Zusammenfassung
Innerhalb der für die Wissenschaftsgeschichte nahezu beherrschenden Diskussion um die autonome oder extern bestimmte Entwicklung der Wissenschaft nimmt die Frage nach dem Verhältnis von Technik und Wissenschaft eine wichtige Stellung ein. Dabei gilt das Interesse vor allem den Ursprüngen der „wissenschaftlichen Revolution“ und dem Anteil der Technikentwicklung an der industriellen Revolution im 16., 17. und 18. Jahrhundert1;. Diese Diskussion, an der schon Max Weber als Vertreter der Soziologie teilgenommen hat und die sowohl durch ihn wie durch die Fortsetzung seiner Argumentation um die Bedeutung des Protestantismus für die wissenschaftliche Revolution durch Robert K. Merton nicht unerheblich beeinflußt worden ist, ist dennoch zu keinem endgültigen Abschluß gekommen. Die Materie, das hat die Debatte gezeigt, ist dafür zu umfassend und komplex. Daß das Vorurteil zugunsten der Auffassung einer autonomen Wissenschaftsentwicklung besteht, mag daraus ersehen werden, daß das Interesse an der Technikentwicklung wesentlich geringer ist; die Technikgeschichte ist gegenüber der Wissenschaftsgeschichte eine sehr viel jüngere Disziplin.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Vgl. u. a. B. Hessen Die sozialen und ökonomischen Wurzeln von Newtons „Principia“, in: P. Weingart,Hrsg., Wissenschaftssoziologie 2, Determinanten wissenschaftlicher Entwicklung, Frankfurt 1974; R. K. Merton Science, Technology and Society in Seventeenth-Century England, New York 1970; R. A. Hall The Scientific Revolution, 1500–1800, London 1954; A. E. Musson und E. Robinson Science and Technology in the Industrial Revolution, Manchester 1969; A. E. Musson (Hrsg.), Science, Technology and Economic Growth in the Eighteenth Century, London 1972.
„Technology in Retrospect and Critical Events in Science“, National Science Foundation, Washington, 1968.
Als ein Beispiel unter vielen sei Cardwell zitiert, der die Erfindung der Uhr und der Druckpresse für die beiden Säulen der Zivilisation und die Entdeckung der Atmosphäre durch Galilei Torricelli Viviani und Pascal für „möglicherweise“ die größte der „Entdeckungen” hält und die Folgewirkungen der letzteren bis zur Atomtheorie, der Dampfmaschine und der Physiologie rekonstruiert; siehe D. S. L. Cardwell Technology, Science and History, London 1972.
A. E. Musson,Introduction, in: Musson,a.a.O., S. 57.
S Vgl. ebda., S. 65 f.
Vgl. Musson und Robinson a.a.O., S. 8.
Vgl. S. Moscovici Essai sur l’histoire humaine de la nature, Paris 1968, sowie H. Nowotny und M. Schmutzer Gesellschaftliches Lernen. Wissenserzeugung und die Dynamik von Kommunikationsstrukturen, Frankfurt/New York 1974.
Imre Lakatos,History of Science and its Rational Reconstruction in: Buck und Cohen (Hrsg.), Boston Studies in the Philosophy of Science VIII, 1971.
R. D. Johnston,The Internal Structure of Technology, in: P. Halmos (Hrsg.), The Sociology of Science, The Sociological Review Monograph 18, Keele University, 1972.
Vgl. H. Bode, Reflections on the Relation between Science and Technology, in: National Academy of Sciences, Basic Research and National Goals, Washington 1965.
P. Weingart,Verwissenschaftlichung und Reflexivität der Praxis als Strukturprinzipien von Lernprozessen, in: Neue Sammlung 14 (1974).
G. Böhme, W. van den Daele, W. Krohn,Die Finalisierung der Wissenschaft, in: Zeitschrift für Soziologie 2 (1973), S. 143.
Vgl. Bode,a.a.O., S. 46.
Vgl. Edgar Zilsel,The Genesis of the Concept of Scientific Progress, in: Journal for the History of Ideas 6 (1945), S. 328.
Zum folgenden vgl. Zilsel,a.a.O.
Darer adressiert seine Abhandlung „Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit“ nicht nur an Maler, sondern „an jene, die des Messens bedürfen”; Zilsel,a.a.O., S. 334.
Vgl. Edgar Zilsel,The Sociological Roots of Science, in: American Journal of Sociology 47 (1942).
Zilsel,The Genesis…, a.a.O., S. 334 u. S. 336.
P. Rossi,Philosophy, Technology and the Arts in the Early Modern Era, New York 1970, S. 161, sowie Appendix II zu der hier wiedergegebenen Interpretation Bacons. Erwähnenswert ist auch die Begründung Bacons für die Verwendung verschiedener Begriffspaare wie Wissen und Macht, Ursache und Regel, „knowing“ und „operating”. Es gäbe keinen Grund für diese Unterscheidungen, wenn dem Menschen alle zur Arbeit erforderlichen Mittel zur Verfügung stünden. Die dem Handeln gesetzten Grenzen sind angesichts der Vielzahl der menschlichen Bedürfnisse jedoch enger, als die des Wissens. So geschieht es, daß im praktischen Handeln immer die Wahl des unmittelbar Verfügbaren gefordert ist und nicht das „freie und universale“ Wissen dessen, was erreicht werden kann. Deshalb, so Bacon,ist es opportun, zwischen der Untersuchung von Ursachen und der Verwendung von Auswirkungen zu unterscheiden; ebda., S. 165.
Vgl. Rupert A. Hall, The Scholar and the Craftsman, in: M. Clagett, Critical Problems in the History of Science, Madison 1962, S. 5.
Schelsky verweist im Zusammenhang mit der Gründung der Berliner Universität darauf, daß Gründung bedeutet, „neue Arten von Institutionen für neue Zwecke und Bedürfnisse zu schaffen, ohne die alten Institutionen in ihrer Existenzberechtigung anzutasten oder in ihren Aufgaben aufzuheben“, eine These, die sich auch auf das Verhältnis der Akademien zu den mittelalterlichen Universitäten übertragen ließe. H. Schelsky,Einsamkeit und Freiheit, 2. erw. Aufl., Düsseldorf 1971, S. 49.
Vgl. M. Ornstein, The Role of Scientific Societies in the Seventeenth Century, Chicago 1928, S. 76.
Ebda., S. 53.
Vgl. ebda., S. 91.
Zit. in Ornstei,a.a.O., S. 104 f.
Zit. in Ornstei,a.a.O., S. 108 f., meine Hvhbgn.
Vgl. A. R. J. P. Ubbelohde, The Beginnings of the Change from Craft Mystery to Science as a Basis for Technology, in: C. Singer, et. al. (Hrsg.), A. History of Technology, Vol. IV, Oxford 1958, S. 669.
Sprat zit. in Ubbelohde,a.a.O., S. 670, meine Hvhbgn.
Zit. in Ornstei,a.a.O., S. 120, meine Hvhbgn.
Vgl. R. K. Merton,a.a.O., S. 173.
Vgl. ebda., S. 203.
No patent should be granted for any philosophical, mechanical invention until examined by the society“; Weld zit. in Ornstein,a.a.O., S. 121.
Vgl. R. E. Schofield, The Lunar Society of Birmingham, Oxford 1963.
Schofield,The Industrial Orientation of Science in the Lunar Society of Birmingham, in: A. E. Musson,a.a.O., S. 14.6.
Zit. in Musson,The Diffusion of Technology in Great Britain during the Industrial Revolution, in: Musson (Hrsg.), a.a.O., S. 101.
Roger Hahn,The Anatomy of a Scientific Institution — The Paris Academy of Sciences, 16661803, Berkeley, Cal. 1971, S. 14.
Zit. in Ornstein a.a.O., S. 149, meine Hvhbgn.
Zit. ebda., S. 157.
Vgl. Hahn,a.a.O., S. 20.
Hahna.a.O., S. 24, meine Hvhbgn.
Ebda., S. 41.
Ebda., S. 68.
S. ebda., S. 86 ff.
Lavoisier unterschied explizit zwischen den Triebfedern des Wissenschaftlers und des Handwerkers; vgl. C. C. Gillispie The Natural History of Industry, in: Musson a.a.O., S. 128.
S. Hahn a.a.O., S. 109.
S. ebda., S. 111.
Vgl. M. Crosland, The Society of Arcueil, Cambridge, Mass. 1967, S. 180.
Hahn a.a.O., S. 240 f.
Vgl. Crosland,a.a.O., S. 192 ff.
Vgl. dazuHahna.a.O., S. 289.
Crosland a.a.O., S. 149.
Vgl. ebda., S. 160; S. 148; sowie Hahn,a.a.O., S. 304 f.
Vgl. Hahn,a.a.O., S. 275.
Gillispie Gillispiea.a.O., S. 128.
Dies Moment klingt in Bacons Parallelisierung von Ursachen und Regeln an und läßt sich an der Entwicklung von Meßinstrumenten aufweisen; vgl. P. Mathias,Who Unbound Prometheus? Science and Technical Change, 1600–1800, in: Musson,a.a.O., S. 95; s. a. das Zitat Berthollets in: Gillis-pie,a.a.O., S. 132.
Vgl. dazu das von Merton zitierte exemplarische Beispiel der Entwicklung von Huygens Arbeit an der Pendeluhr, die ihn aufgrund der logischen Abfolge von Problemen zur mathematischen Bestimmung der Länge von Kurven führte; Merton,a.a.O., S. 171.
S. ebda., Beispiele für neue Technologien, die keine Vorläufer im Handwerk hatten, sind z. B. jene, die aus der Analyse der verschiedenen Formen der Energie hervorgingen, der Gebrauch von Kohle-Gas für künstliches Licht und die Extraktion von Kohle aus geschmolzenem Eisen zur Herstellung von Stahl sowie die Technologie, die aus der Analyse der Elektrizität hervorgingen; vgl. Ubbelohde,a.a.O., S. 677 f.
Vgl. die Äußerung v. Münchhausens: „Meine Universitätsmoral ist auf das Interesse der Ehre und des Nutzens gegründet“, sowie die Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. vom 11. 4. 1798 an die Preußische Akademie der Wissenschaften, in der er diese unter Hinweis auf das französische Vorbild anhält, ihre Arbeiten mehr auf den allgemeinen Nutzen zu richten und sich gegen die Beschränkung auf „abstrakte Gegenstände” wendet. Er wünschte, „daß sie (die Akademie-P.W.) die Nazional-Industrie weckte, die so oft aus Mangel der notwendigen Einsichten in neue Gattungen vergebliche Versuche macht, indem sie dieselbe mit den wahren Grundsätzen über denjenigen Teil, womit sie sich beschäftigt, ausrüstete…“, zit. in: Schelsky,a.a.O., S. 32 und S. 37, meine Hvhbgn.
W. Nitsch, K. Gerhardt, C. Offe, U. K. Preuß Hochschule in der Demokratie, Berlin Neuwied 1965, S. 7.
Vgl. H. Schelsky a.a.O.; Nitsch et. al., a.a.O.; R. König, Vom Wesen der deutschen Universität, Berlin 1935 (2. Aufl. 1970) und andere.
Schelsky a.a.O., S. 38 f.
Ebda., S. 55.
Humboldt zit. in: Schelsky a.a.O., S. 65.
S. ebda.
Wilhelm von Humboldt,Über die innere und äußere Organisation der Höheren Wissenschaftlichen Anstalten in Berlin, in: Ernst Anrich,Hrsg., Die Idee der deutschen Universität, Darmstadt 1956, zuerst veröff. 1810, S. 379. Dies steht im übrigen im Widerspruch zu dem ebenfalls zur philosophischen Wissenschaftsauffassung gehörenden Gedanken, daß das wissenschaftliche Erkennen auf das „Ganze“ des Wissens in einem philosophischen System des Wissens bereits gewußt ist. Dieser Widerspruch hat Schelsky zufolge in „seiner Spannung einen der entscheidenden Impulse der,philosophischen Universität’ ausgemacht”; Schelsky,a.a.O., S. 68.
Ebda.
Ebda., S. 70.
Johann Gottlieb Fichte,Deduzierter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaft stehe, verfaßt 1807, erstm. veröff. 1817, in: E. Anrich,a.a.O., S. 155.
Nitsch et. al., a.a.O., S. 7.
In Frankreich stößt sie auf starken Widerstand und in England bleibt sie unbekannt; vgl. J. T. Merz, A History of European Thought in the Nineteenth Century, Vol. I., New York 1965, S. 174 f.
Hermann von Helmholtz,Ober das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaften (1862) in: ders.,Philosophische Vorträge und Aufsätze, Berlin 1971, S. 104 f.
Justus Liebig,Ober das Studium der Naturwissenschaften und über den Zustand der Chemie in Preußen, Braunschweig 1840, S. 38, Hvhbg. im Text; S. 24, meine Hvhbg.
S. Karl Heinz Manegold, Universität, Technische Hochschule und Industrie, Berlin 1970, S. 34.
Ebda., S. 39.
Zit. ebda.
Vgl. ebda., S. 40.
Karl-Heinz Manegold,Das Verhältnis von Naturwissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert im Spiegel der Wissenschaftsorganisation, in: Technikgeschichte in Einzeldarstellungen Nr. II, Düsseldorf 1969, S. 164.
So Redtenbachers Programm, „das ganze Maschinenfach auf sichere Regeln“ zurückzuführen. Er begründet den wissenschaftlichen Maschinenbau als selbständigen Lehrzweig; vgl. Manegold,Das Verhältnis…, a.a.O., S. 165 f. Die gleiche Rolle nimmt Releaux ein, der die Maschinenwissenschaft „der Deduktion gewinnen” wollte und planvolles, gelenktes „wissenschaftliches Erfinden“ anstrebte; vgl. ebda., S. 168 f.
Vgl. ebda., S. 167.
Vgl. ebda., S. 174.
Manegold,Universität…, a.a.O., S. 153.
Manegold,Das Verhältnis…, a.a.O., S. 177.
Vgl. ebda., S. 181.
Vgl. Frank Pfetsch,Zur Entwicklung der Wissenschaftspolitik in Deutschland 1750–1914, Berlin 1974, S. 114 f.
Zit. in Manegold,Das Verhältnis…, a.a.O., S. 182.
Wie etwa Drucker argumentiert; Peter F. Drucker,The Technological Revolution: Notes on the Relationship of Technology, Science and Culture, abgedr. in: ders.,Technology, Management and Society, New York/Evanston 1970, S. 181 f.
Vgl. ebda.
Vgl. zu einer problematisierenden Studie Roger Krohn, The Social Shaping of Science, Westport 1971.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1975 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Weingart, P. (1975). Das Verhältnis von Wissenschaft und Technik im Wandel ihrer Institutionen. In: Stehr, N., König, R. (eds) Wissenschaftssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94332-3_18
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94332-3_18
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11326-5
Online ISBN: 978-3-322-94332-3
eBook Packages: Springer Book Archive