Zusammenfassung
Unter den vielen Funktionssystemen der Gesellschaft verdient als erstes die Wirtschaft eine genauere Betrachtung. Unter Wirtschaft soll hier die Gesamtheit derjenigen Operationen verstanden werden, die über Geldzahlungen abgewickelt werden. Immer wenn, direkt oder indirekt, Geld involviert ist, ist Wirtschaft involviert, gleichgültig durch wen die Zahlung erfolgt und gleichgültig, um wessen Bedürfnisse es geht — also auch beim Einzug von Steuern oder bei Aufwendungen für öffentliche Güter, nicht jedoch bei dem Pumpvorgang, der Öl aus dem Boden holt, sondern nur bei der ökonomischen Regulierung dieses Vorgangs mit Rücksicht auf einen in Geld ausdrückbaren Ertrag.
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Literatur
Vgl. näher Niklas Luhmann, Das sind Preise, Soziale Welt 34 (1983), S. 153–170; ders., Die Wirtschaft der Gesellschaft als autopoietisches System, Zeitschrift für Soziologie 13 (1984), S. 308–327.
In diesen Hinsichten wird man freilich in manchen Entwicklungsländern noch eher „mittelalterliche“ Verhältnisse einer nahezu universellen Verwendbarkeit von Geld feststellen können. VgI. dazu und zu (wiederum ans Spätmittelalter erinnernden) Gegenbewegungen Georg Elwert, Die Verflechtung von Produktionen: Nachgedanken zur Wirtschaftsanthropologie, in: Ernst Wilhelm Müller (Hrsg.), Ethnologie als Sozialwissenschaft, Sonderheft 26/1984 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1984, S. 379–402 (397 ff.).
Die moderne „property rights“ Diskussion hat daran wieder angeknüpft. Ihre Ausdehnung auf ökologische Güter, etwa „Rechte” auf Umweltverschmutzung, erreicht jedoch die alte Schonfunktion des Eigentums nicht, weil ein Recht auf Verschmutzung von Luft oder Wasser, was immer man dafür bezahlt hat, dem Eigentümer keinen pfleglichen Umgang mit Luft oder Wasser und keine Abwehrklage gegen andere Immissenten ermöglicht.
Vgl. z. B. Raymond de Roover, The Concept of Just Price: Theory and Economic Policy, Journal of Economic History 18 (1958), S. 418–434; ders. La pensée économique des scolastiques: Doctrines et méthodes, Paris 1971, insb. S. 5 9 ff.
Darin liegt sowohl eine Freigabe der Wirtschaft für Selbstregulierung als auch eine Verstärkung der Angewiesenheit der Wirtschaft auf ein funktionierendes Rechtssystem, also Steigerung der Unabhängigkeit und der Abhängigkeit der Wirtschaft vom Recht. Das ist vor allem von Max Weber gesehen und seitdem oft genug herausgearbeitet worden. Vgl. z. B. James William Hurst, Law and the Conditions of Freedom in the Nineteenth-Century United States, Madison, Wisc. 1956. Siehe auch ders., Law and Social Process in United States History, Ann Arbor, Mich. 1960; ders., Law and Economic Growth: The Legal History of the Lumber Industry in Wisconsin 1836–1915, Cambridge, Mass. 1964 (mit indirekten Ausblicken auf ökologische Folgen), und jetzt Morton Horwitz, The Transformation of American Law, 1780–1860, Cambridge, Mass. 1977. Lesenswert auch Warren J. Samuels, Interrelations Between Legal and Economic Processes, Journal of Law and Economics 14 (1971), S. 435–450.
So Michel Aglietta/André Orlean, La violence de la monnaie, 2. Aufl., Paris 1984. Der Begriff wird hier im Anschluß an René Girard auch contagion mimétique genannt und bezeichnet den Zusammenhang von Copierverhalten, dadurch erzeugter Knappheit, Konflikt und Gewalt als Ordnungsvoraussetzungen.
Dies in krassem Gegensatz zu dem, was sich Juristen, Planer und selbst Ökonomen, die nach einer „Rahmenordnung“ verlangen, normalerweise vorstellen. Das System reagiert nicht mehr mit Konformität/Devianz auf Strukturvorgaben, sondern nur noch auf Strukturänderungen, die als Ereignisse wahrgenommen und verarbeitet werden können.
Sehr unsichere Schätzungen natürlich! Siehe z. B. Handelsblatt vom 28.2.1985; Börsenzeitung vom 1.3.1985; Herald Tribune vom 4.3.1985; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.3.1985 — sämtlich zum Problem der Dollarinterventionen führender Notenbanken.
Man findet in der „Umweltökonomie“, so bei Hans Christoph Binswanger, Ökonomie und Ökologie — neue Dimensionen der Wirtschaftstheorie, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 108 (1972), S. 251–281 (276 f.), die Auffassung, daß in der Geldschöpfung der eigentliche Grund für die Expansion der Wirtschaft und damit für die zunehmende Umweltbelastung liege. Wie jede Zurechnung ist aber auch diese problematisch, weil sie den Eindruck begünstigt, man könne an diesem Punkte das Übel kurieren.
Nicht ohne Grund hat man deshalb von der „Souveränität“ des Geldes und von der letzten Willkür seiner Gewalt gesprochen (wenngleich diese Begriffe eine Analogie zur Politik nahelegen, die leicht überdehnt und mißverstanden werden kann). Vgl. im Anschluß an René Girard: Michel Aglietta/ André Orléan, La violence de la monnaie, 2. Aufl., Paris 1984, insb. S. 53 ff.
Makroökonomik des Umweltschutzes, Göttingen 1976, S. 10.
Man kann dies auch als Versagen einer „Hierarchisierung“ begreifen, mit der das Wirtschaftssystem normalerweise seine fundamentale Paradoxie entkräftet. Oder anders formuliert: die Umweltökonomie muß zu anderen Formen der Entparadoxierung und Asymmetrisierung greifen.
Weniger optimistisch sind Beobachter, die schlicht von den Fakten ausgehen. Vgl. z.B. Brock B. Bernstein, Ecology and Economics: Complex Systems in Changing Environments, Annual Review of Ecology and Systematics 12 (1981), S. 309–330 und, in bezug auf die Grenzen der Auswirkungen eines „moral suasion“, eines Wertwandels, einer Bewußtseinsveränderung William J. Baumol/Wallace E. Oates, Economics, Environmental Policy and the Quality of Life, Englewood Cliffs, N. J. 1979, S. 282 ff.
Vgl. z. B. Karl-Heinrich Hansmeyer, Ökonomische Anforderungen an die staatliche Datensetzung für die Umweltpolitik und ihre Realisierung, in: Lothar Wegehenkel (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Tübingen 1981, S. 6–20 (9).
Mir ist es nicht gelungen, zu verstehen und in eine soziologische Sprache zu übersetzen, was Ökonomen unter „Markt“ verstehen. Systemtheoretisch liegt die entscheidende Einsicht darin, daß der Markt kein „Subsystem” des Wirtschaftssystems ist, sondern die jeweilige systeminterne Umwelt oder Ausschnitte dieser Umwelt, gesehen aus der Perspektive der einzelnen Teilsysteme. Vgl. insb. Harrison C. White, Where Do Markets Come From? American Journal of Sociology 87 (1981), S. 517–547. Geht man davon aus, macht es keine Schwierigkeiten, auch in sozialistischen Wirtschaften mit verstaatlichtem Produktionsapparat solche systeminternen Umwelten zu entdecken, und ob man das auch „Markt“ nennt oder nicht, wird zu einer primär ideologisch entscheid-baren Frage.
Modelltheoretische Überlegungen hierzu bei Horst Siebert, Ökonomische Theorie der Umwelt, Tübingen 1978.
Vgl. Douglas R. Hofstadter, Gödel, Escher, Bach: An Eternal Golden Braid, Hassocks, Sussex, UK 1979; dt. Übers. Stuttgart 1985.
Zu weiteren Folgeproblemen der Unterscheidung von Niveauentscheidungen und Allokationsentscheidungen siehe auch Joachim Klaus, Zur Frage der staatlichen Fixierung von Umweltstandards und Emmissionsniveaus, in: Wegehenkel, a. a. 0. (1981), S. 96–99.
Verglichen mit dem Rechtssystem, drängt sich die Parallele zur ebenfalls hierarchischen Ebenendifferenz von Rechtssetzung und Rechtsanwendung auf, die auch als eine Strategie der Entparadoxierung angesehen werden muß, die in der Praxis ständig scheitert; aber dies nur am Einzelfall und in einer Weise, die dadurch erträglich ist.
Siehe etwa Bender, a. a. O. (1976); Sieber a. a. O. (1978); oder bezogen auf die betriebswirtschaftliche Ebene: Udo Ernst Simonis (Hrsg.), Ökonomie und Ökologie: Auswege aus einem Konflikt, Karlsruhe 1980.
Es ist dann eine empirische Frage, ob und wie weit diese Auswirkungen durch neu entstehende Nachfrage kompensiert werden können. Die Theorie jedenfalls zwingt nicht zu der Annahme, daß erhöhter Aufwand für Rücksichten auf die Umwelt sich gesamtwirtschaftlich nachteilig auswirken müsse.
Insofern hat es keinen Sinn, von „nichtwirtschaftlichen“ Kosten zu sprechen. Das ist nur metaphorischer Sprachgebrauch, der die Spezifizität der wirtschaftlichen Betrachtungsweise unkontrolliert auf andere Gesellschaftsbereiche überträgt.
Somit ist auch die Auffassung zurückzuweisen, die sich gelegentlich auch außerhalb der fachökonomischen Literatur findet (z. B. Abraham A. Moles/Elisabeth Rohmer, Théorie des actes: vers une écologie des actions, Paris 1977, S. 57), über Kostenrechnung könne eine gesellschaftliche Integration des Handelns angesichts von knappen Ressourcen erreicht werden.
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Luhmann, N. (1986). Wirtschaft. In: Ökologische Kommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94325-5_10
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