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Von den Schwierigkeiten, ein „deutscher Patriot“ zu sein

Karl Otto Paetel und Deutschland

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Deutschland nach Hitler
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Zusammenfassung

Paetel, 1906 in Berlin geboren, kam aus der Jugendbewegung, wurde gegen Ende der Weimarer Republik von der allgemeinen Radikalisierung und Politisierung erfaßt1 und entwickelte sich zu einem der prominentesten Vertreter nationalrevolutionärer, nationalbolschewistischer Gruppen,2 der „linken Leute von rechts“, wie Kurt Hiller in einem „Weltbühnen“-Aufsatz vom 2. August 1932 Personen wie Karl Otto Paetel, Ernst Niekisch, Otto Strasser, Werner Laß, Richard Scheringer, Friedrich Hielscher und andere einmal zutreffend charakterisierte.3 Kennzeichnend für Paetel und seine Gesinnungsgenossen war die Verbindung von einem deutschen Nationalismus, der sich in erster Linie am Versailler Vertrag entzündete, mit einem parteipolitisch nicht gebundenen „deutschen“ Sozialismus. Trotz gewisser Sympathien für KPD und NSDAP wendete sich Paetels „National-Sozialismus“ gegen das Establishment beider Parteien und versuchte, in einer Art Sammlungsbewegung nationale Kommunisten und linke Nationalsozialisten zusammenzuführen. Die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik wurde kompromißlos bekämpft und an ihrer Stelle ein „großdeutscher Volksrätestaat“ gefordert. Die Grundeinstellung war jugendlich-radikal, irrational und unkonventionell, im ganzen also unbürgerlich. Mit besonderer Schärfe wurde das Besitzbürgertum attackiert. Außenpolitisch bestand — vor allem auf Grund der Ablehnung des Versailler Vertrages — eine Stoßrichtung gegen die westlichen Demokratien und die Propagierung eines Bündnisses mit der Sowjetunion. Die politische Unerfahrenheit der linken Leute von rechts — Paetel eingeschlossen — zeigte sich darin, daß man kein Konzept zur Erringung und Handhabung der politischen Macht entwickelte. „Gesinnung“ bzw. „Haltung“ trat an die Stelle praktisch-politischer Arbeit. Reale und in der Praxis schwer lösbare soziale Gegensätze fanden im Volksgmeinschaftsdenken eine Art Scheinlösung. Dennoch kann man von politischer Wirksamkeit der linken Leute von rechts insofern sprechen, als sie zum Sturz der Weimarer Demokratie und — unbeabsichtigt — zum Sieg der NSDAP beigetragen haben.4

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Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu Wolfgang D. Elfe, Weimar aus der Sicht der „Linken Leute von rechts“: Karl Otto Paetel, in: Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933, hg. von Thomas Koebner, Frankfurt: Suhrkamp, 1982, S. 205–222.

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  2. Zum Nationalbolschewismus s. insbesondere Karl O. Paetel, Versuchung oder Chance? Zur Geschichte des deutschen Nationalbolschewismus, Göttingen, 1965 sowie Otto-Ernst Schüddekopf, Nationalbolschewismus in Deutschland 1918–1933, Frankfurt: Ullstein, 1972.

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  3. Linke Leute von rechts, in: Die Weltbühne 28, 1932, 2. August, S. 153–158.

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  4. In seinem Buch Jugend in der Entscheidung. 1913–1933–1945 (zweite, stark erweiterte Auflage des Werkes: Jugendbewegung und Politik, Bad Godesberg, 1963) bemerkt Paetel selbstkritisch viele Jahre später: „... gerade die Jungnationalen und Nationalrevolutionäre, die um der Ideen Nation und Sozialismus willen — früher oder später — sich gegen die Hitlerdiktatur wandten, haben zeitweise in ihren Formulierungen unwillentlich dazu beigetragen, das Feld für den Nationalsozialismus zu bereiten.“ (S. 9).

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  5. Zur Verfolgung Paetels durch die NS-Behörden s. Werner Röder, Der Oberreichsanwalt würdigt Karl O. Paetel. Dokumentation zur Emigration 1933–1945, in: Don Quichote en miniature. Grüße zum 65. Geburtstag am 23. November 1971 für Karl O. Paetel. Von Freunden in Deutschland und anderswo (Privatdruck; in 1 000 Exemplaren hergestellt im Druckhaus Nürnberg).

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  6. Blätter der Sozialistischen Nation. Nationalkommunistische Rundbriefe, Nr. 1, 1936, S. 6.

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  7. Ebd., S. 1–6. Wie sehr Paetel die Stärke und Wirkungsmöglichkeiten einer nationalrevolutionären Opposition in Hitlerdeutschland überschätzt, sieht man z. B. in seinem Aufsatz: Nationalistische Opposition?, in: Die neue Weltbühne 3, Nr. 2, 21. Februar 1935, S. 240–245.

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  8. Diese Ansichten äußert Paetel in seinem Artikel: „Deutsches Neuheidentum“, in: Die neue Weltbühne 3, Nr. 12, 21. März 1935, S. 366–370 sowie in: Das Neuheidentum in Deutschland, in: Sozialistische Warte 13, Nr. 32, 12. August 1938, S. 762–766.

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  9. Blätter der Sozialistischen Nation, Nr. 1, 1936, S. 10.

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  10. Blätter der Sozialistischen Nation, Nr. 4/5, Mai 1937, S. 4.

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  11. Ebd., S. 4.

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  12. Ein Beispiel dafür findet sich in Karl O. Paetel, Reise ohne Uhrzeit. Autobiographie, hg. von Wolfgang D. Elfe und John M. Spalek, London/Worms, 1982, S. 165–166. Paetel beklagt hier die Uneinigkeit des politischen Exils in einer Weise, als wären das seinerzeit seine Einsichten gewesen. Er sagt indessen nicht, daß er selbst zu der politischen Zersplitterung beigetragen hat.

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  13. Blätter der Sozialistischen Nation, Nr. 4/5, Mai 1937, S. 3–4.

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  14. Zur Widerstandsarbeit von Paetels Gruppe, seit 1933 auch „Gruppe Sozialistische Nation“ genannt, s. Karl O. Paetel, Sozialistische Nation. Bericht über eine nationalrevolutionäre Widerstandsgruppe gegen Hitler. Typoskript, New York, 1964. Dieses Typoskript befindet sich in der Karl Otto Paetel Collection der State University of New York at Albany.

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  15. In: New Yorker Staats-Zeitung und Herold, 11. September 1944. Fortsetzung des Artikels am 12. September 1944.

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  16. Der Führer“, in: Deutsche Blätter 2, Nr. 8, August 1944, S. 15–18.

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  17. Ebd., S. 16.

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  19. Ebd., S. 19.

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  20. Ebd., S. 16.

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  21. Deutsche Jugend und europäische Zukunft, in: New Yorker Staats-Zeitung und Herold, 17. Juni 1945. Dieser Artikel erschien auch in: Die neue Zeitung, 17. Januar 1947.

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  22. Ebd.

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  23. Ebd.

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  24. Brief Paetels an seinen Freund Max Wehling (Hamburg) vom 9. April 1947. (Karl Otto Paetel Collection der State University of New York at Albany.)

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  25. Blätter der Dritten Front. Rundbriefe an Freunde in Deutschland, Zweiter Brief, 1947 ( Karl Otto Paetel Collection. State University of New York at Albany).

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  26. Seinen Freund Max Wehling in Hamburg bittet Paetel in einem Brief vom 14. Oktober 1947, eine Gruppe mit dem möglichen Namen „Deutsche Bruderschaft“ lizenzieren zu lassen, eine Gruppe, die sich die Aufgabe stellt, „das Erbe der alten JB (Jugendbewegung) an die heutigen Jugendbünde weiterzureichen mit nachdrücklicher Betonung, daß das eine überparteilich-politische Schulung im Sinne einer umfassenden Staats-und Gesellschaftsauffassung sein muß”. Noch immer hat Paetel kein rechtes Verhältnis zu praktisch-politischer Tätigkeit, und im übrigen trifft er die Gefühls-und Stimmungslage der Nachkriegszeit nicht ganz richtig. Als im Freundeskreis beispielsweise Bedenken laut werden gegen den Namen „Deutsche Bruderschaft“, erklärt Paetel gereizt: „Ich weiß zwar nicht, weshalb,Deutsche Bruderschaft’ romantisch klingen sollte, aber wenn Ihr meint, bitte sehr.” (Brief an Max Wehling vom 6. März 1948.)

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  27. Blätter der Dritten Front, 7. Folge, 1948.

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  28. Ebd.

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  29. Um „Die Dritte Front“, in: Die Aussprache, August 1948, S. 10.

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  30. Blätter der Dritten Front, 7. Folge, 1948.

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  31. Um „Die Dritte Front“, S. 9.

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  32. Deutschland von draußen gesehen. Was änderte sich von 1949–1962?, in: Gesprächsfetzen. Ein Rundbrief für Freunde, Folge 1, Frühling 1963, S. 6.

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  33. Blätter der Dritten Front, Dritter Brief, 1947.

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  34. Ebd.

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  35. Ernst Jünger. Die Wandlung eines deutschen Dichters und Patrioten, New York, 1946 (zweiter Band der Dokumente des Anderen Deutschland, hg. von Friedrich Krause), S. 16–17.

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  36. Blätter der Dritten Front, Folge 13/14, April 1950.

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  37. Dieser Brief befindet sich in der Karl Otto Paetel Collection der State University of New York at Albany.

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  38. Eine äußerst gründliche Auflistung der Publikationen Paetels befindet sich — gegliedert nach Sachgebieten — in Franz-Joseph Wehage, Karl Otto Paetel. Leben und Werk eines Literaturkritikers, mit einer umfassenden Bibliographie seiner Publikationen, Bern/Frankfurt/New York, 1985 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1, Band 789), S. 169214.

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  39. Deutsche Innere Emigration. Anti-Nationalsozialistische Zeugnisse aus Deutschland. Gesammelt und erläutert von Karl O. Paetel. Mit Original-Beiträgen von Carl Zuckmayer und Dorothy Thompson, New York, 1946 (vierter Band der Dokumente des Anderen Deutschland, hg. von Friedrich Krause). Der Beitrag von Dorothy Thompson in diesem Band (S. 9–28) trägt den Titel „Deutsche die Hitler bekämpften“.

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Thomas Koebner Gert Sautermeister Sigrid Schneider

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© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Elfe, W. (1987). Von den Schwierigkeiten, ein „deutscher Patriot“ zu sein. In: Koebner, T., Sautermeister, G., Schneider, S. (eds) Deutschland nach Hitler. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94354-5_15

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