Zusammenfassung
Die Verwerfungen in der politischen Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert blieben nicht ohne Rückwirkung auf die Struktur der deutschen Elite. Jeder politische Regimewechsel zog über kürzer oder länger auch eine grundlegende Elitentransformation nach sich. Denn unterschiedliche politische Regimetypen beeinflussen über die Regeln für den Erwerb und die Ausübung politischer Herrschaft hinaus auch die Art und Weise, wie in einer Gesellschaft Macht erworben, ausgeübt und in politischen Einfluss umgesetzt werden kann. Dementsprechend bildeten sich nach der 1945 erfolgten Teilung Deutschlands in der alten Bundesrepublik und in der DDR sehr unterschiedliche Eliteformationen heraus. In der alten Bundesrepublik entstand eine demokratische und pluralistische Elitestruktur, in der die Inhaber politischer Herrschaftspositionen mit den Repräsentanten der politischen Parteien, der Unternehmen, der unabhängige Medien sowie der zahlreichen frei gebildeten Interessengruppen zusammenwirken. Gleichzeitig entwickelte sich im Verlauf der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg auch ein breiter Elitenkonsens über die demokratischen Spielregeln. Verschiedene Eliteuntersuchungen (vgl. Hofmann-Lange 1992) ergaben dementsprechend, dass die Eliteformation der alten Bundesrepublik dem Typus einer konsensuellen Elite mit einem hohen Maß an Elitenintegration entspricht.
Wie in einer Gesellschaft Macht erworben, ausgeübt und in politischen Einfluss umgesetzt wird, ist Thema der Elitenforschung. Sie interessiert sich dabei nicht für die „Besten“, sondern für diejenigen, die tatsächlich gesellschaftliche Führungspositionen innehaben — in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft: in Politik, Verwaltung, Rechtsprechung, Militär, Parteien, Verbänden, Kirchen, Wirtschaft. Als Fragen stehen im Mittelpunkt: Wie und woher rekrutieren sich die Eliten, welche Einstellungen weisen sie auf im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, wie sind die Beziehungen zwischen den Eliten der verschiedenen Sektoren? Welche Folgen hat das für die Gesellschaft insgesamt? Und für den deutschen Fall: Was bedeutet es, dass die Eliten in Deutschland West und Deutschland Ost so ganz anders aussahen?
Red.
Die im vorliegenden Beitrag enthaltenen Tabellen und Schaubilder basieren auf einer Sekundäranalyse der Daten der Potsdamer Elitestudie von 1995 (vgl. Bürklin/Rebenstorf et al. 1997). Prof. Dr. Wilhelm Bürklin hat freundlicherweise der Verwendung der Daten für diesen Beitrag zugestimmt, wofür ich ihm an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte.
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© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Hoffmann-Lange, U. (2002). Elite West — Elite Ost?. In: Wehling, HG. (eds) Deutschland Ost — Deutschland West. Reihe: Der Bürger im Staat, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94933-2_5
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