Zusammenfassung
Sind in den Naturreservaten und künstlichen Paradiesen des späten Stifter Nachwirkungen der Revolution zu erkennen, Reaktionen auf die bewaffneten Aufstände in Wien zwischen März und November 1848? Stifter reagierte mit Abwehr, durch die Flucht in ein irdisches Jenseits, in abgeschlossene Bezirke, die außerhalb der gesellschaftlichen Wirklichkeit, dem “geistigen Tierreich”, angesiedelt sind. Wenn wir als Leser in diese Refugien eintreten — wie in jenen “totgesagten Park” -, dann atmen wir auf, eine Last fällt von uns ab. In dieser mystischen Stille Züge eines “Totenreichs” zu erkennen, dazu fühlt man sich nicht sehr geneigt. Sind diese “jenseitigen” Gefilde nicht vielmehr Freiräume, in denen Entfaltungsmöglichkeiten vorgestellt werden, die bewahrt bleiben vor den Hemmungen und Deformationen des Realitätsprinzips? Könnte man sie nicht als Utopien lesen? Utopien gehen aus der Kritik des Bestehenden hervor, sind Gegenentwürfe einer künftigen Befreiung; Empörung und Hoffnung sind ihre Triebkräfte. Utopien aber, die auf dem Boden der bestehenden Herrschaftsverhältnisse verbleiben, gibt es nicht und kann es nicht geben. Stifters Reservate und Paradiese haben nicht diesen aufsprengenden Charakter; im Gegenteil, sie bedeuten ein Zurückweichen vor einer Realität, die das Bestehende bedroht (akut seit 1848), Flucht in noch unbedrohte Randlagen oder in eine abgeschiedene Historie. Sie sind restaurativ und weisen politisch regressive Züge auf. Das Bestehende wird darin idealisiert und bereinigt, von den tatsächlichen Existenzbedingungen wird abstrahiert oder sie werden verschleiert.
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Literatur
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Glück, A. (1996). Stifter — Naturreservate und künstliche Paradiese nach 1848. In: Koebner, T., Weigel, S. (eds) Nachmärz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94227-2_19
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