Zusammenfassung
Offenbar ist es den empirischen Sozialwissenschaften (und insbesondere der Soziologie) bisher nicht gelungen, sich ebenso entschieden und überzeugend wie die Naturwissenschaften von ihrer philosophischen Vorgeschichte zu emanzipieren. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Begründung der empirischen Soziologie in dieser Hinsicht häufig (wenn nicht geradezu typischerweise) von einer sehr radikalen Annahme begleitet war und ist. Danach soll die Entfaltung dieser Erfahrungswissenschaft nicht nur die Unterlegenheit und Schädlichkeit philosophischen Denkens hinsichtlich eines weiteren Wirklichkeitsbereichs erweisen, sondern das Bedürfnis nach Philosophie überhaupt an der Wurzel treffen und erledigen. Der Gegenstand empirischer Sozialwissenschaft nämlich ist nach dieser Auffassung kein beliebiger weiterer — wenn auch besonders komplexer — aus dem Nachlaß der Philosophie. Vielmehr ist er das von allen metaphysischen Verhüllungen befreite Prinzip (oder subiectum) der Philosophie: der Mensch als gesellschaftliches Wesen oder als „Gesellschaft“1. Daher ist Sozialwissenschaft nicht bloß überlegene Substitution eines — wenn auch noch so zentralen — Teils der Philosophie, sie ist vielmehr die empirische Aufdeckung der Wirklichkeit, Notwendigkeit und Obsoletheit dieser Erkenntnisform schlechthin. Darüber hinaus aber gilt sie in dem Sinne auch als Erbin der Philosophie, daß aus der Erforschung des wirklichen Subjekts aller Philosophie allererst dessen wirkliche Entfaltung entspringen werde.
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Weiß, J. (1993). Die Soziologie und die Aufhebung der Philosophie. In: Vernunft und Vernichtung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94241-8_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94241-8_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12475-9
Online ISBN: 978-3-322-94241-8
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