Zusammenfassung
Die Frage, ob politische Systemwechsel einen Unterschied machen, ist von den Ereignissen des letzten Herbsts eindrucksvoll beantwortet worden. Weniger klar ist demgegenüber, in welchem Maße und von welchen Schwellenwerten an sozialstrukturelle Wandlungen politische Veränderungen beschleunigen, auslösen oder gar erzwingen. Schwieriger als die Wirkung alternativer Systeme sind die Wirkungen von Regierungswechseln in Demokratien wie der Bundesrepublik -das Unterthema dieser Konferenz — zu beurteilen. Hier sprechen die politischen Kontinuitäten wie die Parolen über die „Pseudodifferenzierung“der Parteien gegen große Wirkungen, aber die Intensität des politischen Dauerwahlkampfs und der Kampf in den Massenmedien augenfällig dafür. Ich will im folgenden das Thema in fünf Schritten behandeln: (I) mit einigen begrifflich-theoretischen Überlegungen, (II) mit einer Skizze der Modernisierungsgeschichte der Bundesrepublik, (III) durch die Abschätzung der sozialstrukturellen Wirkungen politischer Ereignisse und Regimes in der Entwicklung der Bundesrepublik, (IV) in einem Exkurs über Nationalsozialismus und DDR und (V) in einer zeitdiagnostischen Schlußbemerkung.
Der Kommentar von Hartmut Häußermann ist mir erst nach Abgabe des Manuskripts bekannt geworden. Wir müssen die notwendige Diskussion an anderer Stelle führen. Ich habe meinen Ansatz näher ausgeführt in dem Beitrag: Der Untergang der DDR und die soziologische Theorie der Modernisierung, in: Bernd Giesen und Claus Leggewie (Hrsg.), Experiment Vereinigung — ein sozialer Großversuch, Berlin: Rotbuch 1991. Für eine empirische Kritik der These von der „Zweidrittelgesellschaft“vgl. Roland Habich und Bruce Headey, Armut in der Bundesrepublik mehrheitlich kurzfristiger Natur, Informationsdienst soziale Indikatoren Nr. 5, Januar 1991, ZUMA Mannheim, S. 5–7.
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Literatur
Die ersten beiden Ansätze habe ich in den folgenden Arbeiten näher dargestellt: Wolfgang Zapf, Die Pluralisierung der Lebensstile: Neue Muster des Lebens- und Familienzyklus. Alte und neue Linien der sozialen Schichtung, in: Zukunftsperspektiven gesellschaftlicher Entwicklungen, Landesregierung von Baden-Württemberg, Stuttgart 1983, S. 56–73;
Wolfgang Zapf, Sozialstruktur und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, in: W. Weidenfeld und H. Zimmermann (Hrsg.), Deutschland-Handbuch, München 1989, S. 99–124.
Der dritte Ansatz findet sich klassisch in H. Gerth und C.W. Mills, Character and Social Structure (1953), New York 1964, hier S. 32 f. Meine eigene Version in: Development, Structure and Prospects of the German Social State, in: R. Shiratori und R. Rose (Hrsg.), Welfare State: East and West, Oxford/New York 1986, S. 126–155, hier S. 142–152.
Vgl. Arnulf Baring, Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart 1982, S. 363–373.
Die Wendung stammt von Peter Flora, vgl. seine mehrbändige Arbeit Growth to Limits. The Western European Welfare States Since World War II, Berlin/New York 1986 f., hier Vol. 1, S. XI-XXIV.
Vgl. Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt a.M. 1973;
Claus Offe, Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Frankfurt a.M. 1972;
Franz Lehner, Grenzen des Regierens, Frankfurt a.M. 1979. Kritisch zur Literatur über die Legitimationskrise: Max Kaase, Systemakzeptanz in den westlichen Demokratien, Zeitschrift für Politik, Sonderheft 1985, S. 99–125.
Albert O. Hirschman, Shifting Involvements: Private Interest and Public Action, Princeton 1982. Die Zeitreihe „Index of real earnings” bezieht sich auf die inflationsbereinigten Bruttolöhne von Industriearbeitern und stammt von der Abteilung Sozialindikatoren im Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA), Mannheim.
Vgl. K.U. Mayer und W. Müller, The State and the Structure of the Life Course, in: A. Sorensen et al., Human Development and the Life Course, Hillsdale 1986, S. 217–245.
Empirische Daten in: Zapf, Sozialstruktur und gesellschaftlicher Wandel..., a.a.O.
Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, Kap. 26; hier: Ralf Dahrendorf, Soziologie und Nationalsozialismus, in: H.J. Hoffmann-Nowotny (Hrsg.), Kultur und Gesellschaft, Gemeinsamer Kongress usw., Zürich 1989, S. 669–675.
Jens Alber, Nationalsozialismus und Modernisierung, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 41. Jg., 1989, S. 346–365.
Ralf Dahrendorf, Soziologie und Nationalsozialismus, a.a.O., S. 674.
Artur Meier, Abschied von der sozialistischen Ständegesellschaft, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 16/17, 13. April 1990, S. 3–14.
Detlef Pollack, Das Ende einer Organisationsgesellschaft. Systemtheoretische Überlegungen zum gesellschaftlichen Umbruch in der DDR, Zeitschrift für Soziologie, 19. Jg., 1990, S. 292–307.
Thomas Hanf, Auf der Suche nach Subjektivität, Beitrag zum 5. Soziologiekongreß der DDR, Februar 1990, mimeo.
Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie, a.a.O., Kap. 2, 4, 28; M. Rainer Lepsius, Sozialstruktur und soziale Schichtung in der Bundesrepublik Deutschland, in: R. Löwenthal und H.P. Schwarz (Hrsg.), Die zweite Republik, Stuttgart 1974, S. 263–288.
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© 1991 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Zapf, W. (1991). Zum Verhältnis von sozialstrukturellem Wandel und politischem Wandel: Die Bundesrepublik 1949 – 89. In: Blanke, B., Wollmann, H. (eds) Die alte Bundesrepublik. Leviathan. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94192-3_7
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