohlfahrtsverbände natürlich nicht die einzigen Gruppierungen sind, die Reformen des Sozialstaates, die ihren Interessen zuwider laufen, zu verhindern suchen. Lobbyisten im Auftrag gut organisierter Minoritäten verteidigen deren bestehende Privilegien zäh gegen jedwede Reformbestrebung (vgl. Olson 1985a; Olson 1985b). Hierfür sind nicht zuletzt die diversen, unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen zukommenden Steuervergünstigungen ein gutes Beispiel, um deren Erhalt oder Ausweitung meist erbittert gestritten wird.

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  36. In einer bundesweiten Repräsentativbefragung des Forschungsinstituts für Ordnungspolitik zeigten sich die Befragten umso häufiger von der Notwendigkeit großer Einsparungen bei den sozialen Leistungen überzeugt, je höher ihr Haushaltsnettoeinkommen war (vgl. Föste/Janßen 1997: 237 f.).

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  37. Zu diesen Skandalen, die sich teilweise erst nach dem Erscheinen des Artikels entfalteten und in ihrer Tragweite bekannt wurden, gehörten bspw. die verbotenen Insidergeschäfte eines Kölner Bürgermeisterkandidaten sowie die Milliardenverluste zweier bayerischer Unternehmen unter Kontrolle des Landes, fur die keiner die politische Verantwortung übernehmen wollte. Dazu gehörten auch die aus Schmiergeldern und Provisionen stammenden Zahlungen eines Waffenhändlers an diverse Politiker (vgl. Süddeutsche Zeitung (Online) vom 02.09. 1999b; Süddeutsche Zeitung (Online) vom 18.09.1999; Süddeutsche Zeitung (Online) vom 22.09.1999b; Süddeutsche Zeitung (Online) vom 24.09.1999b). Nach einem Skandal um die Caritas betraf schließlich eine weitere Affäre des (Spät-)Sommers 1999 das Bayerische Rote Kreuz (BRK) (vgl. Süddeutsche Zeitung (Online) vom 26.08.1999; Süddeutsche Zeitung (Online) vom 31.08.1999b; Süddeutsche Zeitung (Online) vom 09.09.1999b).

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Schäfer, W.J. (2002). Medienberichterstattung über soziale Devianz. In: Opfer Sozialstaat. Forschung Soziologie, vol 170. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95000-0_3

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