Zusammenfassung
Im folgenden geht es mir darum, eine Differenz aufzumachen zwischen fundamentalen generationsspezifischen Lern- und Aneignungsprozessen auf der einen und intergenerationellen Bildungsprozessen auf der anderen Seite. Während die erstgenannten, wie herausgearbeitet, bei der präreflexiven Konstitution und Reproduktion generationsspezifischer Erfahrungsräume und Medienpraxiskulturen eine wichtige Funktion innehaben, werde ich mit dem Terminus ‚intergenerationelle Bildungsprozesse‘ solche Prozesse bezeichnen, die sich auf ein Reflexivwerden des in diesen fundamentalen Lern- und Aneignungsprozessen erworbenen, generationsspezifischen handlungspraktischen Wissens beziehen. Um diese Unterscheidung grundlagentheoretisch zu fundieren, werde ich zunächst zwischen kollektiven und individuellen Bildungsprozessen unterscheiden und dann auf eine in Mannheims Generationenkonzept m.E. bereits angelegte implizite Theorie über intergenerationelle Bildungsprozesse eingehen. Diesen Ansatz werde ich im Durchgang durch Überlegungen zu kollektiven Lernprozessen (Miller 1986) dahingehend präzisieren, dass intergenerationelle Bildungsprozesse im Modus der Begegnung generationsspezifischer konjunktiver Erfahrungsräume emergieren. Zusammenfassend werde ich dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede des vorgeschlagenen Konzepts im Vergleich zu erziehungswissenschaftlichen Generationsbeziehungskonzepten aufzeigen und abschließend die Fragestellung für das darauf folgende empirische Kapitel umreißen, die verkürzt wie folgt lautet: Dokumentieren sich intergenerationelle Bildungsprozesse in der kommunikativen Bearbeitung der handlungspraktischen Wissensdifferenz beim Handeln mit neuen Medientechnologien?
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Literatur
Mead betont, dass „der gesellschaftliche Prozess zeitlich und logisch vor dem bewussten Individuum besteht, das sich in ihm entwickelt. Die Übermittlung von Gesten ist ein Teil des ablaufenden gesellschaftlichen Prozesses. Sie wird nicht durch den Einzelnen allein ermöglicht. Die Entwicklung der Sprache, insbesondere des signifikanten Symbols, ermöglichte es, dass eben diese externe gesellschaftliche Situation in das Verhalten des Einzelnen hereingenommen wird“ (Mead 1995 S. 230 ).
Abgesehen von dieser Gemeinsamkeit ist, versichert man sich auch nur ansatzweise der bildungstheoeretischen Diskussion, gerade das Diskursfeld,Bildung` von einer ausgesprochenen „Heteronomie“ (Tenorth 1997 S. 971), also einem „Sprechen nach unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten“ (ebd.), gekennzeichnet. Dies betrifft sowohl das jüngst wieder aufgenommene Unterfangen,,Bildung` kategorial zu bestimmen (exemplarisch: Hansmann/ Marotzki 1988 und 1989) als auch die diversen,Anreicherungen’ des Bildungsbegriffs, etwa durch ästhetische (Mollenhauer 1983, 1988) oder leibliche (Meyer-Drawe 1984) Dimensionen. Darüberhinaus wird die Diskussionslage durch verschiedene Versuche der Restititution des Bildungsbegriffs durch Begriffe wie Identität, Lernen, Sozialisation etc. und in jüngster Zeit durch den der „Autopoiesis“ nicht unbedingt vereinfacht (vgl. hierzu exemlarisch die Kontoverse zwischen Tenorth 1997 und Lenzen 1997, die in Dietrich/ Müller 1999 ihre Fortsetzung fand). Ich werde mich einer genuin bildungstheoretischen Diskussion dieses spezifisch „deutschen Deutungsmusters“ (Bollenbeck 1996) selbst jedoch enthalten, da dies den Rahmen der vorliegenen, primär empirisch konzipierten Arbeit bei weitem übersteigen würde. Für die vorliegende Untersuchung sind diejenigen Arbeiten aus dem erziehungswissenschaftlichen Bereich interessant, die versuchen, den Bildungsbegriff im Rahmen qualitativer Sozialforschung zu präzisieren. Aus dem genuin bildungstheoretischen Bereich sind hier etwa die Arbeiten von Marotzki (1990) und Koller (1996) zu nennen, die auf unterschiedliche Weise das Programm einer „erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung“ (Krüger/ Marotzki 1999) füllen. Auf den ersten Blick erscheinen hier qualitative Arbeiten aus dem Bereich der biographischen Erwachsenenbildungsforschung, wie etwa die von Kade (1989) und Seitter (1999) nicht kompatibel, da sie theoretisch anstreben, das Konzept,Bildung` durch dasjenige des „Umgangs mit Wissen“ im Rahmen „pädagogischer Wissensordnungen“ zu ersetzen (Kade/Seitter 2001; siehe auch Kade 1993 und 1997). Auf der Ebene der empirischen Ergebnisse beider,Theorieprogramme` ergeben sich jedoch erstaunliche Konvergenzen, die es m.E. angeraten erscheinen lassen, die begrifflichen Differenzen hintan zu stellen und zu konzidieren, dass beide Blickrichtungen fruchtbare Forschungsperspektiven auf Bildungsprozesse des,Subjekts im Kontext’ (hier im Kontext seiner Biographie) eröffnen. In der vorliegenden Arbeit
Dies trifft im übrigen ebenso auf die m.E. problematische,Aufgabenteilung` von Pädagogik (zuständig für das,Subjekt`) und Soziologie (für das,Kollektiv`) zu. dem Horizont ihrer unterschiedlichen generationsspezifischen Erfahrungsräume in einem wechselseitigen Sozialisationsverhältnis stehen.
Auf dieser expliziten Ebene ist von Mannheim also ähnliches zu vernehmen wie von Nietzsche, der Bildungsanstalten als Stätten der „Lebensnot“ von denen der wahren Bildung unterschied. (Nietzsche 1872 zitiert nach Tenorth 1997, S. 981).
Dass Mannheim diesen Zeitpunkt unter Bezug auf Spranger (1925) um das 17te Lebensjahr herum ansiedelt, ist natürlich den zeitgebundenen jugendpsychologischen und soziologischen Erkenntnissen geschuldet (sowie den zeitgebundenen Praktiken der,Jugend` zu dieser Zeit, vgl. Nohl 1918) und soll nicht — wie in der entsprechen-
Miller ist vorrangig an diesen beiden Formen des Lernen interessiert und verbleibt damit natürlich, was sein Erkenntnisinteresses anbelangt, im Paradigma der Piaget-Kohlberg Schule (vgl. hierzu Bauer 1997 69ff.).
An dieser Formulierung dokumentieren sich natürlich die Begrenzungen dieses Ansatzes, die durch die Begrenzung auf den „Kopf“ nicht auf die Ebene habitueller und damit auch leibgebundener Praxis gelangen, wie dies in praxeologischen Ansätzen (Bourdieu; Bohnsack)der Fall ist.
Unter Bezug auf van Gennep und Turner stellen sie fest: „Bildungsprozesse sind als Differenzgeschehnisse Übergangsphänomene, deren Dezentrierungsmomente nicht selten in Ritualen und Ritualisierungen expliziert, kanalisiert und finalisiert werden.“ (Zirfas/ Wulf 2001, S. 192).
Z.B. im Hinblick auf die Ziele der Aufklärung Freiheit, Mündigkeit, Toleranz etc. den Haltungen führen kann. Es bleibt aber, so WITTPOTH „bei einer Verallgemeinerung von Haltungen,d.h. bei zunehmend allgemeineren Konventionen, die neben dem Denken auch präreflexive und leibliche Dimensionen umfassen“ (a.a.O., S. 131, Hervorhebung i. O., B.S.). Intergenerationelle kollektive Bildungsprozesse, so sollte deutlich geworden sein, bewegen sich also innerhalb der Möglichkeitsspielräume dieser als konjunktiv zu denkenden Rahmungen.
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© 2003 Leske + Budrich, Opladen
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Schäffer, B. (2003). Zur Theorie Intergenerationeller Bildungsprozesse. In: Generationen — Medien — Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94996-7_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94996-7_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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