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Familie, Inzest und Verwandtschaftsformen

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Book cover Ethnosoziologie

Part of the book series: Studienskripten zur Soziologie ((TEUSS,volume 123))

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Zusammenfassung

In seinem berühmten Essay “Die Gabe” kennzeichnet Marcel MAUSS (1978) diese als totale, soziale Institution, die zur systematischen Erleichterung des sozialen Verkehrs führt und schließt die Verwandtschaftsbeziehungen in diesen Prozeß mit ein. „Das Kind (ein mütterliches Gut) ist also das Mittel, wodurch sich die Güter der mütterlichen Familie gegen die der männlichen Familie austauschen lassen. Und wenn man feststellt, daß das Kind, da es bei seinem Onkel mütterlicherseits lebt, offensichtlich ein Recht hat, dort zu leben, und folglich ein allgemeines Recht auf den Besitz des Onkels, so erkennt man, daß dieses System des ‘fosterage’ dem Recht sehr ähnlich zu sein scheint, das in Melanesien dem mütterlichen Neffen auf die Besitztümer seines Onkels allgemein zugestanden wird“.1) Verwandtschaft scheint in der Sprache von M. MAUSS dem Phänomen eines „fait social total“ (totale soziale Institution) sehr nahe zu kommen, denn mit dieser Begrifflichkeit werden gesellschaftliche, religiöse, ökonomische, rechtliche, moralische und emotionale Befindlichkeiten umschrieben, allgemeine und spezielle Normen einer Gesellschaft gekennzeichnet.

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Literatur

  1. MAUSS 1978, Bd. II, S. 22, der Einfluß von MAUSS auf DURKHEIM und die von ihm ausgehende makrosoziologische Sichtweise von Gesellschaft kann hier nur angedeutet werden, vgl. besonders das Kapitel über Religion, Magie und normative Ordnung.

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  2. Vgl. dazu MITTERAUER/SIEDER 1977, 1982, FLANDRIN 1978, SAUL 1982, ROSENBAUM 1982, MÜHLFELD 1982, HAJNAL 1965, LASLETT 1973, CONZE 1976.

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  3. REIF 1982, S. 91. REIF verdeutlicht die Bedeutung der Tradition für die soziale Konstruktion familialer Wirklichkeit und zeigt, daß der Vater zur sozialen und rechtlichen Sicherung der Verwandtschaft seinen Sohn enterben mußte, weil dieser seine Ehe auf Liebe und Individualität der Partner gründen wollte.

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  4. Der Studie von MURDOCK 1949 kommt eine exemplarische Bedeutung zu, in ihr wird anhand des empirischen Datenmaterials die analytische Kategorie “Kernfamilie” zum universellen Muster hypostatisiert.

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  5. Ein familiensoziologischer Überblick zum Thema findet sich in MÜHLFELD 1976, 1982.

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  6. GOODE 1967, S. 44, wobei GOODE und andere Autoren jedoch dem genealogischen Denken verhaftet bleiben, argumentativ aber die sozialen Bestimmungsgründe in den Vordergrund der Überlegungen treten lassen.

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  7. GOUGH 1968, S. 84. Das Beispiel der Nayar ist geeignet, die theorieabhängige Interpretation der Heiratsregeln zu verdeutlichen und die Dominanz genealogischen Denkens zu unterstreichen.

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  8. Vgl. GOUGH 1968, GOODENOUGH 1970, LEACH 1961.

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  9. GOUGH 1968, S. 88, ähnlich A. R. RADCLIFFE-BROWN/D. FOR-DE 1950, bes. S. 73 ff.

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  10. MÜHLMANN 1964, S. 226 ff., dort auch kritische Einwände gegen einen Formalismus, der eine Orthodoxie im Denken begünstigt.

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  11. LEVI-STRAUSS 1949, dt. 1981, S. 191 - Die theoretische Fundierung des Verwandtschaftssystems hat die Forschung nach 1950 beherrscht, eine Ethnosoziologie der Verwandtschaftssysteme kommt um eine Diskussion von LEVI-STRAUSS nicht herum!

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  12. Vgl. dazu die einer interessanten und differenzierenden Betrachtung verpflichtende Studie von DAVENPORT 1968.

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  13. OTTERBEIN 1965, S. 73, zu ähnlichen Ergebnissen gelangt GOODE 1959.

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  14. LEVI-STRAUSS 1981, S. 180 - Diese Warnung verweist auf eine eurozentrische Sichtweise von Verwandtschaft, die primär an genealogischen Bezugspunkten orientiert ist. Vgl. dazu auch MOLLER 1981.

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  15. MOHLFELD 1977; eine Auseinandersetzung mit dem Verteilungsmechanismus zur Begründung des Inzesttabus als archaisches Prinzip der Heiratsregelung findet sich dort, hier soll nicht näher darauf eingegangen werden, vgl. dazu MESSELKEN 1974.

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  16. Moralisierende Argumentationen sind kein Ersatz für empirisch gesicherte Erkenntnisse, eurozentrische Bewertungen sozialer Phänomene in den Ethnien folgen den Bedingungen von Beliebigkeit, vgl. LEVY-BRUHL 1931.

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  17. DURKHEIM 1898 stützt sich weitgehend auf Forschungsergebnisse von M. MAUSS, zur Kritik an den empirischen Studien vgl. u.a. LEVI-STRAUSS 1981.

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  18. WHITE 1948; die Auseinandersetzung mit dieser Argumentationskette soll hier nicht weiter verfolgt werden, da wir erneut eine Diskussion über Rolle und Funktion des evolutionären Paradigmas aufnehmen müßten, vgl. Kapitel “Theorien und Schulen”.

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  19. EVANS-PRITCHARD 1935; das Moment einer (verdeckten) moralischen Bewertung muß bei dieser Sichtweise und Interpretation des sozialen Phänomens mit angesprochen werden.

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  20. MALINOWSKI 1927, 1928; die moderne Verhaltensbiologie (Ethologie) sowie die Soziobiologie machen es sich zu leicht, wenn sie genetische Erkenntnisse evolutiv deuten und in einen Zusammenhang mit sozialen Steuerungsprozessen bringen, vgl. EIBL-EIBESFELDT 1980, BARASH 1980. Sie müssen unter der Hand das Kriterium der sozialen Meidung einbringen und dieses zudem gesellschaftskausal deuten, d.h. ihre Erkenntnisaporie (Wissen um genetische Zusammenhänge) wird durch Moral als Steuerungselement substituiert. Insofern setzen sie sich der gleichen Kritik wie LEVI-BRUHL 1935 aus.

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  21. WESTERMARCK 1934; diese Abhandlung muß auf dem Hintergrund seines zweibändigen Werkes “The Origin and Development of Moral Ideas” (London 1906–1908) sowie seiner Studien über The History of Human Marriage“ (3 Bde., New York 1922) gesehen und interpretiert werden.

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  22. zusammenfassend in LOWIE 1924

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  23. Die verhaltensbiologische Diskussion von BISCHOF 1973 kommt um eine deplacierte Gedankenlyrik eines angeborenen, psychischen Vermeidungsverhaltens nicht herum!

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  24. SIDLER ( 1971, S. 8) hat seine Studie historisch-systematisch angelegt und im Kontext von Gesellschaft als normativer Konstruktion das Inzesttabu als Norm untersucht.

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  25. SIDLER (1971) bringt in seiner Abhandlung eine ausführliche Analyse des ethnologischen Materials und zeigt eine Fülle pseudo-inzestuöser Beziehungen auf. Seine Arbeit darf als eine der wenigen Untersuchungen gelten, die den Nachweis über das Vorliegen der faktischen Verbreitung von inzestuösen Beziehungen in weiten Teilen der Bevölkerung im pharaonischen Ägypten und in Alt-Iran erbringt. Inzest konnte sich jedoch nur auf dem Hintergrund einer Gesellschaft entwickeln, in der das Tabu vorher institutionalisiert war. 1983 bereitete die schwedische Reichsregierung ein Gesetz zur völligen (rechtlichen) Beseitigung des Tabus vor.

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  26. LEVI-STRAUSS 1981; seine Bejahung des Tabus folgt mehr den Bedingungen eines theoretischen Konstrukts als empirischen Sachverhalten, insofern bleibt er Grundüberlegungen von DURKHEIM verhaftet.

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  27. LEVI-STRAUSS 1981, S. 74

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  28. MESSELKEN 1974; zur Kritik an dieser Position vgl. MÜHLFELD 1977.

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  29. Klassisch ist der gesamte Themenkomplex bei S. FREUD (1972) aufgearbeitet, Modifikationen dieses Ansatzes sollen hier unberücksichtigt bleiben.

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  30. LEVI-STRAUSS 1981, S. 200.

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  31. Eine außerordentlich fundierte und kritischen Fragestellungen nicht ausweichende Studie hat MÜLLER (1981) vorgelegt, wobei das Thema Verwandtschaft primär unter erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten angegangen wird.

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  32. MÜLLER 1981, S. 152; die idealtypische Methode kommt ohne - von der Wirklichkeit abstrahierende - Verfahren nicht aus, so daß die Frage nach dem Ordnungsprinzip Verwandtschaft nur als sekundäres Phänomen aufgearbeitet werden kann.

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  33. LEVI-STRAUSS 1981, S. 658; offen bleibt dabei, inwieweit diese Erkenntnis von ihm selbst beachtet wird.

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  34. NADEL 1951; die Studie kommt ohne strukturfunktionalistische Überhöhungen nicht aus, vgl. dazu das Kapitel “Theorien und Schulen”.

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  35. MÜLLER 1959, S. 673.

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  36. Die Verhaltensnorm tritt dabei eindeutig in den Vordergrund, genealogische Fragen bleiben sekundär, da sie zunächst nur legitimatorische Funktionen haben und beim Ausscheiden weitgehend verhaltensirrelevant bleiben. MÜLLER 1981, S. 158 f.

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  37. MÜHLMANN 1962, S. 338; die machtpolitische Dimension von Verwandtschaft hat oft zugleich auch eine territorialerweiternde Funktion bzw. wird bei Gebietsansprüchen als Legitimation herangezogen.

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  38. LAYARD 1967, S. 60; einer Verwandtschaftstypologie kommt daher nur eine heuristische Funktion zu.

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  39. SZEMAN 1981, S. 107; diese Studie liefert einen weiteren Mosaikstein zur Entmythologisierung der Großfamilie.

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  40. Dieser Aspekt greift auf anthropologische und soziobiologische Fragestellungen zurück, vgl. CLAESSENS 1980, S. 60 ff.

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  41. Vgl. DURKHEIM 1973, S. 311 ff; wobei abweichendes Verhalten eine von der Gesellschaft ausgehende und auf sie zurückweisende Verhaltensform darstellt. Anomie bleibt bei DURKHEIM keine abstrakte Kategorie, über sie bezieht Gesellschaft ihre Strukturflexibilität. Nur so wird seine Rede “Kriminalität ist normal” verständlich.

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  42. Von DURKHEIM ausgehend gelangen BERGER/KELLNER (1965) zu einer an A. SCHÜTZ orientierten Betrachtungsweise von Ehe und Familie.

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  43. NEIDHARDT 1979, S. 641; gruppensoziologische Erkenntnisse werden bewußt argumentativ weiterentwickelt, um die Dimension von Verhaltensnormen konkreter aufzeigen zu können.

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  44. Mit dieser Formulierung kennzeichnet ELIAS 1976, S. 221, primär intrasozietäre soziale Erscheinungsformen, verdeutlicht aber damit zugleich die Bedeutung vertrauensbildender Maßnahmen, die sozialen Zwang neutralisieren.

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  45. POPITZ 1980, S. 3; Allianzregeln bilden die Basis für Vertrauenskredit, so daß eine soziale Kalkulationsfähigkeit von Handeln überhaupt entstehen kann. Die Kontrollfunktion bzw. das Sanktionspotential des Verwandtschaftssystems ist demnach eine abgeleitete Größe, ein Sachverhalt, der in der Diskussion noch zu wenig beachtet wird.

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  46. POPITZ 1980, S. 18

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  47. NEIDHARDT 1979, S. 652

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  48. CLAESSENS 1977, S. 20; die Bereitschaft zu sozialen Investitionen muß sozialisatorisch vermittelt werden, aber nur in dem Umfang, wie über Sozialisation Identität vermittel- und erwerbbar ist, Antizipation allein genügt nicht.

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  49. SIMMELs (1968) überlegungen stehen für den Aspekt der Begrenzung empathiebesetzter Interaktionen, mit zunehmender Gruppengröße kommt es zur Formalisierung, was einer bewußten Zurücknahme von Empathie als Legitimationsmuster gleichkommt und an DURKHEIMs Behauptung des Zusammenhanges von mechanischer Solidarität und rigider Moral indirekt anknüpft.

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  50. SIMMEL 1968, S. 37 ff.

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© 1984 B. G. Teubner Stuttgart

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Goetze, D., Mühfeld, C. (1984). Familie, Inzest und Verwandtschaftsformen. In: Ethnosoziologie. Studienskripten zur Soziologie, vol 123. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94923-3_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94923-3_6

  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-519-00123-2

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