Zusammenfassung
In den folgenden Überlegungen soll mit Hilfe systemtheoretischer Erkenntnisse ein neues Licht auf die literaturästhetischen Debatten der Nachkriegszeit geworfen werden. Im ersten Kapitel wird die bisher gängige Frage nach der Adäquatheit historischer Selbsteinschätzungen als wissenschaftliche Epochenbeschreibung (‚Stunde Null‘, ‚tabula rasa‘) kritisiert. Kern meiner Kritik ist dabei, daß sie 1. die selektive Bedeutung historischer Begriffe negiert und 2. eine zu einfache Vorstellung vom Verlauf geschichtlicher Prozesse voraussetzt. Die Fruchtbarkeit einiger kurz angedeuteter systemtheoretischer Ausgangspunkte wird in Abschnitt zwei und drei anhand einer Analyse der kontroversen Standpunkte in der literaturästhetischen Debatte der ersten Nachkriegsjahre gezeigt. Inhalt des vierten Abschnitts ist der Nachweis, daß die Bedeutung des seit 1948 immer öfter auftauchenden Konzepts einer Littérature engagée innerhalb des in Abschnitt zwei und drei dargestellten Rahmens zu sehen ist. Dabei erweist sich die Kritik der siebziger Jahre — ‚Littérature engagée‘ als mißlungener Versuch politisch engagierter Literatur — als ahistorisch. Im abschließenden fünften Abschnitt werden aus systemtheoretischer Perspektive einige Gedanken zum Problem ‚Nachkriegsliteratur als Epochenkategorie‘ formuliert, indem auf die sich seit dem Ende der vierziger Jahre abzeichnende Veränderung des bis dahin aktuellen literarischen Codes in den literaturästhetischen Debatten hingewiesen wird.
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Burgers, H. (1993). Ästhetische Debatten im Literatursystem der Nachkriegszeit. In: de Berg, H., Prangel, M. (eds) Kommunikation und Differenz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94226-5_6
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