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Allein wer Zugang zum Beruf hat, ist frei, sich für Eigenarbeit zu entscheiden

3-Schwellen-Modell zum Verhältnis von Erwerbsarbeit und außererwerblicher Tätigkeit

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Zusammenfassung

Ich verstehe unter „Eigenarbeit“ solche Tätigkeiten, die dem „Eigensinn“ von Individuen und Gruppen folgen, d.h. die der Initiative der Arbeitenden entspringen, bei denen Planung und Ausführung in selbstbestimmter Kooperation liegen, und deren Resultat den Tätigen zur eigenen Verwendung zufälltl. Eigenarbeit kann der Erwerbsarbeit ähneln — so etwa bei der Selbst- und Nachbarschaftshilfe beim Eigenheimbau. Sie kann aber auch spielerische, kreative und raumgestaltende Formen annehmen — wie etwa bei der Gestaltung verkehrsberuhigter Zonen, Entwurf von Kunst im öffentlichen Raum, Straßentheater. Sie kann aber auch in der Öffnung von Privatbereichen zu Kommunikationszonen bestehen — durch Schaffung kommunikativer, karitativer, unter Umständen kurativer Kooperationszusammenhänge in der Kommune — und sich von dort aus zu politischen oder infrastrukturellen Initiativen entwickeln. Schließlich kann Eigenarbeit auch einen Teil privater und gesellschaftlicher Reproduktion durch „Kooperationsringe“ ablösen2, die eine direkte Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten errichten und so dem Markt entziehen. In der Geschichte der sozialen Bewegungen, auch der Arbeiterbewegung, hat es immer wieder den Versuch gegeben, eine so umrissene Eigenarbeit zum Modell von Gesellschaft zu erheben. Eigenarbeit meint letztlich nicht marktvermittelte Arbeit und Arbeit, die nicht fremdbestimmten Produktionsbedingungen unterliegt. In der Arbeiterbewegung ist diese Idee von Arbeiterselbstverwaltung weithin vergessen worden — erst in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sind Erinnerungsfetzen wieder entdeckt worden3. Mit Eigenarbeit wird immer auch ein Gegenmodell zur vorherrschenden kapitalistischen Marktgesellschaft angesprochen.

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Literature

  1. Vgl. hierzu die Übersicht und Analyse von Offe, C,und R.G. Heinze,Am Arbeitsmarkt vorbei. Überlegungen zur Neubestimmung „haushaltlicher“ Wohlfahrtsproduktion in ihrem Verhältnis zu Markt und Staat, in: Leviathan 14, 1986, S. 471ff.

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  2. Vgl. auch dies., a.a.O. (Fußn. 1), S. 491ff.

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  3. Siehe hierzu die instruktiven Beiträge in dem Buch Fiedler, W, R. Hoffmann und K. Kost (Hrsg.), Gewerkschaften auf neuen Wegen. Auf der Suche nach Alternativen innerhalb der Gewerkschaften. Marburg 1987.

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  4. Ich habe mich zu diesen Ursachen mehrfach in früheren Publikationen geäußert und verweise darauf. Vgl. Die Krise des Normalarbeiterverhältnisses, in: Zeitschrift für Sozialreform 1985, S. 415ff. und 457ff.; Deregulierendes Arbeitsrecht. Die Arbeitsrechtsinitiativen der Regierungskoalition, in: Kritische Justiz 1985, S. 255ff.; Zur Rolle des Normalarbeitsverhältnisses bei der sozialstaatlichen Umverteilung von Risiken, in: Prokla Nr. 64, 1986, S. 31ff.; Sozialpolitische Regulierung und Normalisierung des Arbeitsbürgers (zusammen mit J. Behrens und St. Leibfried),in: M. Opielka und I. Ostner (Hrsg.), Umbau des Sozialstaats. Essen 1987, S. 24ff.

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  5. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive kann man hier insbesondere die neokonservativen Autoren nennen: Adomeit, K,Das Arbeitsrecht und unsere wirtschaftliche Zukunft. München 1985; und Rüthers, B,Die offene Arbeitsgesellschaft und Grauzone Arbeitsrechtspolitik. Osnabrück 1985 und 1986. Hinter diesen Orientierungsvorschlägen stehen ihrerseits neokonservative Gesellschaftsentwürfe, wie sie etwa von Biedenkopf, K und M. Miegel und von Späth,L. publiziert worden sind (vgl. dazu kritisch Leithäuser, G,in: Jahrbuch soziale Bewegungen, Bd. Armut und soziale Bewegungen. Frankfurt 1987). Die ökonomische Basistheorie schließlich zu diesen Gewerkschaftsentwürfen findet sich in der neoklassischen Kieler Schule: vgl. etwa Soitwedel, R,Zum Einfluß sozialer Sicherung auf die Arbeitslosigkeit, in: Arbeitslosigkeit als Problem der Rechts-und Sozialwissenschaften. Baden-Baden 1980, S. 111ff. Eine Übersicht und fundierte ökonomische Kritik dieser Basistheorien findet sich bei Buttler, F,Regulierung und Deregulierung der Arbeitsbeziehungen, in: ders, H.-D. Hardes und A. Klose,Sozialpolitik in der Beschäftigungskrise, Bd. 2. Berlin 1986, S. 9ff.

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  6. So etwa Bosch, G,Hat das Normalarbeitsverhältnis eine Zukunft?, in: WSI-Mitteilungen, Schwerpunktheft Zukunft der Arbeit, 1986, S. 163.

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  7. Dazu Offe, C,und R.G. Heinze,a.a.O. (Fußn. 1), S. 483f. und 490f.

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  8. Hier wie im folgenden greife ich zurück auf Überlegungen, die ich zusammen mit Claus Offe und Ilona Ostner im Rahmen der Studie „Das garantierte Mindesteinkommen“ angestellt habe. Aus den dort geführten Diskussionen ist auch die Fragestellung und

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  9. yen Einkommensteuer und einer Grundrente im Alter - für alle Menschen gewährleistet, so wäre zumindest verhindert, daß Nichterwerbstätige aktuell oder im Rentenalter durch die Maschen der sozialen Sicherungssysteme hindurchfallen und materielle Not erleiden würden. Eine solche Mindesteinkommenssicherung würde den Spielraum für Eigenarbeit erweitern. Sie würde nämlich den Zwang, zur Aufnahme abhängiger Arbeit verfügbar zu sein, beseitigen und auf diese Weise die nicht durch Erwerbsarbeit gebundenen Zeiträume freier - d.h. auch für Eigenarbeit - verfügbar machen, als das nach heutigen sozialversicherungs-und sozialhilferechtlichen Vorkehrungen der Fall ist.

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  10. Freilich löst das Konzept des garantierten Mindesteinkommens die unter 1. beschriebene Problemstruktur für sich genommen noch nicht. Das Mindesteinkommen vermag vielleicht jetzt vorhandene materielle Not lindern - durch Arbeitsmarktsegmentation bedingte Diskriminierung (insbesondere von Frauen) freilich vermag es nicht zu beseitigen. Denn wenn alle übrigen Bedingungen gleich bleiben, kann (und wird) die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens zur Folge haben, daß die schwächsten Segmente des Arbeitsmarktes zwar eine gewisse materielle Besserstellung erfahren, damit aber zugleich aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt und in mehr oder minder unfreiwillige „Eigenarbeit“ abgedrängt werden. Bei fortbestehender traditioneller Geschlechterrollentrennung dürfte dies - und die Erfahrung mit den Elternschaftsurlaubsregelungen bestätigen dies - vor allem die periphere Arbeitsmarktrolle von Frauen verfestigen9.

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  11. Daß das Problem nicht leicht zu lösen ist, läßt sich leicht an der (vermeintlichen, aber doch gesellschaftlich wirksamen) Antinomie von Freiheit und Sicherheit veranschaulichen, die oben bereits verwendet wurde. Aufgrund andernorts10 vielfach dargestellter Verkoppelungen des Systems der Erwerbsarbeit mit anderen gesellschaftlichen Sicherungs-und Umverteilungssystemen ist unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen für Beschäftigte eine relative Sicherung ihrer Reproduktion nur durch eine kontinuierliche „normale“ Berufsrolle zu erwerben. Sicherheit wird also strukturell durch Unterwerfung unter ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis erkauft. Jede Form von Tätigkeit, die „frei” erfolgt, die sich diesem Abhängigkeitsverhältnis entzieht, fällt somit aus dem Sicherungsgefüge heraus. In diesem Sinne organisiert die bestehende Gesellschaft Freiheit und Sicherheit in der Tat als einander ausschließende Pole. Und es ist konservativen Protagonisten ein Leichtes, zu behaupten, auf dem gegebenen gesellschaftlichen Entwicklungsstand sei zwar ein Zuwachs von Freiheit wünschens-

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  12. Grundidee dieses Beitrags — das Paradox, daß freie Entscheidung zu Eigenarbeit die Alternative des Zugangs zu beruflicher Tätigkeit voraussetzt — hervorgegangen.

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  13. Das ist die Sorge etwa von gewerkschaftlichen Autoren (vgl. etwa Fußn. 6), aber auch Autorinnen, die eher feministischer oder grün-alternativer Programmatik zuzurechnen sind: vgl. die Beiträge von Muller, C, I. Hehr und G. von Erler oder von Ostner, I und H. Schmidt-Waldher in dem von M. Opielka und I. Ostner herausgegebenen Band (Fußn. 4).

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  14. Wie oben Fußn. 4.

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  15. Der Beitrag von G. Bosch (Fußn. 6) öffnet sich zwar zu den Fragen einer neuen Arbeitspolitik. In seiner Kritik zu meinen Arbeiten zur Krise des Normalarbeitsverhältnisses verbleibt sein Aufsatz jedoch inkonsistent. Er lehnt meine These von der Krise des Normalarbeitsverhältnisses - aus Gründen, deren Seriosität hier nicht zu diskutieren ist - ab, entwickelt aber seinerseits lediglich eine arbeitspolitische Perspektive, die sich auf Reorganisationsmöglichkeiten der Arbeitszeitpolitik bezieht. Daß er damit den eigentlichen sozialpolitischen Sprengstoff dieser Tage umgeht - nämlich die Situation solcher Menschen, die aus dem Erwerbsarbeitsbereich ausgegrenzt sind und dauerhaft bleiben -, scheint mir eine Problemverdrängung darzustellen, die im gewerkschaftlichen Bereich bislang leider noch vorherrscht.

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  16. Dazu eher affirmativ Pitschas, R,Berufsfreiheit und Berufslenkung. Berlin 1983.

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  17. Die Ausbildungspflicht der Unternehmen nach dem Grundgesetz. Rechtsgutachten. Baden-Baden 1986.

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  18. Vgl. Fußn. 14, a.a.O., Nachweise auf S. 112 und 121

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  19. Instruktiv hierzu DGB-Bundesvorstand, Abt. Jugend (Hrsg.), Jugendarbeitslosigkeit. Weiterbeschäftigung nach der Ausbildung. Düsseldorf, April 1987. Das Problem dieser Untersuchung besteht nur darin, daß sie sich jeden praktischen und perspektivischen Kommentars zu den vorgelegten Daten enthält

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  20. Allgemeiner Überblick bei Jeammaud A und A. Lyon-Caen France, in: dies. (Hrsg.), Droit du travail, démocratie et crise, Actes sud 1986, S. 19ff

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  21. Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 vom 26. April 1985 (BGBl I, S. 710)

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  22. Siehe Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz vom 13.08.1980 (BGBl I, S. 1308).

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  23. Dazu allgemein Pfan, H.M und K. Bertelsmann,Gleichbehandlungsgesetz. Zum Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben. Wiesbaden 1985.

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  24. Arbeitsplatzschutzgesetz in der Fassung vom 14. April 1980 (BGB1 I, S. 426).

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  25. Zivildienstgesetz in der Fassung vom 31. Juli 1986 (BGBl 1, S. 1206 ).

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  26. Abgeordnetengesetz in der Fassung vom 30. Juli 1985 (BGB1 I, S. 1623 ).

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  27. Bundeserziehungsgeldgesetz vom 6. Dezember 1985 (BGB1 I, S. 2154 ).

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  28. So leider der Grundtenor der in dem Schwerpunkt „Die soziale Grundsicherung neu gestalten“ der WSI-Mitteilungen Nr. 2/1987 enthaltenen Beiträge, insbesondere desjenigen von Adamy,W., und A. Schmidt,Mindestsicherung—Alternative oder Ergänzung des Sozialstaats?, S. 58ff.

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  29. Interessante Ansätze finden sich etwa bei Lecher, W,Zum künftigen Verhältnis von Erwerbsarbeit und Eigenarbeit aus gewerkschaftlicher Sicht, in: WSI-Mitteilungen 1986, S. 256ff.; in dem von Kurz-Scherf, I und G. Breit herausgegebenen Band „Wem gehört die Zeit“. Hamburg 1986; in der vom DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg herausgegebenen Dokumentation „Kongreß Zukunft der Arbeit am 7. Juni 1986 in Stuttgart”. Stuttgart 1987; wie auch in dem bereits in Fußn. 3 genannten Buch.

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Mückenberger, U. (1990). Allein wer Zugang zum Beruf hat, ist frei, sich für Eigenarbeit zu entscheiden. In: Heinze, R.G., Offe, C. (eds) Formen der Eigenarbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94186-2_12

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