Zusammenfassung
Zu den charakteristischen und strukturbestimmenden Entwicklungen Europas in der Neuzeit gehört die Ausbildung des Nationalstaates. Der Begriff Nationalstaat verknüpft zwei Ordnungsideen der Moderne, den Staat und die Nation. Der moderne Staat löst die politische Ordnung aus den personalisierten patrimonialen oder feudalen Herrschaftsverbänden und versachlicht sie im Anstaltsstaat über die Geltung gesatzter Normen und bürokratischer Verwaltung. Die moderne Nation politisiert die ethnisch-kulturellen Einheiten der Völker durch die Idee der Volkssouveränität, die die Völker zu politisch verfaßten, eigenständigen Subjekten der Geschichte, zu Nationen erhebt. In scharfer Abhebung vom Prinzip des traditional eingeübten Eigenrechts des politischen Herrschers und dre von diesem abgeleiteten Rechte seines Verwaltungsstabes, der Lehensträger und der Stände, bindet der Nationalstaat die Legitimität seiner Binnenordung an die Idee der Volkssouveränität. Daraus ergeben sich zwei folgenreiche Konsequenzen: Die eine betrifft die Abgrenzung einer politischen Einheit nach außen, die andere die Gestaltung ihrer Binnenordnung. Beansprucht das Volk politische Souveränität, so sollten die Grenzen seines staatlichen Territoriums mit denjenigen seiner geographischen Verbreitung deckungsgleich ein. Schließt es sich nach außen von anderen Völkern ab, so sollte es nach innen möglichst homogen sein. Beides galt vorher nicht. Dynastisch verknüpfte Territorien konnten die verschiedensten Völker umfassen.
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Literatur
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Lepsius, M.R. (1990). Der europäische Nationalstaat: Erbe und Zukunft. In: Interessen, Ideen und Institutionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94352-1_14
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